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# taz.de -- Polnisches Filmfestival: "Ich will nicht den polnischen Durchschnit…
> Wunderbare Geschichten, politische Statements - morgen beginnt das
> Festival "Film Polska". Insgesamt werden rund 90 Filme gezeigt. Berlin
> ist dafür der perfekte Ort, sagt Organisator Kornel Miglus, denn das
> Publikum sei offen und international, polnische Filmemacher kämen gerne
> hierher
Bild: Wie ein Wolfshund wacht Warschau über die heimische Kultur, die im Ausla…
taz: Herr Miglus, wenn Sie zwei Klischees über den polnischen Film nennen
sollten, welche wären das?
Kornel Miglus: Andrzej Wajda und Krzysztof Kieslowski. Beides Altmeister.
Man assoziiert das polnische Kino mit seinen Altmeistern.
Und den Typus Film, den sie machen?
Die Geschichtsfilme bei Wajda und die sozial verankerte Metaphysik bei
Kieslowski. Aber Kieslowski gerät allmählich in Vergessenheit. Er wird
nicht mehr so gehypt wie in den 90er-Jahren kurz vor seinem Tod und
natürlich direkt danach.
Inwieweit bedienen Sie mit dem Festival Film Polska diese Klischees?
Wir zeigen Andrzej Wajdas Film Katyn. Wajda ist einfach eine Institution.
Der Einzige, der in den Medien und der Filmwelt präsent ist. Und natürlich
berühren seine Filme, wie auch Katyn, wichtige politische und
gesellschaftliche Themen, die am nationalen Bewusstsein rütteln, aber auch
über die Grenzen Polens hinaus eine Reaktion hervorrufen.
Aber einen legitimen Nachfahren von Kieslowski sucht man vergeblich.
Regisseure wie Bergman oder Kusturica werden auch nicht alle Tage geboren.
Aber es stimmt schon. Viele Filme, die im Schatten von Kieslowski
entstanden sind, blieben Eintagsfliegen. Das liegt daran, dass viele
Regisseure der Versuchung nicht widerstehen können, schon mit ihrem zweiten
Film eine Komödie oder eine Soap Opera zu machen, also in den Mainstream
kommen.
Film Polska beginnt in diesem Jahr mit Andrzej Jakimowskis "Sztuczki /
Kleine Tricks". Ist das ein polnischer Film oder ein Film aus Polen?
Ein polnischer Film aus Polen natürlich. Aber eigentlich ist es ein Film
aus der Provinz. Er spielt im Dreiländereck Polen, Deutschland und
Tschechien; dort, wo der Braunkohleabbau zusammengebrochen ist und die
Leute weggehen. Entsprechend ist das ästhetische Ambiente.
Vom Thema her ein Film, der auch in Ostdeutschland spielen könnte.
Ja. Aber "Sztuczki" ist kein sozialkritisches Kino. Es ist eine kleine
wunderbare Geschichte von einem Jungen, der unbedingt seinen Papa zurück
ins Haus holen will. Er versucht das dann mit kindischer Zauberei und
allerlei kleinen Tricks. Es geht um den Glauben des Kindes an die heile
Familie. Es ist ein Stück anständiges Arthousekino.
Und ein Kontrast zum etwas sperrigen Schwulenfilm "Homo Father", mit dem
Sie vor zwei Jahren das Festival eröffnet haben. War das damals, in der
Kaczynski-Zeit, ein nötiges politisches Statement?
Das war in der Tat ein wichtiger Standpunkt. Das Institut macht aber keine
Politik, sondern organisiert nur ein Filmfestival. Neben "Homo Father"
haben wir ja auch den Film gezeigt, in dem die Kaczynski-Zwillinge als
Kinder gespielt haben. Den durfte man zu der Zeit in Polen schon nicht mehr
zeigen.
Welche Filme muss man machen, damit man bei Ihrem Festival gezeigt wird?
Es ist wohl einfacher zu sagen, welche man nicht machen sollte. Ich will
nicht den polnischen Durchschnitt zeigen. Nicht die Komödien, die sich
eines schenkelklopfenden Humors bedienen. Auch nicht die Romantic-Comedies,
in denen immer alles gut wird. Solche Filme, die außerhalb des polnischen
Kontextes überhaupt nicht verständlich sind.
Es gibt Kritiker, die sagen: Wenn sich der polnische Film von seinem
Kontext löst und versucht, universelle Geschichten zu erzählen, dann wird
er schnell belanglos.
Es gibt zwei Korsetts, aus denen sich der polnische Film befreien muss. Das
eine sind die Altmeister, das andere ist die Macht des Fernsehens. Das hat
einen großen Einfluss bekommen. Ein Film muss, wenn er ins Kino will, die
ästhetische Wahrnehmung des Fernsehens bedienen.
Weil die Kinoproduktionen mehr noch als in Deutschland vom Fernsehen
mitproduziert werden?
Vor einigen Jahren gab es keinen einzigen Kinofilm, der nicht auch fürs
Fernsehen produziert worden wäre. Das bedeutet andere filmische Mittel,
andere Ästhetik, ein Mehr an Mittelmaß. Als Gegenreaktion darauf ist vor
drei Jahren das polnische Filminstitut gegründet worden. Aber das dauert.
Ein Beispiel für die ersten Erfolge ist "Sztuczki", der aus anderen Mitteln
finanziert wurde.
Film Polska ist das größte Festival des polnischen Films in Deutschland. Es
findet zum dritten Mal statt. Was war der Grund, dieses Festival in Berlin
auf die Beine zu bringen?
Bis vor drei Jahren hat das Polnische Institut verschiedene Reihen
produziert: Themenreihen oder Hommages. Das wurde in den Medien kaum
wahrgenommen. Demgegenüber ist Film Polska mit seinen 90 Filmen, die wir in
diesem Jahr zeigen, viel präsenter. Auch die Unterstützung von den Partnern
in Polen ist größer.
Ist das Publikum eher deutsch oder polnisch?
Das hängt vom Film ab. Bei den Studentenfilmen, beim Offkino und den
Dokumentarfilmen ist es hauptsächlich ein deutsches Publikum. Die
Altmeister haben ein gemischtes Publikum. Den jungen polnischen Film
schauen sich auch Polen an. Sie kennen die Namen, die Titel sind bekannt,
und wenn sie in Polen den Film verpasst haben, können sie es in Berlin
nachholen.
Ist Berlin eine gute Stadt für ein solches Festival?
Ich kenne keine bessere. Das Berliner Publikum ist offen und international.
Durch viele hier lebende Polen entsteht ein zusätzlicher Schneeballeffekt.
Und auch die polnischen Filmemacher kommen gerne nach Berlin. Berlin hat
einen guten Ruf in Polen. INTERVIEW: UWE RADA
22 Apr 2008
## AUTOREN
Uwe Rada
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Kino Polen
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