# taz.de -- Diskussion um sichere Herkunftsländer: Gefahr im Maghreb | |
> Die Bundesregierung bezeichnet Tunesien, Algerien und Marokko als | |
> „sicher“. Experten des Bundesamtes für Migration sehen das anders. | |
Bild: Lebensentscheidend: Anhörung von Asylbewerbern im Bundesamt für Migrati… | |
Berlin taz | Die Kölner Silvesternacht lässt den Innenminister nicht los. | |
Erst musste Thomas de Maizière (CDU) am Montag dem Untersuchungsausschuss | |
des NRW-Landtags Rede und Antwort zur Rolle der Bundespolizei in jener | |
Nacht stehen. Und nun scheinen Akten des ihm unterstellten Bundesamts für | |
Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu belegen, dass sich die Bundesregierung | |
die Menschenrechtslage in Nordafrika zurechtdichtet, um Asylbewerber aus | |
der Region schneller abschieben zu können – was nach der Kölner | |
Silvesternacht ihr erklärtes Ziel ist. | |
Als sich herausstellte, dass vor allem Männer aus Nordafrika für die | |
sexuellen Übergriffe rund um den Hauptbahnhof verantwortlich waren, hat die | |
Bundesregierung beschlossen, Marokko, Tunesien und Algerien als „sichere | |
Herkunftsstaaten“ einzustufen. Das entsprechende Gesetz verabschiedete der | |
Bundestag im Mai. | |
Nun kam heraus, dass Bamf-Experten bei den drei Maghrebstaaten zu einer | |
ganz anderen Einschätzung kommen. Marokko, Tunesien und Algerien sind für | |
politisch Verfolgte, Frauen und Homosexuelle bei Weitem nicht so sicher wie | |
von der Bundesregierung vorgegeben. Das [1][berichtete am Sonntag Zeit | |
Online] mit Verweis auf die sogenannten Herkunftsländerleitlinien, die | |
Aufschluss über die politische Lage vor Ort geben und den | |
Bamf-MitarbeiterInnen bei Asylentscheidungen helfen sollen. | |
Wie weit Regierung und Bamf in ihren Einschätzungen auseinanderliegen, | |
zeigt sich, wenn man die Leitlinien dem Gesetzestext gegenüberstellt. Dort | |
heißt es beispielsweise: „Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, | |
Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen | |
Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar.“ Deshalb stünde einer | |
„Einstufung Algeriens als sicherer Herkunftsstaat nichts entgegen.“ Das | |
Bamf hingegen stellt fest: „In Algerien ist die Verfolgung von Seiten des | |
Staats […] sowie anderer Akteure nicht auszuschließen“. | |
Legt man diese Einschätzung zugrunde, kann das Land nicht als „sicher“ | |
eingestuft werden, sagt Maximilian Pichl von Pro Asyl und fordert die | |
Bundesregierung auf, den Gesetzgebungsprozess „zu beerdigen“. Der Bundesrat | |
muss dem Gesetz noch zustimmen. Wenn die Bundesregierung wie im Falle | |
Tunesiens selbst einräumt, über Fälle staatlicher Folter Bescheid zu | |
wissen, und das Land dennoch als „sicher“ einstuft, geschehe dies eindeutig | |
aus einer innenpolitischen Motivation heraus. | |
## Widersprüche wurden nicht angesprochen | |
Dass die Bamf-Leitlinien so sehr vom Gesetzestext abweichen, ist | |
erstaunlich. Schließlich basiert die Bamf-Einschätzung weitgehend auf | |
Informationen aus dem Auswärtigen Amt. Dieselben Informationen haben auch | |
der Bundesregierung zur Verfügung gestanden, bestätigt eine Sprecherin des | |
Innenministeriums. Zur Diskrepanz zwischen Gesetzestext und der politischen | |
Lage vor Ort will sie sich nicht äußern. | |
Unklar ist auch, warum das Bamf den Widerspruch nicht angesprochen hat. Bei | |
der Anhörung im Innenausschusses im April war auch eine Bamf-Mitarbeiterin | |
geladen. Sie äußerte jedoch keine Bedenken am Gesetzesentwurf – sondern | |
begrüßte ihn. Von dem Gesetz werde ein Signal ausgehen, das zu weniger | |
„unberechtigten Asylantragstellungen“ führen werde. | |
31 Oct 2016 | |
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[1] http://www.zeit.de/politik/2016-10/maghreb-staaten-bamf-sichere-herkunftsst… | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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