# taz.de -- Deutsche Asylpolitik: Nur ein Grüner macht mit | |
> Kretschmann will Maghrebländer gemeinsam mit CDU und CSU zu „sicheren | |
> Herkunftsstaaten“ machen. Im Bundesrat hat das Gesetz keine Mehrheit. | |
Bild: Abschiebung in Leipzig (Archivbild aus dem Jahr 2015) | |
Berlin taz | Die Bundesregierung wird wohl erneut mit dem Versuch | |
scheitern, Marokko, Algerien und Tunesien als „sichere Herkunftsstaaten“ | |
einzustufen. Bei der für Freitag angesetzten Abstimmung im Bundesrat wollen | |
Berlin, Bremen und Thüringen gegen den Gesetzentwurf stimmen, die meisten | |
übrigen Länder mit grüner Regierungsbeteiligung wollen sich erhalten. Damit | |
wäre das Gesetz abgelehnt. | |
Lediglich Baden-Württemberg will der Bundesregierung folgen. In seinem | |
Koalitionsvertrag mit der CDU hatte sich Ministerpräsident Winfried | |
Kretschmann (Grüne) dazu verpflichtet, „falls die entsprechenden hohen | |
verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“. Das sieht | |
Baden-Württemberg jetzt als erfüllt an. Grund sei, dass das Kanzleramt | |
Sonderregeln für „vulnerable Gruppen“ (also etwa verfolgte Journalisten | |
oder Homosexuelle) aus den drei Maghrebstaaten zugesichert habe, sagte ein | |
Sprecher der baden-württembergischen Landesregierung. | |
Diese sollen im Asylverfahren von bestimmten Regularien ausgenommen werden, | |
die sonst für Antragsteller aus „sicheren Herkunftsstaaten“ gelten – etwa | |
der verkürzten Widerspruchsfrist nach einer Ablehnung. Im Gesetzentwurf | |
findet sich von den Sonderregeln allerdings nichts; es hieß, diese seien in | |
einer „Protokollerklärung“ fixiert. | |
Seit den sexuellen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht 2015/2016 | |
hatte die Union immer wieder darauf gedrängt, Tunesien, Algerien und | |
Marokko auf die Liste zu setzen. Der entsprechende Bundestagsbeschluss | |
sollte im Juni 2016 vom Bundesrat bestätigt werden. Die grün regierten | |
Länder ließen die Entscheidung darüber jedoch vertagen – bis heute. | |
Auf Antrag Bayerns wurde das Thema nun erneut auf die Tagesordnung der | |
Sitzung der Länderkammer gesetzt. Asylanträge aus den Maghrebstaaten hätten | |
„praktisch keine Aussicht auf Erfolg, da sie überwiegend rein | |
wirtschaftlich motiviert seien“, sagte der bayerische Staatskanzleichef | |
Marcel Huber (CSU). | |
## 1,04 Prozent aller Asylerstanträge | |
Das Thema hat vor allem symbolischen Charakter, für das tatsächliche | |
Migrationsgeschehen spielt das Gesetz kaum eine Rolle. Nach den jüngsten | |
verfügbaren Zahlen stellten zwischen Januar und September 2016 insgesamt | |
6.704 Menschen aus den drei Maghrebstaaten einen Asylantrag – das waren nur | |
1,04 Prozent aller Asylerstanträge. Im selben Zeitraum wurde 233 | |
Maghrebinern Schutz zugesprochen, das entspricht einer Quote von etwa 3 | |
Prozent. | |
Befürworter der Regelung verweisen auf die Möglichkeit schnellerer | |
Asylverfahren. Erfahrungen mit den Westbalkanstaaten, die 2014 auf die | |
Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ gesetzt wurden, zeigen jedoch, dass | |
die Verfahrensdauer sich seither nicht verkürzt hat. | |
Pro Asyl verwies am Donnerstag darauf, dass das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge die Lage im Maghreb offenbar anders bewertet als die | |
Bundesregierung. Die hatte in ihren Gesetzentwurf etwa über Marokko | |
geschrieben, „politische Verfolgung findet nicht statt“. In den internen | |
Leitlinien des BAMF aber heißt es, Verfolgung seitens des Staates könne | |
nicht ausgeschlossen werden. | |
Luise Amtsberg, asylpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, äußerte | |
Bedauern darüber, „dass Winfried Kretschmann eine andere Haltung hat“. | |
Entscheidend sei aber, dass die grün regierten Länder das Gesetz stoppen | |
könnten. Die Schnellverfahren für Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ | |
widersprächen dem individuellen Asylrecht. Bayern habe das Gesetz aus | |
taktischen Gründen auf die Tagesordnung gesetzt obwohl es keine Aussicht | |
auf Erfolg hat. | |
9 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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