# taz.de -- Asylverfahren und die Grünen: Alles wie bisher, bloß in schnell | |
> Die Grünen wollen die Maghrebstaaten nicht als sichere Herkunftsländer | |
> einstufen. Ihre Alternative passt ins Programm der CDU. | |
Bild: Die Balkanstaaten wurden mit Unterstützung der Grünen als sicher einges… | |
Berlin taz | So hatte die Bundesregierung sich das nicht vorgestellt. Im | |
Mai brachte der Bundestag die Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens | |
als sogenannte sichere Herkunftsstaaten auf den Weg. Die Grünen kündigten | |
an, das Gesetz im Bundesrat wegen der Menschenrechtslage in den | |
Maghrebstaaten zu blockieren, und machten einen Alternativvorschlag. Das | |
Thema wurde vertagt. Die Sommerpause kam und ging. Der Bundesrat tagte im | |
September, kommende Woche steht die nächste Sitzung an – ohne dass der | |
Punkt auf der Tagesordnung auftaucht. | |
„Fast and Fair“ heißt der Aktionsplan der Grünen. Er sieht vor, | |
Asylverfahren durch Priorisierung und eine unabhängige Rechtsberatung zu | |
beschleunigen. Menschen aus Ländern mit besonders niedriger oder besonders | |
hoher Schutzquote sollen in drei Wochen, später in 48 Stunden einen | |
Entscheid erhalten. Mittelfristig soll das Standard für alle Verfahren | |
werden. | |
Asylbewerbern, die schon lange im Verfahren sind, soll ein Aufenthaltstitel | |
angeboten werden, um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu | |
entlasten. Informationskampagnen in den Herkunftsländern sollen Menschen | |
von einer Reise nach Europa abhalten und es soll Verhandlungen über | |
Rücknahmeabkommen geben. | |
„Die Regierung tut durch den Türkei-Deal so, als gäbe es derzeit keinen | |
Handlungsdruck in dem Bereich“, sagt die grüne | |
Bundestagsfraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt der taz. In Italien | |
kämen aber genausoviele Flüchtlinge an wie im vergangenen Jahr. „Die | |
Bundesregierung denkt zu kurz“, kritisiert die Grüne. „Wir müssen jetzt e… | |
System einrichten, das in Zukunft funktioniert.“ | |
## Vorwurf Greenwashing | |
Den Vorwurf, ihr Vorschlag sei vor allem Greenwashing, will sie sich nicht | |
gefallenlassen. Bei „Fast and Fair“ gebe es „keine Änderung im | |
Asylverfahren“, steht im Entwurf – bei sicheren Herkunftsstaaten geht der | |
Staat davon aus, dass in der Regel kein Asylanspruch besteht. | |
Göring-Eckardt betont: „In der Praxis werden die Verfahren immer länger. | |
Die Leute werden einbestellt, sitzen rum, warten ewig, werden weggeschickt, | |
kommen wieder, oft mit falschen Erwartungen.“ Mit „Fast and Fair“ würden | |
Verfahren bei vollumfänglicher Prüfung der Asylgründe schneller | |
abgewickelt. „Es soll schnell und rechtssicher gehen“, sagt Göring-Eckardt. | |
Es werde auf nichts verzichtet: „Eine verkürzte Asylprüfung wäre nicht | |
vereinbar mit dem Rechtsstaat“, sagt die Grüne. | |
Was die Grünen vorlegen, passt durchaus ins Programm der Union. Die | |
Regierung aber beharrt auf den sicheren Herkunftsstaaten. „Ziel bleibt aus | |
Sicht der Bundesregierung eine Zustimmung des Bundesrats zu diesem Gesetz“, | |
sagt eine Regierungssprecherin der taz. Kanzleramtschef [1][Peter Altmaier | |
hatte im Juli Interesse an dem Aktionsplan geäußert] – allerdings nur als | |
Ergänzung zu den sicheren Herkunftsstaaten. | |
Amnesty International sieht in „Fast and Fair“ gewisse Vorteile – mahnt | |
aber auch zur Vorsicht. Die Organisation lehnt die Qualifizierung sicherer | |
Herkunftsstaaten ab. Durch die „gesetzliche Vermutung der angeblichen | |
‚Sicherheit‘ des Herkunftslandes und aufgrund eingeschränkter Rechtsmittel… | |
seien keine fairen Asylverfahren gewährleistet, sagt Wiebke Judith, | |
Referentin für Asylpolitik. Diese Bedenken bestünden bei „Fast and Fair“ | |
nicht. Trotzdem müsse bedacht werden, „dass eine hohe Qualität der | |
Asylverfahren unter einem bestimmten Zeitdruck kaum noch zu garantieren | |
ist“, so Judith. | |
5 Oct 2016 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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