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# taz.de -- Satire im US-Wahlkampf: Das schwierige Scherzen
> Für viele US-Amerikaner ersetzt Satire die klassischen Nachrichten. Doch
> im Wahlkampf um Trump und Clinton steckt sie in einer Krise.
Bild: Getätschelt in der Sendung mit Komiker Jimmy Fallon: Donald Trump
Seine Haut ist karottenfarben und ledrig, die Haare sehen aus wie Softeis
mit Zitronengeschmack. „Ich könnte mitten auf der 5th Avenue stehen und
jemanden erschießen, ich würde keine Wähler verlieren“, sagt er. Donald
Trump ist eine Karikatur. Das macht es schwer, ihn zu persiflieren. Hillary
Clinton dagegen nennt der linke Komiker Bill Maher „unser Mädchen“. Seit
sie Trumps Gegenkandidatin ist, wird sie von Satiriker*innen samtpfotig
angefasst. Denn: Sie sind gegen Trump. So hat sich Satire in eine Krise
gestürzt. Hillary Clinton darf man nicht karikieren, Donald Trump kann man
nicht karikieren.
Satiresendungen erreichen in den USA Abend für Abend Millionen von
Menschen. Dort sehen viele Satireshows als Ersatz für klassische
Nachrichten, das sagt auch eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung. „Zu
Satire gehört Übertreibung. Aber es ist sehr schwer, Trump noch weiter zu
überspitzen“, sagt Sophia McClennen, Autorin des Buchs „Is Satire saving
our nation?“ und Professorin an der Pennsylvania State University.
Der „Daily Show“-Moderator Trevor Noah versucht immer wieder, Trump zu
parodieren. Doch er kratzt nur an der Oberfläche und kriegt das Phänomen
Trump nicht zu fassen. „Dass man die Zitate Trumps mit denen eines
betrunkenen Busfahrers austauschen könnte, sollte der amerikanischen
Bevölkerung Angst machen“, witzelt Noah. Tiefer gehen die Analysen meist
nicht.
## Trump, der Lügner
Selbst Stephen Colbert, Moderator der „Late Show“ und Comedy-Legende,
schafft es selten, Trump angreifbar zu machen. Ihn einen Lügner zu nennen,
reicht nicht. „He tells it like it is“, behaupten viele von Trumps
Anhänger*innen. Sie glauben, dass er die „Dinge beim Namen nennt“. Dabei
lügt Trump unaufhörlich. Die Faktencheck-Website politifact hat Trumps
Aussagen überprüft: 70 Prozent sind, zumindest in Teilen, falsch. Seine
Lügen ins Lächerliche zu ziehen, ist fast unmöglich, weil sie so
offensichtlich sind. Die beste Satire in diesem Wahlkampf schreibt Trump
selbst. So werden Komiker*innen zu Wiederkäuern: Sie wiederholen einfach,
was Trump gesagt hat, und blicken dann ungläubig in die Kamera.
Satiresendungen sind traditionell linksliberal, aber sie waren lange dafür
bekannt, sich unabhängig von politischen Positionen über alles lustig zu
machen, was abstrus wirkte. Nach 9/11 sei Satire eine der guten
Möglichkeiten gewesen, sich kritisch über Medien und Politik zu
informieren, sagt McClennen.
Heute ist Satire ein Hau-Drauf-Instrument, und draufhauen wollen die
Satiriker*innen auf Trump und seine Anhänger*innen. Auf Twitter bezeichnen
ihn User*innen oft als [1][#HerrTrump], eine Anspielung auf Hitler. Manche
verwenden den zusätzlichen Hashtag [2][#derFuhrer]. Trump-Gegner*innen
haben Angst.
Für Neutralität wird man in diesem Wahlkampf geächtet. Das passierte
„Tonight Show“-Moderator Jimmy Fallon. Seine Show ist die meistgesehene
Sendung des amerikanischen Late-Night-Fernsehens. Er empfing Donald Trump,
fragte den Kandidaten aber weder nach kontroversen oder falschen Aussagen
noch nach seiner Haltung zu Mexiko oder zu Muslim*innen. Stattdessen zeigte
er ein Bild von Trumps Elternhaus, kommentierte die neuerdings tiefe Stimme
des Kandidaten und wuschelte ihm durchs Haar.
Samantha Bee, Moderatorin der Sendung „Full Frontal“, griff Fallon dafür
an. Auf Twitter überschütteten ihn User*innen mit Häme. „Dass Jimmy Fallon
Trump eingeladen hat, ist Teil der Normalisierung des Hasses. Von mir hat
er jeden Respekt verloren“, twittert etwa Michelangelo Signorile, Autor bei
der Internetzeitung Huffington Post. Fallons Show brachte keine neue
Erkenntnis, schlimmer noch: Sie war nicht witzig.
## Clinton, die Gute
Über Hillary Clinton wird indes immer weniger gelacht. Dabei bietet sie
durchaus Angriffsfläche: Sie ist als neoliberale Kosmopolitin bekannt. Eine
Kämpferin des Proletariats ist sie nicht. Nach Informationen des Wall
Street Journal flossen schon im März 53 Prozent aller Spenden von
Wall-Street-Banker*innen in ihren Wahlkampf. Als First Lady beriet Hillary
Clinton ihren Mann Bill Clinton in wichtigen politischen Entscheidungen.
Der unterschrieb während seiner Amtszeit mehrere Gesetze, die sehr
bankenfreundlich waren. Von Goldman-Sachs bekam sie nach Informationen des
Magazins Politico Honorare von 200.000 Dollar für Reden.
Clintons Nähe zur Wall Street oder ob sie in der E-Mail-Affäre gelogen hat:
Satiriker*innen ist das zunehmend egal, wichtig ist ihnen, Trump als
Präsidenten zu verhindern. „Auf der einen Seite haben wir den
unterqualifiziertesten Ignoranten“, empört sich Samantha Bee, „ein
narzisstischer Betrüger, der nicht einmal die Aufmerksamkeitsspanne hat, um
den Zettel eines Glückskekses zu lesen, geschweige denn ein Intelligence
Briefing. Auf der anderen Seite hatte Hillary Clinton einen privaten
E-Mail-Server.“ Ihre Aussage: Trump und Clinton darf man nicht vergleichen
– und sich demnach auch nicht mehr über Clinton lustig machen.
John Oliver, Moderator der Sendung „Last Week Tonight“, haut weniger drauf.
Doch auch er kann die Krise der Satire nicht stoppen. Oliver zeigt Probleme
am staatlichen Schulsystem auf und beschäftigt sich mit unverhältnismäßigen
Strafen wegen Drogenbesitzes. Die Themen betreffen meist ärmere Menschen,
Trumps Zielgruppe. „John Oliver ist der Zugänglichste von allen
Late-Night-Hosts“, sagt Sophia McClennen.
Oliver gelang der Satire-Volltreffer der Wahlkampfzeit: Sein Team und er
fanden heraus, dass Trumps Vorfahren Drumpf hießen. „Drumpf“ klingt wie das
zerknautschte Gesicht einer beleidigten Comicfigur, ein passendes Bild für
die Person Trump. Der Clip aus „Last Week Tonight“ wurde auf YouTube über
29 Millionen Mal geklickt. Wie John Oliver Trump auseinandernimmt, ist
eloquent und gleichzeitig witzig. Seitdem gilt [3][#MakeDonaldDrumpfAgain]
als Synonym für anspruchsvolle Trump-Satire.
## Skandale, Skandale
Eine der letzten Folgen nannte Oliver „Scandals“. Minutiös zerpflückte er
die zwei großen Skandale, die die Clinton-Kampagne umgeben: den privaten
E-Mail-Server und die Clinton Foundation, die von anderen Organisationen
während Clintons Zeit als Außenministerin Spenden bezog.
Dann kam er zu Trump. Sollte er Präsident werden, könnte es zu
Interessenkonflikten kommen, weil er multinationale Unternehmen besitzt.
Während der Amtszeit verfügen in der Regel neutrale Dritte über die
Unternehmen der Präsidenten. Trump aber möchte die Geschäfte auf seine
Kinder übertragen. Über sie hätte er weiterhin Zugang zu seinen
Unternehmen. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Um Trumps Skandale
aufzulisten, fehlt auch hier der Platz.
Während des gesamten Segments macht Oliver nur selten Witze, das Publikum
lacht verhalten. Vielleicht lässt sich diese Ausgabe nicht einmal mehr als
Satire bezeichnen, vielleicht wäre das, was Oliver macht, die Aufgabe von
Nachrichtensendungen.
Aber Oliver macht einen entscheidenden Unterschied zu seinen
Late-Night-Kolleg*innen und klassischen Journalist*innen: Er behandelt
Clinton und Trump gleich. Und so gibt er unschlüssigen Wähler*innen die
Chance, eine eigene Entscheidung zu treffen.
Dabei karikiert er weder Clinton noch Trump – er rettet die Satire also
nicht. Aber er stellt die Glaubwürdigkeit der Satireshow als kritische
Informationsquelle wieder her.
11 Oct 2016
## LINKS
[1] https://twitter.com/search?q=%23HerrTrump&src=typd
[2] https://twitter.com/search?q=%23derFuhrer&src=typd
[3] https://twitter.com/search?q=%23MakeDonaldDrumpfAgain&src=typd
## AUTOREN
Valerie Höhne
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