# taz.de -- Karikaturist Til Mette hat Geburtstag: Der Witzeonkel wird 60 | |
> Seine Karikaturen kann man nicht erzählen: herzlichen Glückwunsch an den | |
> Zeichner Til Mette | |
Bild: Hier noch weit von den 60 entfernt:: Til Mette (links) bei der Frankfurte… | |
Hamburg taz | Herr Mette sitzt in seinem ansonsten leeren Büro, auf dem | |
Kopf sitzt ein spitzer Hut mit bunten Punkten, er drückt auf eine | |
Sprechtaste: „Frau Meyer! Kommen Sie sofort rein und wünschen Sie mir alles | |
Liebe zum Geburtstag!“ Dieser Versuch, eine Karikatur zu erzählen, | |
funktioniert aus zwei Gründen nicht: Til Mettes Zeichnungen kann man fast | |
nie erzählen. Und Mette hat keine Sekretärin. Also ein neuer Anfang: | |
Man nennt ihn „Meister der spitzen Feder“ (Stern). Seine Küche ist | |
„bemerkenswert aufgeräumt“ (Hamburger Abendblatt). „Wie wohltuend es sein | |
kann, dem Schrecken eine Pointe abzutrotzen, der Angst ein Lachen.“ | |
(Weser-Kurier). „Später wollte er Pastor werden, wie der von ihm verehrte | |
Onkel.“ (Elbe Wochenblatt). Was für ein Müll! Noch ein Versuch: | |
Wer in Bielefeld auf die Welt kommt, ist schon gestraft genug! (Man läuft | |
sich langsam warm.) Ostwestfalen! Schon mal von Südnordfalen gehört? Na | |
bitte! Bielefeld an der Biele, mit Stadtbezirken wie Brackwede, Gadderbaum, | |
Stieghorst, Schildesche! Hier heißt der Schlafanzug Pölter. Auf den | |
Parkplatz fahren nennt der Ostwestfale „abparken“. In Bielefeld wurde das | |
Backpulvertütchen erfunden, Hannes Wader und Horst Wessel sind bekannte | |
Söhne der Stadt. | |
Wer in Bielefeld als „Til“ auf die Welt kommt, kann nicht anders – er muss | |
einen Hau haben. Mette schwankte in jungen Jahren zwischen Autoschrauber | |
und Pastor, zog ausgerechnet nach Bremen, wo er immerhin Besseres fand als | |
den Tod, und studierte Geschichte und Kunst auf Lehramt, was keine weiteren | |
Spuren bei ihm hinterließ. Eines Tages blickte er in einen Spiegel – und | |
sah Eulen! Aus Schrauben und Segnen und Lehren bildete er die einzig | |
logische Synthese und wurde Witzeonkel. | |
Damals, wir schreiben die Achtziger, war man Spießer oder linksradikal, so | |
wie man heute linksradikaler Spießer ist. Til Mette war ja Bielefeld | |
entkommen, also linksradikal, so wie die taz, schon gar die Lokalredaktion | |
in Bremen, die eigene vier Seiten täglich herstellte. Wenn man auch in | |
Bremen aus heutiger Sicht eher linksliberal war, ein Begriff, der einen | |
damals in den Suizid getrieben hätte. | |
Schon früh entfaltete Mette seinen Stil, der sich mit leicht zittrigem | |
Strich agitpropmäßig mit der Lokalpolitik anlegte, diese aber meist nur | |
nutzte, seinen eigenen Spaß mit ihr zu treiben. Gesellschaftliche Konflikte | |
griff er auf, um auch aus dem schlimmsten Dilemma noch einen Funken zu | |
schlagen, der vielleicht nicht zum Steppenbrand wurde, aber doch wärmte. | |
„Ich heiße Rölfi und habe Aids.“ Sagt ein Entstellter. Ein Erschrockener | |
flüstert: „Was?? Du heißt Rölfi, schrecklich!!“ Woran man sieht, dass man | |
manche Mette-Witze auch erzählen kann. | |
Schrauben, Segnen, Lehren – ein richtiger Politzeichner wird aus sowas | |
nicht. Eher ein Erforscher der Schmerzgrenze. Ältere unter uns erinnern | |
sich an „Raucherbein“. Zwei beim Bier, der eine: „Wissen Sie nicht, dass | |
man davon Raucherbeine bekommt?!“ Der andere, raucht und ist beidseitig | |
beinamputiert: „Schön wär’s.“ Oder ein Junge schlägt einen Nagel durch | |
seine Hand. Der Vater: „Kannst du deine Hausaufgaben für den | |
Konfirmandenunterricht nicht irgendwo anders machen?“ | |
Und dann das uralte Mette-Motiv: die Verhöhnung der Ideologisierung im | |
eigenen Milieu. Heute noch kleben Männer, die sich über das Stehpissverbot | |
in unserer feministischen Gesellschaft ärgern, diese Zeichnung übers Klo: | |
Ein Mann sitzt zwei Meter vom Klobecken entfernt auf dem Boden und pisst in | |
hohem Bogen Richtung Klo – „… im Sitzen pinkeln!“ (Die verschärfte Ver… | |
des Generalthemas: „Chef, soll der Werbespot nun frauenfreundlich oder | |
frauenfeindlich sein??“ – „Is egal, Hauptsache dicke Titten!“) | |
Alles nicht hymnisch genug? Nun also die echte, die wirkliche Würdigung! | |
Der alternde Til Mette, der lauter Karikaturistenpreise gewonnen hat und | |
seit Jahrzehnten für den Stern rackert, wird nicht milder; er zeichnet sich | |
nämlich in echt durch sauscharfe Politkaris aus. Dieser Witz sorgte im | |
Weser-Kurier für Zorn der Bremer Leserschaft: Strand, Vatermutterkind, ein | |
rappelvolles Flüchtlingsboot nähert sich. Vater: „Letztes Jahr hatten wir | |
hier ’ne Marienkäferplage …“. Mette sah sich aufgrund der Proteste | |
genötigt, den Witz schriftlich zu erklären. Was der eigentliche Witz war. | |
Der alternde Mette? Nun, auch er hat ja gelegentlich Geburtstag, so wie | |
heute, da er süße 60 wird. Er muss nur Bescheid sagen. Dann kommen wir alle | |
sofort rein und wünschen ihm alles Liebe! | |
28 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Burkhard Strassmann | |
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