| # taz.de -- Trevor Noahs Memoiren: Entschieden für die Kekse | |
| > Trevor Noah moderiert seit 2015 die US-Satiresendung „Daily Show“. | |
| > Aufgewachsen ist er im Südafrika der Apartheid. | |
| Bild: Egoist und Sexist, aber trotzdem witzig: Trevor Noah | |
| Trevor Who? Was ist das für ein Akzent? Wo hat Jon Stewart den | |
| aufgetrieben? Kaum jemand in Nordamerika kannte den Südafrikaner Trevor | |
| Noah, als er 2015 neuer Talkmaster der „Daily Show“ wurde, einer der | |
| beliebtesten Satiresendungen der USA. Etwas mehr als ein Jahr und einen | |
| absurden Wahlkampf später ist Trevor Noah ein international bekanntes | |
| Gesicht. Das ist mehr als bemerkenswert, hat Noah sich doch in einem Metier | |
| sehr alter, weißer und amerikanischer Herren durchgesetzt, obwohl er selbst | |
| weder weiß noch alt noch Amerikaner ist. | |
| Jetzt hat der 33-Jährige seine Memoiren geschrieben – ein ungewöhnlicher | |
| Zug für einen Comedy-Newcomer. Aber das Buch zeigt auch: Dies ist kein | |
| gewöhnlicher Komiker. Trevor Noah hat die Apartheid als Sohn einer | |
| schwarzen Mutter und eines weißen Vaters miterlebt und erlitten, ist in | |
| Armut aufgewachsen. | |
| Bevor er sich als Fernsehtalent, das sechs Sprachen spricht, einen Namen | |
| machte, war Noah als krimineller Raubkopierer in Johannesburg unterwegs, | |
| performte als Entertainer und DJ in der Clubwelt der Townships. Über | |
| Auftritte in südafrikanischen Soap Operas und Radiosendungen gelangte Noah | |
| in die Welt der Satire. Er tourte als Stand-up-Comedian durch das Land, | |
| schließlich auch durch die USA – wo er durch persönliche Einladung von | |
| Moderator Jon Stewart Korrespondent der „Daily Show“ wurde. | |
| Das Format ist das Vorbild der „heute-show“, doch die deutschen Komiker wie | |
| Oliver Welke oder auch Jan Böhmermann sind gegen die US-amerikanische | |
| Politsatire bloß leicht verdauliche Kopien. Die Originale sind nicht nur | |
| wesentlich scharfzüngiger und investigativer, sie beeinflussen auch in viel | |
| größerem Maße die politische Meinung der US-amerikanischen Linken. Fast | |
| mehr als die nicht satirischen Medien, sagen kritische Stimmen. Bei einer | |
| Befragung im Jahr 2010 gaben immerhin 10 Prozent der „Daily Show“-Zuschauer | |
| an, sie sähen die Sendung wegen der Nachrichten. | |
| ## Sprachrohr der Linken | |
| In Zeiten, in denen sich die Bevölkerung der USA immer mehr polarisiert, | |
| ist TV-Comedy verstärkt ein Sprachrohr der empörten Linken geworden. Die | |
| meisten „Daily Show“-Zuschauer sitzen in San Francisco und den anderen | |
| liberalen Metropolen des Landes vor dem Fernseher. | |
| Umso wichtiger, dass Noah sein Publikum auch mit der „anderen Seite“ | |
| konfrontiert. Er lädt Ikonen der neuen Rechten wie die Journalistin Tomi | |
| Lahren in seine Sendung ein, um die brüchige Logik ihrer rassistischen | |
| Überzeugungen innerhalb von Minuten galant vorzuführen und als inkohärent | |
| zu entlarven. | |
| Aus der erfrischenden Perspektive eines nicht akademischen und nicht | |
| behütet aufgewachsenen Außenseiters hält er der amerikanischen Elite nicht | |
| nur den Spiegel vor, sondern wischt ihr auch noch gründlich das Make-up vom | |
| Gesicht, bevor er sie reinschauen lässt. | |
| Nach eigenen Angaben von Comedy Central erreicht die Sendung seit Noahs | |
| Übernahme ein Publikum in 175 Ländern, statt wie noch unter Stewart in 70. | |
| Das ist, zumindest was die internationale Sichtbarkeit der Sendung angeht, | |
| ein voller Erfolg – bezüglich der Quoten musste Noah gegenüber seinem | |
| Vorgänger im ersten Jahr zurückstecken, die Quote sackte von einst 2 | |
| Millionen auf unter 1 Million. | |
| ## Weiß, Schwarz, Colored | |
| Ist der smarte Ausländer zu anders, zu ungewohnt, zu dreist? Vielleicht | |
| brauchten die Zuschauer auch einfach ein bisschen Zeit, um sich an ihn zu | |
| gewöhnen. Vor einer Woche hat Noah jedenfalls seinen eigenen Rekord | |
| geknackt – mit einer Quote von 1,5 Millionen. | |
| Noahs Buch „Born a Crime“ (deutscher Titel: „Farbenblind“) handelt davo… | |
| wie Noah als ewiger Außenseiter verschiedene Identitäten und | |
| Zugehörigkeiten zu navigieren lernte. Auf rund 300 Seiten berichtet der | |
| Komiker von einer Kindheit und Jugend im Johannesburg der 90er und 00er | |
| Jahre, von einer tief religiösen Mutter, wöchentlichen Kirchenmarathons, | |
| gewalttätigen Stiefvätern und einem unerbittlichen Kuddelmuddel zwischen | |
| Ethnien, in dem er keinen Platz findet. | |
| Als Kind eines weißen Vaters war er „schon bei seiner Geburt ein | |
| Verbrechen“. Unter der Apartheid waren sexuelle Beziehungen zwischen | |
| Schwarzen und Weißen verboten. Ausschließlich von schwarzen Frauen erzogen, | |
| identifiziert er sich selbst als Schwarzer, wird aber als Sohn eines Weißen | |
| von seinem Umfeld nie ganz als solcher angenommen. Die Weißen wiederum sind | |
| ihm fremd, und die dritte große ethische Gruppe in Südafrika, die | |
| sogenannten Colored People, gleichen ihm zwar optisch am meisten, sprechen | |
| aber Afrikaans, während Noahs Muttersprachen isiXhosa und Englisch sind. | |
| Selbst in der eigenen Familie ist er ein Außenseiter: Er beschreibt, wie | |
| seine Großmutter ihn als einziges der Noah-Kinder nicht schlug, weil sie | |
| Angst hatte, seiner hellen Haut blaue Flecken zuzufügen. Wie er Privilegien | |
| gegenüber seinen Schwarzen Cousins genoss, ohne diese zu hinterfragen. „Ich | |
| hatte die Wahl, ob ich in meiner Familie gegen Rassenungerechtigkeit | |
| aufstehen wollte oder ob ich einfach die Kekse meiner Großmutter genießen | |
| wollte. Ich entschied mich für die Kekse“, schreibt Noah. | |
| ## Egoist und Sexist | |
| Er erklärt, wie das System der Apartheid jedem Südafrikaner seiner | |
| Generation eingeimpft hat, sein Gegenüber anhand von Andersartigkeit zu | |
| bewerten anstatt von Gemeinsamkeiten. Auf die lange Aufzählung von | |
| Beispielen folgt das Protokoll einer Verteidigungsstrategie gegen die | |
| Ausgrenzung. | |
| Noahs Waffe gegen den Rassenhass ist das Polyglotte: Er führt seine bis | |
| heute in seiner Sendung sehr präsente Fähigkeit, Akzente und Sprachen aus | |
| aller Welt perfekt zu imitieren, auf seine Kindheit zurück, in der er sich | |
| selbst unter anderem Afrikaans, isiZulu und Xitsonga beibrachte, um allen | |
| Gruppen das Gefühl zu geben, er sei einer von ihnen. „Sprache geht bei | |
| Identität immer vor Farbe“, wiederholt Noah immer wieder. | |
| Das zweite Leitmotiv des Buchs ist die Geschichte seiner Mutter, Patricia | |
| Nombuyiselo Noah, der er von der ersten bis zur letzten Seite des Buchs | |
| huldigt. Sie ist die eigentliche Heldin, da sie Noah wieder und wieder | |
| zwingt, dem mentalen Gefängnis der Apartheid zu entfliehen. Dabei | |
| stilisiert der Sohn seine Mutter fast zur Heiligen, ein interessantes | |
| Paradox, wenn man bedenkt, dass er sie über weite Strecken des Buchs für | |
| ihre fast fundamentale Religiosität kritisiert. | |
| An so mancher Stelle seiner Memoiren zeigt Noah auch seine dunklen Seiten | |
| und outet sich in unreflektierten Schwänken aus seinen Teenagerjahren als | |
| manchmal unausstehlicher Egoist und Sexist, der oft unbedacht handelt, alle | |
| Frauen, die nicht seine Mutter sind, nur nach ihrem Äußeren bewertet und | |
| seine kriminellen Handlungen lange nicht hinterfragt. Ehrlich skizziert, | |
| wird seine Persönlichkeit für den Leser dadurch aber eher noch anziehender | |
| und weniger unnahbar. | |
| In der Autorenbiografie der Originalausgabe steht kurz: „Trevor Noah ist | |
| ein Comedian aus Südafrika.“ Mehr hat er nach seinem Selbstverständnis gar | |
| nicht mehr nötig. Das Buch soll seine besondere Geschichte verkaufen. Es | |
| ist aber auch eine kluge und unterhaltsame Entführung in eine | |
| Vergangenheit, aus der man viel über das Ablegen von sozialen Konstrukten | |
| und Feindbildern lernen kann. | |
| 17 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Morgane Llanque | |
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