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# taz.de -- Aus Le Monde diplomatique: Von Cowboys und Weicheiern
> Donald Trump fällt ständig mit seinen sexistischen Äußerungen auf. Der
> Machismo hat eine lange Tradition bei den US-Präsidentschaftswahlen.
Bild: Statt des aggressiven Gerangels sollten sich alle etwas mehr lieb haben
Donald Trump war von 1996 bis 2015 Gesellschafter der Organisation, die
alljährlich die Miss-Wahlen in den USA ausrichtet. In dieser Funktion
versprach er, „noch knappere Badeanzüge und höhere Absätze“. 2005
verkündete er am Tag der Miss-Wahl: „Wenn ihr euch für geniale
Wissenschaftler interessiert, schaltet eure Kiste heute Abend gar nicht
erst ein, aber wenn ihr eine wunderschöne Frau sehen wollt, seid ihr bei
uns richtig.“ Bei aller Begeisterung für weibliche Formen – von der
Körperlichkeit echter Frauen will er nichts wissen. Die Anwältin Elizabeth
Beck erzählte auf CNN, wie sie ein Meeting kurz unterbrechen musste, um
Milch abzupumpen. Da sei Trump sei mit hochrotem Kopf aufgesprungen, habe
mit dem Finger auf sie gezeigt und mehrmals hervorgestoßen: „Widerlich!“
Hillary Clinton, erste Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte der
USA, tritt symbolträchtig gegen einen frauenfeindlichen Macho an. „Sie
setzt natürlich auf die Frauenkarte. Sonst hätte sie auch nicht die
geringste Chance“, blökte Trump. „Sobald ein Vertreter einer
diskriminierten Gruppe, eine Frau oder ein Schwarzer, einen bemerkenswerten
Auftritt auf der politischen Bühne hat, kommt der Vorwurf, er oder sie
mische sich mit Fragen der Identität in die Debatte ein – so als ob diese
Fragen von den wirklich wichtigen Themen wegführen würden“, beobachtet der
Politologe Jackson Katz. Bei US-Präsidentschaftswahlen sei es schließlich
immer um Fragen der Identität gegangen, nur habe das bislang niemand
bemerkt, weil sowieso immer nur Männer und – bis Obama – nur weiße Männer
zur Wahl standen.
Katz vergleicht das Rennen um die Führung der westlichen Welt mit dem
„altbekannten Gerangel unter den Jungs auf der Highschool, wer der
Beliebteste ist“. Wie in der Schule sei es das Schlimmste, als
Schlappschwanz dazustehen, und wer sich zu offensichtlich und eifrig
bemüht, wird hier wie dort gnadenlos ausgeschlossen.
1988 ersparte der Demokrat Michael Dukakis den Republikanern die Mühe, ihn
lächerlich zu machen. Er ließ sich in einem Panzer filmen, mit Stahlhelm
auf dem Kopf, stolz wie ein Vierjähriger bei seiner ersten Karussellfahrt.
2004 versuchte John Kerry das Cowboy-Image des scheidenden Präsidenten
George W. Bush zu imitieren: Er lud ein paar Fotografen zum Jagdausflug
nach Ohio ein. Die Konservativen machten sich höhnisch über seine
fabrikneue Jacke lustig.
## „Wer hat den Größten“-Wettbewerb
Dieses Jahr brachten es Trump und seine Konkurrenten in den
republikanischen Vorwahlen fertig, sich vor laufenden Kameras einen „Wer
hat den Größten“-Wettbewerb zu liefern. Im Mai unterstellte Marco Rubio,
der alte Playboy mit dem orangen Schopf habe einen winzigen Penis. Trump
dementierte lautstark. Im Januar hatte er selbst sich über die Höhe der
Absätze von Rubios Stiefeln mokiert, woraufhin dieser sich genötigt sah,
von Football und Waffen zu schwärmen. Das Niveau der politischen Debatte
beunruhigt inzwischen selbst einen Dean Esmay, Aktivist für die Rechte
weißer Männer. Er kann sich nicht vorstellen, wie Trump die wirklichen
Probleme des Landes angehen will, von der Kreditblase bei den
Studentendarlehen, die jederzeit platzen kann, bis hin zur krisenhaften
Lage der Mittelschicht.
Bei einer Kundgebung rühmte sich Trump, er könnte „mitten auf der Fifth
Avenue stehen und jemanden erschießen, ohne eine einzige Stimme zu
verlieren“. Wenn er gewählt wird, ist er als Präsident Großmaul in guter
Gesellschaft. 1999 wollte Wladimir Putin „die Terroristen auch auf dem Klo
kaltmachen“, 2005 kündigte Nicolas Sarkozy an, er werde die Banlieue „mit
dem Kärcher säubern“, und der neue philippinische Präsident „Rody“ Dut…
verhieß, dass „die Leichen von hunderttausend Verbrechern die Fische in der
Bucht von Manila mästen werden“.
Der Männlichkeitswahn hat von Land zu Land unterschiedliche Wurzeln. In den
USA setzte Richard Nixon in den 1970er Jahren als Erster auf die Vorurteile
weißer Männer aus der Unterschicht. Anstatt ihre ökonomischen Chancen zu
verbessern, verlagerte er das Problem auf die ideologische Ebene der
„Werte“ und lenkte ihre Wut auf „Emanzen“, Hippies und Minderheiten.
Den Erfolg dieser Strategie verkörperte keiner besser als Ronald Reagan.
Nachdem Jimmy Carter seine Glaubwürdigkeit durch das 444 Tage währende
Geiseldrama in der Teheraner US-Botschaft verspielt hatte, präsentierte
sich Reagan 1980 als Erlöser. Mit seiner Hollywoodkarriere ließ er den
Mythos des Cowboys, der sich mit Gewalt in einer erbarmungslosen Welt
durchsetzt, als Inkarnation weißer Männlichkeit auferstehen. „This is
Reagan country“, lautete 1984 ein Slogan für seine Wiederwahl – eine
erkennbare Anspielung auf die berühmte Cowboy-Werbung: „This is Marlboro
country.“
Mit der Wirklichkeit hatte das natürlich wenig zu tun. Ein
Wahlkampfstratege Reagans erzählte später, dass Reagan als Kandidat für den
Gouverneursposten in Kalifornien eines Tages mit einer Journalistin einen
Ausritt machen sollte und in seiner üblichen Jodhpur-Reithose erschien. Der
Berater sagte entsetzt, er solle sich umziehen: „Du siehst aus wie ein
Weichei von der Ostküste! Die kalifornischen Wähler wollen dich als Cowboy
sehen!“
## Auferstehung des Muskelhelden nach 9/11
Eine andere Reminiszenz an den Wilden Westen ist die von allen
Präsidentschaftskandidaten bekundete Bereitschaft, „ihre Familie zu
schützen“. Als Dukakis gefragt wurde, was er tun würde, wenn jemand seine
Frau vergewaltige, sagte er nur, für ihn sei die Todesstrafe keine Lösung.
Damit war sein durch die Panzergeschichte bereits angekratztes Image
endgültig ruiniert.
Die Pulitzer-Preisträgerin Susan Faludi hat den antifeministischen Backlash
nach dem 11. September untersucht und viele Beispiel für Männerfantasien
gefunden, in denen schwache Frauen von muskelbepackten Helden gerettet
werden. Mit der demütigenden Erkenntnis der eigenen Verletzbarkeit schien
der weiße Mann zu seinem ersten „Krieg gegen den Terror“ zurückzukehren:
zur Zeit der Siedler und der Indianerüberfälle.
So erinnert etwa die medienwirksam inszenierte und verfälschte Story von
der Befreiung der Soldatin Jessica Lynch im Irak 2003 stark an die
Dramaturgie von Western wie „Der schwarze Falke“ von John Ford (1956). Und
George W. Bush selbst schlachtete für seine Wiederwahlkampagne 2004 das
Attentat von 9/11 aus: In einem Werbespot umarmt er ein Mädchen, dessen
Mutter im World Trade Center ums Leben gekommen war, während aus dem Off
die Stimme des Mädchens sagt: „Er ist der mächtigste Mann der Welt, und er
will dafür sorgen, dass ich in Sicherheit bin.“
Die Demokraten gehen offenbar mit einem prinzipiellen Nachteil in diesen
Wettstreit aggressiver Männlichkeit. Dabei lassen sie sich oft auf das
ideologische Terrain des Gegners ziehen oder übernehmen die
pauschalisierende Rhetorik der Rechten, wie Hillary Clinton in ihrer
Außenpolitik. Immerhin hat die Kandidatur von Bernie Sanders bei den
Demokraten etwas bewirkt: Mit seinem unumwundenen Bekenntnis zu linken
Positionen hat er einen Teil der weißen Männer der unteren Schichten in den
Schoß – wenn man so sagen darf – seiner Partei zurückgeholt. Und er hat
sich den Luxus der Selbstironie geleistet, als er bei einer
Wahlveranstaltung in Kalifornien meinte, er sei „der typische GQ-Mann“. Auf
Instagram postete er ein Foto im Stil des Lifestylemagazins für Männer mit
dem Kommentar „Endlich im GQ-Look“ – ein Tropfen Humor in einem Ozean von
Testosteron.
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
8 Oct 2016
## AUTOREN
Mona Chollet
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