| # taz.de -- US-Präsidentschaftskandidat Trump: Egozentrisch, impulsiv, aber Fa… | |
| > Donald Trump hat faschistische Tendenzen. Doch die Kräfte, die ihn | |
| > stützen, streben keine Diktatur, sondern eine Herrschaft der Reichen an. | |
| Bild: Ähnlichkeiten mit Hitler und Mussolini hat er erstmal nicht, aber faschi… | |
| Donald Trump ist ein Mann ohne Regierungserfahrung mit Tendenz zu | |
| erstaunlichen öffentlichen Aussagen. Sein überraschender Aufstieg zum | |
| republikanischen Präsidentschaftskandidaten lässt Beobachter rätseln: Ist | |
| er ein Faschist? | |
| Tatsächlich setzt Trump freimütig faschistische Themen bei seinen von | |
| Gebrüll gekennzeichneten Wahlkampfveranstaltungen. Er reitet auf einem | |
| Abstieg Amerikas herum, für den er Obamas angebliche Schwäche und | |
| Einwanderer verantwortlich macht. Er schlägt drastische Lösungen vor: eine | |
| Mauer an der Grenze zu Mexiko, für die das Nachbarland selbst zahlen soll; | |
| Einreiseverbote für Muslime; die gewaltsame Ausweisung von Millionen | |
| illegalen Einwanderern. | |
| Solch rassistische Pläne sind nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar. Trump | |
| verspottet Journalisten und friedliche Demonstranten und scheint Gewalt | |
| gegen sie zu billigen. Auch im Stil erinnert er an den Faschismus: | |
| Theatralische Ankünfte mit dem Flugzeug sind Hitlers Erfindung. Auch Trump | |
| bekommt Massen problemlos in den Griff, rüttelt sie mit einschüchterndem | |
| Ton und Beleidigungen auf. Sein hervorstehender Unterkiefer erinnert an | |
| Mussolini. | |
| Fast zwangsläufig wird er als Faschist bezeichnet. Doch wir sollten dieses | |
| Etikett nur dann vergeben, wenn es zum besseren Verständnis beiträgt. | |
| Obwohl Trumps Themen und Techniken oberflächlich betrachtet faschistisch | |
| wirken, sind die gesellschaftliche Dynamiken hinter seinem Aufstieg andere. | |
| ## Perversion von Demokratie | |
| Hitler und Mussolini wollten ihre Länder wieder zu alter Größe führen, | |
| indem sie den Einzelnen der Gemeinschaft und einem starken Staat | |
| unterordneten. Trumps Unterstützer wollen den Einfluss des Staates | |
| einschränken und die Steuern, die die Reichen zahlen müssen, weiter senken. | |
| Die Plutokratie, die sie anstreben, ist eine klar als amerikanisch | |
| erkennbare Perversion von Demokratie. Auch das historische Umfeld ist | |
| weniger unberechenbar als in Europa nach 1918 mit seinen Niederlagen, | |
| Wirtschaftskrisen und aufstrebendem Kommunismus. | |
| Vor nicht allzu langer Zeit erregte Trump als zügelloser Playboy | |
| Belustigung. Sein erstaunlicher politischer Erfolg beruht auf mehreren | |
| politischen und kulturellen Prozessen, die sich von denen zu Zeiten Hitlers | |
| und Mussolinis unterscheiden. Trump einen Faschisten zu nennen hindert uns | |
| daran, diese Prozesse wahrzunehmen und weise mit ihnen umzugehen. | |
| Eine Entwicklung machte den Präsidenten der Vereinigen Staaten von einer | |
| fähigen Führungskraft zu einem Promi. So wurde die US-Präsidentenwahl zu | |
| einer Show, ein bisschen vergleichbar mit der Wahl der Miss Amerika. Die | |
| Fähigkeit eines Kandidaten, Situationen einzuschätzen, sein Wissen, seine | |
| Erfahrung und seine Führungsqualitäten sind für viele Wähler weniger | |
| wichtig als seine Anziehungskraft – ein trivialisiertes Echo des Charismas | |
| faschistischer Führer. | |
| Das Fernsehen hat wesentlich dazu beigetragen, US-Präsidentschaftswahlen in | |
| Beliebtheitswettbewerbe zu verwandeln. John F. Kennedy wurde 1960 unter | |
| anderem Präsident, weil er vor Kameras gut ankam – anders als der | |
| paranoide, schwitzende Nixon. Ronald Reagan wurde 1980 zumindest teilweise | |
| wegen seines selbstbewussten Lachens gewählt. | |
| ## Die Wahl entscheiden die Militanten | |
| Vor den 1970er Jahren wurden US-Präsidentschaftskandidaten von ein paar | |
| Parteihonoratioren quasi im Raucherzimmer bestimmt. Erst nach den | |
| Jugendprotesten der 1960er spielten die Bürger eine größere Rolle bei der | |
| Kandidatenauswahl. Dazu haben die Bundesstaaten ganz verschiedene | |
| Prozeduren eingeführt, etwa Vorwahlen (wie in New Hamshire) oder | |
| Stadtversammlungen (wie in Iowa). | |
| Doch in allen Fällen wird tendenziell der Kandidat gewählt, den die | |
| normalen Bürger persönlich „mögen“. So wanderte die Kontrolle darüber, … | |
| als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wird, von den Führern der Parteien | |
| zu den militantesten Aktivisten. Davon profitierten Außenseiter wie der | |
| Demokrat Bernie Sanders und der Republikaner Donald Trump. | |
| Der Abstieg der unteren Mittelklasse, bekannt aus der klassischen | |
| Soziologie des Faschismus, wird im Amerika des 21. Jahrhunderts wieder | |
| aufgelegt. Anstelle der allgemeinen Krise ist der Grund nun aber die | |
| wirtschaftliche Erholung seit 2008, die bei den Mittel- und Unterschichten | |
| nicht ankommt. So wachsen nebeneinander neue Vermögen – und Armut. | |
| Während Dienstleistungen und die Finanzbranche gedeihen, leben ganze | |
| Mittelklassesegmente schlechter als ihre Eltern, eine Erniedrigung, mit der | |
| niemand in den USA gerechnet hatte. Die Opfer sind weiß, männlich, schlecht | |
| ausgebildet, wirtschaftlich frustriert – und unvorbereitet darauf, an der | |
| von Technologie angetriebenen wirtschaftlichen Gesundung teilzunehmen. Sie | |
| glauben, dass Faulenzer in Barack Obamas Amerika ungerechte Vorteile | |
| genießen. Ihr unbestimmter, aber bitterer Hass auf Schwarze, Frauen, | |
| Schwule und alle, die „politisch korrekt“ sind, verbindet sie mit Trump. | |
| ## Der Virtuose der Sozialen Medien | |
| Trumps Anhänger „mögen“ ihn also aus Gründen, die für seine Eignung zum | |
| Präsidentschaftsamt irrelevant sind. Sie wollen einen Anti-Obama, der das | |
| Werk des derzeitigen Präsidenten rücksichtslos zerstört, statt Konsens zu | |
| suchen. Trumps Eitelkeit, seine persönliche Grobheit, seine Angeberei zeigt | |
| ihnen nur, dass er als Präsident kühn zuschlagen würde. Sie haben weder die | |
| Fähigkeit noch den Wunsch, zu verstehen, wie sehr ein Präsident Trump ihrem | |
| wirtschaftlichem Wohlergehen schaden könnte. Sie sehen ihn als Retter, | |
| nicht als potenziellen Diktator. Deshalb sind sie sich nicht der Gefahr | |
| bewusst, die es bedeutet, die immense Macht eines US-Präsidenten einem | |
| derart impulsiven und egozentrischen Menschen in die Hand zu geben. | |
| Ausschlaggebend sind die sozialen Medien: Trump ist ein absoluter Meister | |
| auf Twitter, Facebook und dergleichen. Seine Partei ist eine virtuelle | |
| Partei elektronischer Fans. Er ist ein Virtuose der Medienexplosion des 21. | |
| Jahrhunderts. | |
| Wenn Trump Präsident wird, wird dieser dünnhäutige Mann, der keine | |
| Opposition erträgt, wahrscheinlich mit dem Kongress, der Presse und den | |
| Gerichten aneinandergeraten. Würde er dann versuchen, Diktator zu werden – | |
| und uns zwingen, unsere Etikettierung zu überdenken? | |
| Deutsch von Rüdiger Rossig | |
| 8 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert O. Paxton | |
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