| # taz.de -- Die Rolle der Väter: Hey, Papa! Da geht noch was! | |
| > „Gleichberechtigung? Wo ist das Problem!“, sagt das Bauchgefühl unserer | |
| > Autorin. Doch gleichzeitig ist sie sich sicher, dass ihr Bauchgefühl | |
| > trügt. | |
| Bild: Auch Väter spielen nachmittags mit ihren Kindern auf dem Spielplatz | |
| Ehrlich gesagt, ziehe ich bei diesem Thema immer verwundert die linke | |
| Augenbraue hoch. „Gleichberechtigung? Wo ist das Problem!“, sagt mein | |
| Bauchgefühl. Denn die Väter sind doch längst da, wo ich auch bin: Sie | |
| sitzen nachmittags mit mir auf dem Spielplatz und vormittags beim | |
| Kinderarzt. Sie kaufen in der Mittagspause im Drogeriemarkt Babybrei und | |
| tragen Tragetuch. | |
| Und dann erst wieder neulich samstagmorgens, diese beiden Väter, die mit | |
| mir an der Schaukel standen und sich angeregt über die besten Adressen für | |
| den Kinderschuhkauf – „So süße Stiefelchen!“ – und die Qualität des | |
| Bioessens in der Kita austauschten. Aha, dachte ich, die Prenzlberg-Mutti | |
| gibt's inzwischen auch als Mann! | |
| Ich weiß, mein Bauchgefühl trügt. Denn der „normale“ Vater, der | |
| statistische Durchschnitt, ist auch in Berlin keineswegs der eher | |
| paritätische Typ. Der Prenzlberg-Mutti ist noch längst kein Dreitagebart | |
| gewachsen. Eher im Gegenteil: Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts | |
| nahmen für die im letzten Quartal 2014 in Berlin geborenen Kinder rund 37 | |
| Prozent der Väter Elternzeit. Im bundesweiten Vergleich gar nicht so | |
| schlecht, und doch: Nur etwas mehr als ein Drittel der Berliner setzt | |
| überhaupt im Job aus – bei den Frauen sind es 91 Prozent. Ein Drittel Väter | |
| steht fast allen Müttern gegenüber. | |
| Zugleich, auch das haben die Statistiker herausgefunden, geben 45 Prozent | |
| der Berliner Mütter ihre Kinder als „Hauptursache“ an, warum sie nicht | |
| Vollzeit arbeiten. Und je mehr Kinder da sind, desto häufiger verzichtet | |
| die Mutter ganz auf einen Job: Nur noch 41 Prozent der Berlinerinnen mit | |
| drei oder mehr Kindern geht überhaupt arbeiten. | |
| ## Dreiklang „Haushalt, Kinder, Job“ | |
| In einer Studie, 2015 von der Gleichstellungsbeauftragen des Bezirks Mitte | |
| in Auftrag gegeben, heißt es: „Treten Probleme bei der Vereinbarkeit von | |
| Beruf und Familie auf, dann wird die Alleinverantwortung der Frauen als | |
| wesentliche Ursache identifiziert.“ Jede fünfte der rund 500 Befragten | |
| beklage demnach, für die Organisation des Dreiklangs „Haushalt, Kinder, | |
| Job“ allein verantwortlich zu sein. | |
| Nur, weil die Väter in der Mittagspause Möhrenbrei kaufen, heißt das also | |
| noch lange nicht, dass sie auch wirklich da sind. | |
| Nun fordern Lobbygruppen wie der Berliner Familienbeirat gebetsmühlenartig | |
| von der Politik mehr „Vereinbarkeitsinstrumente“: bessere Kinderbetreuung | |
| in den sogenannten Randzeiten, mehr Flexibilität von den Arbeitgebern | |
| (Homeoffice! Gleitzeit!). | |
| Aber offenbar kann man so viel an der Arbeitswelt herumoptimieren, wie man | |
| will: Frauen vereinbaren, Männer gehen arbeiten. Denn die Männer könnten ja | |
| auch „wegen der Kinder“ in Teilzeit gehen. Allein sie verdienen meist mehr, | |
| die berühmte gender pay gap. Weil sie für gleiche Aufgaben besser entlohnt | |
| werden, weil sie häufiger in Branchen arbeiten, die besser zahlen. Es ist | |
| also nur pragmatisch und im Sinne des Familieneinkommens gedacht, wenn die | |
| Frau länger Elternzeit nimmt oder in Teilzeit geht. | |
| ## „Das Kind braucht in erster Linie die Mutter“ | |
| Eberhard Schäfer vom Berliner Väterzentrum, das Männer unter anderem beim | |
| Thema Sorgerecht berät, glaubt allerdings, dass es noch ein ganz anderes | |
| Problem gibt: „Es liegt auch an den Müttern selbst.“ Familienarbeit, | |
| Kinderbetreuung, das sei in den Köpfen immer noch eine weibliche | |
| Pflichtübung: „Männer wie auch Frauen glauben: Das Kind braucht in erster | |
| Linie die Mutter.“ | |
| Ich erinnere mich, wie mein Mann einmal völlig fertig nach einer | |
| S-Bahn-Fahrt mit dem Kind im Tragetuch nach Hause kam. Der Kleine habe fünf | |
| ewige Stationen lang gebrüllt, aber schlimmer seien die Kommentare gewesen, | |
| die von den Mitreisenden kamen, vor allem übrigens von Frauen: „Ja, was hat | |
| es denn?“ – „Hat er Durst?“ Und: „Wo ist denn bloß die Mama?“ | |
| Eine Kollegin erzählt von ihrem Bekannten, einem jungen Vater, der sich | |
| damit brüste, ein „Elternzeitpapa“ zu sein, und nun einen Großteil seiner | |
| Zeit auf dem Spielplatz zubringe. „Als Frau kannst du damit jedenfalls | |
| nicht angeben“, stellt sie fest. Stimmt. | |
| Ich hatte nie das Gefühl, um irgendetwas kämpfen zu müssen. Bevor ich mit | |
| meinem zweiten Sohn schwanger wurde, sagte ich zu meinem Mann: „Aber es ist | |
| klar, dass wir uns die Elterngeldmonate teilen? Sieben Monate ich, sieben | |
| Monate du.“ Er sagte: „Okay.“ Vielen Frauen, die ich kenne, geht es | |
| genauso: Als L. die Chance bekam, zu promovieren, setzte ihr Freund ein | |
| Jahr aus und trug ihr die Tochter zum Stillen in die Uni. | |
| Die Wiederkehr der Hausfrau? | |
| Wohl deshalb ist die Wut vieler Frauen in den Feuilletons nicht meine | |
| eigene. Sie scheint mich und mein Umfeld kaum zu betreffen. Ich studiere | |
| mit Interesse die Statistiken, auf Grundlage deren diese Wut fußt – aber | |
| ich empfinde sie nicht. Offenbar bin ich da auch nicht alleine, in meinem | |
| Umfeld, das man wohl gemeinhin als „das links-grüne Milieu“ bezeichnet. | |
| Meine Bekannte A., die beim zweiten Kind zwei Jahre zu Hause blieb, während | |
| ihr Freund durcharbeitete, sagte, es sei ja auch praktisch: Ihr Mann | |
| verdiene und sie könne in Ruhe über ihr Buchprojekt – „Vielleicht einen | |
| Reiseführer?“ – nachdenken. Und eine Kollegin berichtet augenrollend von | |
| Spielplatz-Müttern, denen es genug ist, Selbstgestricktes im Internet zu | |
| verkaufen, während der Mann ihnen das Haushaltsgeld verdient. | |
| Aber liebe aufgeklärte Mitmütter, mal ehrlich, dafür haben unsere eigenen | |
| Mütter doch nicht jahrelang die Emma abonniert, dass gerade wir uns am Ende | |
| von unseren Männern wieder die Miete zahlen lassen und auf dem Spielplatz | |
| sagen: „Natürlich brauche ich neben den Kindern noch was Eigenes!“ – und | |
| damit das Strickprojekt meinen. Ist das jetzt die Wiederkehr der Hausfrau? | |
| Wohl kaum. | |
| Aber seit wann ist auf Kreuzberger und Kreuzköllner Spielplätzen ein | |
| bisschen gleichberechtigt schon genug? Ich glaube, wir müssen wieder | |
| wütender werden. | |
| 1 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
| ## TAGS | |
| Familie | |
| Väter | |
| Gleichberechtigung | |
| Elternzeit | |
| Elternzeit | |
| Gleichberechtigung | |
| Erziehung | |
| Gender Pay Gap | |
| Familienpolitik | |
| Vater-Sohn-Beziehung | |
| Feminismus | |
| Philippinen | |
| Erziehung | |
| Island | |
| Kinderbetreuung | |
| Familie | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 10 Jahre Väterzentrum: Die Papas vom Prenzlberg | |
| Seit zehn Jahren kämpft das Väterzentrum dafür, dass Männer ihre Vaterrolle | |
| wahrnehmen. Das Jubiläum wird gefeiert – mit Müttern und Kindern. | |
| Studie über flexible Arbeitsmodelle: Flexi-Arbeit hat Tücken – für Männer | |
| Frauen im Homeoffice können besser abschalten – mit Haus- und Sorgearbeit | |
| seien sie „typischerweise geübtere Grenzgängerinnen“. | |
| Kolumne „Heult doch!“: In der Berliner Eltern-Blase | |
| Gleichberechtigung ist noch längst keine ausgemachte Sache, weiß unsere | |
| Autorin und Mutter. Auch nicht an der Kaffeetafel bei Opa ICE. | |
| Transparenz von Löhnen in der Praxis: Mut zum Lückeschließen | |
| Der Sportartikelhersteller Vaude hat die Gehälter seiner Mitarbeitenden | |
| bereits verglichen – und ist zufrieden mit dem Ergebnis. | |
| Kommentar Jenas fabelhafte Väter: Und manches bewegt sich doch | |
| Das Private kann sich ändern, wenn Firmen nicht nur auf kinderlose | |
| Leistungsträger setzen. Der Fall Jena beweist: Familien müssen Druck | |
| machen. | |
| Rollenverteilung in der Elternzeit: Jenas besondere Väter | |
| Was ist los in der zweitgrößten Stadt Thüringens? Sind die Männer in Jena | |
| besonders fair, familienorientiert, flexibel? Und wenn ja: warum? | |
| Debatte Genderbashing: Die Stunde der Phobiker | |
| Kritik an der Genderforschung ist unter Konservativen in Mode. Sie wird | |
| auch benutzt, um Errungenschaften der Moderne in Frage zu stellen. | |
| Gleichberechtigung auf den Philippinen: Dem Macho Paroli bieten | |
| Im globalen Ranking des „Gender Gap Reports“ stehen die philippinischen | |
| Frauen weit oben – auf dem 7. Platz von 144. Warum? | |
| Urteil zum Umgang mit Kindern: Wer den Ex-Partner diskreditiert, zahlt | |
| Ist die Beziehung kaputt, werden die Kinder oft gegen den Ex-Partner | |
| aufgehetzt. In Italien wird das nun hart bestraft. Ein historisches Urteil. | |
| Stillende Abgeordnete im Parlament: Brust statt Frust! | |
| Die isländische Abgeordnete Unnur Bra Konradsdottir stillt während einer | |
| Rede, die sie selbst hält, ihr Kind. Schön für die Frauen in Island. | |
| Senatsprojekt zur Kinderbetreuung: Frau Scheeres schickt ihre Nannys | |
| Die Bildungssenatorin will die Betreuung vor und nach den regulären | |
| Kita-Öffnungszeiten ausweiten. Das Modellprojekt soll Alleinerziehenden | |
| helfen. | |
| Debatte Familienpolitik: Die falschen Alleinerziehenden | |
| Viele Ein-Eltern-Familien sind in Wahrheit zu zweit. Wer wirklich allein | |
| ist, muss sich auf ein Leben auf Hartz-IV-Niveau einstellen. | |
| Debatte Frausein und Kinderkriegen: Topf ohne Töpfchen | |
| Als Frau Ende dreißig reift die Erkenntnis: Für ein erfülltes Leben braucht | |
| es gar kein Kind. Fehlt nur noch die gesellschaftliche Anerkennung. |