Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Transparenz von Löhnen in der Praxis: Mut zum Lückeschließen
> Der Sportartikelhersteller Vaude hat die Gehälter seiner Mitarbeitenden
> bereits verglichen – und ist zufrieden mit dem Ergebnis.
Bild: Eine Vaude-Mitarbeiterin bei der Arbeit
Berlin taz | Das mit der Lohngerechtigkeit ist eine komplizierte Sache. Und
das mit der Transparenz von Gehältern sowieso. Miriam Schilling weiß das.
Sie ist Personalleiterin beim Sportartikelhersteller Vaude in Tettnang in
Baden-Württemberg.
Das Unternehmen wirbt damit, Rucksäcke, Taschen, Zelte und Jacken
nachhaltig und transparent herzustellen. Seit Vaude zudem die Gehälter im
Unternehmen für alle sichtbarer gestaltet, gilt die Firma mit 500
Beschäftigten in Deutschland und verschiedenen Produktionsstandorten in
Asien als Vorzeigefirma in Sachen Lohngerechtigkeit.
Begonnen hatte es vor vier Jahren. Da hatte Vaude-Chefin Antje von Dewitz
die Idee, dass alle Mitarbeitenden in Deutschland das Recht haben sollten
zu erfahren, ob sie gerecht bezahlt werden. Und ob Frauen und Männer, die
eine ähnliche Arbeit tun, auch ähnlich viel verdienen.
Das ist nicht unbedingt üblich hierzulande. Der Unterschied zwischen Frauen
und Männern beim Bruttoverdienst, die sogenannte unbereinigte Lohnlücke,
beträgt laut Bundesregierung 21 Prozent. Nach aktuellen Berechnungen von
Compensation Partner, einem Hamburger Unternehmen zur Analyse von
Gehältern, beträgt sie sogar 25 Prozent.
## Gesetzliche Regelung bleibt schwierig
Zieht man Faktoren wie Elternzeit und Teilzeit, die überwiegend von Frauen
in Anspruch genommen werden, sowie Gehaltsdifferenzen bei ohnehin schon
schlechter entlohnten „Frauenberufen“ ab, ergibt sich immer noch eine
sogenannte bereinigte Lücke von 3 bis 7 Prozent. Dieser „unerklärliche
Rest“ sei geschlechterbedingt, meinen manche Frauen- und
Menschenrechtsverbände. Auch dass Frauen seltener Chefinnen seien und schon
deshalb durchschnittlich schlechter verdienen, trage zum Gender Pay Gap
bei.
Das will Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt ändern.
Donnerstagabend will der Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf
verabschieden. Schwesigs Papier sieht vor, dass Frauen und Männer in Firmen
ab 200 Beschäftigten fortan verlangen können zu erfahren, was KollegInnen
in gleichwertiger Position verdienen. Sie sollten Einblicke ins Grundgehalt
sowie zu zwei weiteren Gehaltsbestandteilen, etwa Boni, Dienstwagen oder
Sonderzahlungen, erhalten können. Außerdem sollen Unternehmen ab 500
Mitarbeitenden verpflichtet werden, Verfahren zur Überprüfung und
Herstellung der Lohngleichheit einzuführen.
Das klingt alles leichter, als es in die Realität umgesetzt werden kann.
„Wir haben vier Jahre gebraucht, um Transparenz bei den Gehältern
herzustellen“, sagt Vaude-Personalleiterin Schilling. Es gab viele Fragen:
Welche Jobs kann man überhaupt miteinander vergleichen? Wie bewertet man
Auszeiten aufgrund von Familienphasen? Wie wird man Teilzeitjobs finanziell
gerecht, ohne wiederum Vollzeit Arbeitende zu benachteiligen?
## Vergleichender Lohnrechner
Das Tettnanger Unternehmen hat ein Gehaltssystem eingeführt, das auf dem
Konzept des Webtools Logib-D – ausgeschrieben Lohngleichheit im
Betrieb–Deutschland – basiert. Man könnte es als eine Art Gehaltsrechner
beschreiben, der mit Informationen wie Jobbeschreibungen,
Leitungsfunktionen und Lohndaten gefüttert wird. Als vergleichbare
Tätigkeiten wurden Jobs wie Vertrieb und Einkauf oder Controlling und
Unternehmensentwicklung festgelegt. Und es wurden Parameter wie Wissen,
Verantwortungs- und Entscheidungskompetenz benannt, um die Jobs genauer zu
beschreiben.
Am Ende spuckte das Tool zwar keine konkrete Zahl aus, die beispielsweise
zeigt, ob eine Frau monatlich 200 Euro weniger verdient als ihr Kollege,
der eine ähnliche Arbeit macht. Dafür offenbarte es aber Gehaltsspannen für
„verwandte“ Jobs. Bei den Produkt- und MarketingmanagerInnen
beispielsweise, einer recht hohen Gehaltsstufe bei Vaude, liegt die Spanne
zwischen 43.000 und 71.000 Euro Jahresgehalt.
Die Mitarbeitenden konnten nun prüfen, ob sie angemessen verdienen. Bei
denjenigen, die unterdurchschnittlich entlohnt wurden, hat Vaude die
Gehälter erhöht.
Und was hat das alles mit der Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern
zu tun? Auf den ersten Blick erst mal nichts. Aber die Vaude-Mitarbeitenden
begannen, untereinander über ihr Gehalt zu reden – und haben es auf diese
Weise transparent gemacht. „Das war genau in unserem Sinne“, sagt
Schilling. Am Ende haben die „privaten“ Vergleiche ergeben, dass Frauen und
Männer annähernd gleich entlohnt werden, versichert die Personalleiterin.
## Hoher bürokratischer Aufwand
Finanzielle Einbußen hatten und haben vor allem jene, die Teilzeit
arbeiten, sowie Mütter, die zwei oder drei Jahre mit ihren kleinen Kindern
zu Hause bleiben. „Hier verlieren Frauen kurz den Anschluss“, räumt
Schilling ein: „Man kann jemandem, der nach einer längeren Auszeit ins
Unternehmen zurückkehrt, nicht sofort eine Gehaltserhöhung zukommen
lassen.“
Daran kann und will auch das Schwesig-Gesetz nichts ändern. Ob es überhaupt
Lohngerechtigkeit herstellt, bezweifelt Christina Raab von der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Der Gesetzesanspruch
sei zwar berechtigt, sagte Raab kürzlich bei einer Anhörung zum
Gesetzentwurf im Bundestag. Aber es belaste die Unternehmen „mit
unverhältnismäßigen Bürokratiekosten“.
Auch Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler und Professor an der Universität Bonn,
ist skeptisch, ob das Gesetz seine Wirkung entfalte. Nach den bisherigen
Prüfmethoden könne das Gehalt einer Frau im Vergleich zu dem ihres
männlichen Kollegen als geringer ausfallen, tatsächlich aber höher sein.
Oder anders formuliert: Gängige Transparenztools wie Logib-D, das Vaude
verwendet hat, zeigen den Unterschied zwischen den Gehältern von Männern
und Frauen nicht direkt auf.
Gefordert ist jetzt also ein Verfahren, das geschlechterbedingte
Gehaltsunterschiede ganz konkret benennt. Und ein Gesetz, das für gerechte
Löhne sorgt.
30 Mar 2017
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Gender Pay Gap
Lohnentwicklung
Lohnlücke
Manuela Schwesig
Gender Pay Gap
Equal Pay Day
Equal Pay Day
Europäisches Parlament
Familie
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIW-Studie zu „Sexuality Pay Gap“: Lohnlücke betrifft auch Schwule
Ungleiche Bezahlung für gleiche Leistung betrifft nicht nur Frauen.
Homosexuelle Männer verdienen in Deutschland deutlich weniger als
heterosexuelle Männer.
Equal Pay Day 2017: Die Lücke der Lücke
Rechnerisch arbeiten Frauen bis zum 18. März kostenlos. Es gibt jedoch
erhebliche Unterschiede zwischen neuen und alten Bundesländern.
Equal Pay Day: Nicht umsonst, aber unbezahlt
Journalistinnen verdienen weniger als Journalisten. Die immer noch ungleich
verteilte Erziehungsarbeit ist ein Grund, aber nicht der einzige.
Kolumne Liebeserklärung: Frauenfeinden muss es wehtun
Sich nicht den Mund verbieten lassen: Die spanische EU-Abgeordnete García
Pérez weist einen rechtsextremen Kollegen zurecht.
Die Rolle der Väter: Hey, Papa! Da geht noch was!
„Gleichberechtigung? Wo ist das Problem!“, sagt das Bauchgefühl unserer
Autorin. Doch gleichzeitig ist sie sich sicher, dass ihr Bauchgefühl trügt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.