| # taz.de -- Erhöhung des Arbeitslosengeldes II: Ein Weihnachtsbaum bleibt Luxus | |
| > Der Hartz-IV-Satz steigt um fünf auf 409 Euro monatlich. Die frühere | |
| > Kritikerin Andrea Nahles verteidigt die geringe Erhöhung. | |
| Bild: Schwierig mit dem Weihnachtsbaum, wenn man Hartz-IV bezieht | |
| Berlin taz | Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Gesetzentwurf von | |
| Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) zur Ermittlung der | |
| Hartz-IV-Regelbedarfe gebilligt. Der Entwurf sieht eine Erhöhung der Sätze | |
| um 5 Euro auf 409 Euro für Singlehaushalte und Alleinerziehende vor. Für | |
| Kinder zwischen 6 und 13 Jahren steigt der Bedarf um 21 Euro auf 291 Euro. | |
| Der Regelbedarf bildet die Basis für die tatsächlichen Hartz-IV-Sätze, die | |
| jährlich im Zuge der Preis- und Lohnentwicklung erhöht werden. | |
| Mit ihrem Entwurf genügt Nahles der gesetzlichen Vorgabe, wonach die | |
| Regelbedarfe den Ergebnissen der aktuellen Einkommens- und | |
| Verbraucherstichprobe angepasst werden müssen. Diese wird alle fünf Jahre | |
| vom Statistischen Bundesamt in über 50.000 Haushalten erhoben, zuletzt | |
| 2013. Die Basissätze orientieren sich daran, was jene, die am wenigsten | |
| verdienen, zum Leben ausgeben, konkret das untere Sechstel der Singles und | |
| Alleinerziehenden und das untere Fünftel der Familien. Menschen, die selbst | |
| Hartz IV beziehen, rechnet man raus, andere Empfänger staatlicher | |
| Transferleistungen wie Aufstocker finden sich aber in der Bezugsgruppe | |
| wieder. | |
| Nahles Berechnungen folgen im Wesentlichen den Parametern ihrer | |
| Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen (CDU). Die hatte die Berechnung der | |
| Regelsätze 2011 auf neue gesetzliche Grundlagen gestellt, nachdem das | |
| Bundesverfassungsgericht im Jahre 2010 die Berechnungsgrundlagen des | |
| Existenzminimums als zu intransparent verworfen hatte. Herausgekommen waren | |
| damals marginale Erhöhungen der Bedarfe, die von den Sozialdemokraten | |
| heftig kritisiert worden waren. Die Sätze seien künstlich kleingerechnet | |
| worden, so Nahles. Fünf Jahre später ist die Basis noch die gleiche, doch | |
| die Sozialdemokraten sehen vieles anders. Als Andrea Nahles dem Bundestag | |
| nach der Kabinettssitzung Rede und Antwort stand, meinte sie: „Was wir hier | |
| vorstellen, halte ich für angemessen und ausgewogen.“ | |
| Die Ministerin stellte besonders den deutlich gestiegenen Regelbedarf für | |
| Kinder heraus. Verbesserungen gebe es auch für Behinderte und für Menschen, | |
| die in WGs wohnen. | |
| ## Rätselhafte Statistik | |
| Für viele Bedarfe bleibt die statistische Basis in den Augen der heutigen | |
| Opposition rätselhaft. So wird bei Familien davon ausgegangen, dass sie pro | |
| Monat 3,06 Euro für eine Waschmaschine ansparen. Restaurantbesuche, | |
| Schnittblumen oder Weihnachtsbäume sind für Hartz-IV-Empfänger nicht | |
| vorgesehen. Auch Malstifte oder ein Eis mit Freunden sind für Kinder laut | |
| Bedarf nicht drin. | |
| „Sind diese Dinge nicht wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe?“, | |
| fragte Beate Müller-Gemmke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen. | |
| Andrea Nahles konterte: „Wir wollen Teilhabe ermöglichen. Aber das hat eben | |
| Grenzen.“ Es gehe darum, die Relation zu wahren zwischen Leuten, die | |
| arbeiten gingen, und Leistungsempfängern. Aus der Ecke der Union ertönte | |
| Applaus. | |
| Die SPD-Fraktion duckte sich dagegen weg. „Zu glauben, wir könnten in einer | |
| Großen Koalition Großes umsetzen, gelingt leider nicht“, hieß es später a… | |
| Fachkreisen. Die Abgeordnete und Vorsitzende der Linkspartei, Katja | |
| Kipping, griff die Ministerin scharf an: „Vor fünf Jahren gab sie sich noch | |
| als schärfste Kritikerin arithmetischer Tricksereien zulasten der Armen“, | |
| so Kipping zur taz. „Heute verkauft die SPD-Ministerin die hinterhältigen | |
| Methoden bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze mit Verve und weicht | |
| unbequemen Fragen aus.“ | |
| 21 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
| Anna Lehmann | |
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