# taz.de -- Zuwanderungspapier der CSU: Seehofers Selektionsfantasien | |
> Christen bevorzugt? Mit ihrer rhetorischen Eskalation tritt die CSU in | |
> einen Überbietungswettbewerb mit der AfD. Gewinnen kann sie ihn nicht. | |
Bild: Er zündelt mal wieder: Horst Seehofer, aus CDU-Sicht ein Flüchtling nac… | |
Das ist nicht mehr rechtspopulistisch, das ist schon rechtsradikal. Die CSU | |
fordert nicht nur ein „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“, um die Zuwanderung | |
nach Deutschland zu verringern. Sie möchte darin auch den „Vorrang für | |
Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis“ | |
festschreiben, wie es in dem fünfseitigen Papier heißt, das der Vorstand | |
jetzt beschließen will. | |
Damit ist Horst Seehofer schon verdammt nahe dran an Donald Trump, der im | |
US-Wahlkampf einen Einreisestopp für Muslime gefordert hatte. Oder am | |
ungarischen Autokraten Viktor Orbán, der auf dem Höhepunkt der | |
„Flüchtlingskrise“ vor einem Jahr verkündete, sein Land werde keine Musli… | |
aufnehmen, weil diese den christlichen Charakter Europas gefährdeten. | |
Beide handelten sich breite Empörung ein. Luxemburgs Außenminister Jean | |
Asselborn sagte damals, Orbán trete die Werte der EU mit Füßen, man müsse | |
sich manchmal für ihn schämen. Und Mitbewerber von Trump schimpften ihn | |
einen „faschistischen Demagogen“. Wie soll man dann Horst Seehofer nennen, | |
der aus seinen Selektionsfantasien keinen Hehl mehr macht? | |
Neu ist es ja nicht, dass die CSU offen diskriminierende Töne anschlägt. | |
Lange bevor es die AfD überhaupt gab, erklärte sie schon kategorisch, der | |
Islam gehöre nicht zu Deutschland. Und als er Innenminister war, setzte | |
sich bereits Seehofers Parteifreund Hans-Peter Friedrich dafür ein, | |
Christen bevorzugt Asyl zu gewähren. Jetzt will die CSU in der bayrischen | |
Verfassung eine „Leitkultur“ verankern, in der sich eine „Werteordnung | |
christlicher Prägung, Sitten und Traditionen und Grundregeln unseres | |
Zusammenlebens“ widerspiegeln. | |
Doch Formulierungen wie „Deutschland muss Deutschland bleiben“, die sich in | |
dem Papier finden, erinnern eher an Pamphlete der NPD als an eine | |
christlich-konservative Partei. Und die will die CSU ja sein. | |
## Nationalsozialistische Rhetorik | |
Auch das ist nicht ganz neu: Für seinen Satz, er werde die Einwanderung aus | |
falschen Kulturkreisen „bis zur letzten Patrone“ verhindern, wurde Seehofer | |
vor fünf Jahren zu Recht wegen Volksverhetzung angezeigt. Dass er dies an | |
einem 9. März sagte – dem Jahrestag des Durchhaltebefehls des Naziregimes, | |
die Hauptstadt „bis zur letzten Patrone“ zu verteidigen –, mag reiner | |
Zufall gewesen sein. Aber auch das Gerede von einer „Herrschaft des | |
Unrechts“, „Notwehr“ und „Notmaßnahmen“ erinnern an nationalsozialis… | |
Rhetorik. | |
Das ist kein Ausdruck regionaler Folklore, sondern einer bewussten | |
politischen Strategie. Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern verschärft | |
die CSU wieder den Richtungsstreit mit ihrer Schwesterpartei. Dabei geht es | |
schon lange nicht mehr um Flüchtlinge. Es geht um die Frage, ob die Union | |
zulässt, dass sich rechts von ihr eine Protestpartei etabliert. | |
In München scheint man ernsthaft zu glauben, dass sich das noch verhindern | |
lässt, in dem man die AfD an Radikalität übertrumpft. In der CDU-Zentrale | |
in Berlin dagegen hat man sich damit abgefunden, dass man sie in Kauf | |
nehmen muss, wenn man die bürgerliche Mitte in den Metropolen nicht aus den | |
Augen verlieren will. Mit Law-and-Order-Themen hofft man, dem | |
Sicherheitsbedürfnis der Wähler entgegenzukommen. Auf einen Kulturkampf | |
gegen Muslime will sich die CDU dort aber nicht einlassen. Deshalb warnte | |
Merkel am Mittwoch im Bundestag vor einem Populismus-Wettlauf mit der AfD. | |
Die CSU pocht zu Recht darauf, in Sachen Populismus das Original zu sein. | |
Doch ihren Überbietungswettbewerb mit der AfD kann sie nicht gewinnen. | |
Jedenfalls nicht ohne dass sie selbst – und dieses Land – Schaden nimmt. | |
8 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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