# taz.de -- Angela Merkel zur CDU-Niederlage in MV: Der weite Weg von China nac… | |
> Die Kanzlerin schickt klare Worte aus Hanghzou in die Heimat. Sie bekennt | |
> sich zu ihrer Verantwortung und bleibt bei ihrer Flüchtlingspolitik. | |
Bild: September 2015 in Berlin. Ein Bild der Freude. Die kommt heute bei vielen… | |
BERLIN taz | Burkhard Lenz könnte sich freuen. Bei der Landtagswahl am | |
Sonntag hat der CDU-Mann sein Abgeordnetenmandat verteidigt. 27,9 Prozent | |
der Wähler haben ihm ihre Stimme gegeben. Das sind fast acht Prozent mehr, | |
als seine Partei im ganzen Land geholt hat. Es bedeutet fünf weitere Jahre | |
im Schweriner Landtag. Lenz – Wahlslogan: „Der Lenz ist da, der Lenz soll | |
bleiben“ –, Lenz darf bleiben. Trotzdem sagt er: „Ich bin | |
niedergeschlagen.“ | |
Grund dafür sind die Rüganer, die in seinem Wahlkreis Nummer 34 die AfD | |
gewählt haben. Leute seien das, sagt Lenz, „die im Wahlkampf kaum mit sich | |
reden ließen“. Landesthemen hätten die nicht interessiert, „die | |
Bundespolitik, das Flüchtlingsthema ist voll übergeschlagen“. Am Ende waren | |
es 24,9 Prozent für die AfD. Und das im Wahlkreis seiner Parteivorsitzenden | |
Angela Merkel! Noch schlimmer: Auf Landesebene hatLenz'CDU gerade mal 19 | |
Prozent geholt – damit liegt sie auf Platz drei hinter der AfD. | |
Burkhard Lenz macht das ratlos. Wenn seine Rüganer mit der AfD eine Partei | |
wählen, die nichts als Opposition verspricht, „dann haben die Leute die | |
Politik nicht verstanden“. | |
8.295 Kilometer entfernt von Rügen tritt zur gleichen Zeit Angela Merkel | |
vor die Presse. Sie soll jetzt mal etwas sagen zum Wahlergebnis in | |
Mecklenburg-Vorpommern. Auf Rügen, auf dem südlich gelegenen Festland und | |
in Stralsund hat die Kanzlerin ihren Bundestagswahlkreis 15. Müsste sie | |
nicht erklären können, warum ihre unmittelbaren Wähler den Rechtspopulisten | |
nachlaufen? Sie war dort im Wahlkampf unterwegs, sie kennt doch ihre Leute. | |
Merkel hat beim G-20-Gipfel im chinesischen Hangzhou über Themen wie | |
Handelsschranken, Krieg und Frieden, Klima verhandelt. Hart ausgeleuchtet | |
von Kameralampen, antwortet sie nun auf die Frage, ob sie einen | |
Zusammenhang erkenne zwischen dem Schweriner Ergebnis und ihrer | |
Flüchtlingspolitik: „Natürlich.“ Und dann: „Ich bin Parteivorsitzende, … | |
bin Bundeskanzlerin. Und in den Augen der Menschen kann man das nicht | |
trennen. Und deshalb bin ich natürlich auch verantwortlich.“ | |
Augenblicklich tickern die Agenturen: „(Eil) Merkel übernimmt Verantwortung | |
für CDU-Niederlage im Nordosten.“ | |
## Ein neuer Dreiwortsatz | |
Ich bin verantwortlich – dieser neue Dreiwortsatz wird bleiben. Dass Merkel | |
darin das Wörtchen „auch“ verwendet hat und dass sie ihn keineswegs als | |
Schuldeingeständnis verstanden wissen wollte, müsste jedem klar sein, der | |
ihr in den letzten Wochen zugehört hat. Fraglich ist dennoch, ob der | |
folgende Zusatz zur Kenntnis genommen werden wird, vor allem bei der CSU. | |
Der lautet: „Ich halte dennoch die Entscheidungen, so wie sie getroffen | |
wurden, für richtig.“ Die Große Koalition habe entsprechend ihrer | |
Verantwortung gehandelt. Nun müssten alle darüber nachdenken, „wie können | |
wir jetzt das Vertrauen wieder zurückgewinnen und vorneweg natürlich ich“. | |
In Bayern sind zu diesem Zeitpunkt längst wieder die alten Abwehrreflexe | |
angelaufen. Finanzminister Markus Söder von der CSU verkündet via | |
Bild-Zeitung: „Die Stimmung der Bürger lässt sich nicht mehr ignorieren. Es | |
braucht einen Kurswechsel in Berlin.“ Kurswechsel, das klingt stark; | |
Berlin, das sind die anderen. Der innenpolitische Sprecher der Union im | |
Bundestag, der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer, erklärt gegenüber der | |
Huffington Post: „Das Ergebnis für die CDU ist katastrophal.“ Hauptursache | |
sei die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der Flüchtlingspolitik der | |
Kanzlerin. | |
Und aus der CSU-Parteizentrale in München formuliert Generalsekretär | |
Andreas Scheuer mal wieder die Forderung nach einer „Obergrenze für | |
Flüchtlinge“. Sein Chef Horst Seehofer habe bereits mit Merkel telefoniert, | |
er werde seine Position beim Koalitionsgipfel am Sonntag in Berlin „sehr | |
klar“ vertreten. Scheuer weiter: „Es ist schon klar, wer sich nach dieser | |
Wahl rechtfertigen muss – nicht die CSU.“ | |
## Die Schmach von Schwerin | |
Jene, die sich nach Scheuers Meinung rechtfertigen müssten, rücken an | |
diesem Montag eng zusammen. Weil die Vorsitzende in China unterwegs ist, | |
gibt es im CDU-Bundesvorstand weder warme Worte für den Spitzenkandidaten | |
noch einen wagenradgroßen Blumenstrauß. Statt dessen verständigt man sich | |
in einer Schaltkonferenz auf das, was Generalsekretär Peter Tauber zur | |
Schmach von Schwerin sagen soll. | |
Der sonst so forsche Tauber klingt nachdenklich. Den Erfolg der AfD nennt | |
er eine Hausforderung für alle Parteien. Dann zählt er die politischen | |
Maßnahmen auf, die Union und SPD im zurückliegenden Dreivierteljahr | |
beschlossen haben: Flüchtlingszahlen reduziert, Asylrecht geändert, | |
Integrationsgesetz auf den Weg gebracht. „Ich glaube, dass es nicht | |
gelingen wird, auch nur einen Wähler von der AfD zurückzuholen, wenn wir | |
unser Land schlechtreden.“ Von allen politischen Maßnahmen der Großen | |
Koalition hätten „die Deutschen“ profitiert. Dennoch werde man auf die | |
Fragen, die die Menschen umtrieben, „zusätzliche Antworten geben müssen“. | |
Und Burkhard Lenz, welche Antworten hat er? Im Internet kursiert seit der | |
Wahl eine Liste: „Die braunsten Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns“. Auf | |
Facebook werden die Vorzüge der polnischen Ostsee gepriesen. Menschen | |
kündigen an, ihren Urlaub nicht mehr in „FuckPomm“ verbringen zu wollen. | |
„Hier sind nicht alle rechts“, sagt Lenz darauf fast beschwörend. Ihm | |
gehört ein Fahrgastschiff, mit dem schippert er Touristen zur | |
nahenNaturschutzinsel Vilm. Lenz lebt von den Urlaubern, so wie sehr viele | |
Menschen in seinem Wahlkreis. | |
Wenn die Urlauber wegen der Rechten nicht mehr nach Rügen kommen wollen, | |
was sagt er denen? Für eine halbe Minute ist Burkhard Lenz sprachlos. Dann: | |
„Ich würde sagen: Unser Land ist schön, die Leute sind eigentlich | |
freundlich. Kommen Sie her und lernen Sie sie kennen.“ Und was sagt er | |
seinen Rüganern? „Tja, das wird schwierig“, antwortet der | |
CDU-Landtagsabgeordnete Burkhard Lenz. „Ich rede viel mit den Touristen.“ | |
5 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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