| # taz.de -- Kommentar Landtagswahl in Meck-Pomm: Die Erschütterung | |
| > Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern weist auf die Stimmung im gesamten | |
| > Land hin. Besonders die SPD muss eine neue, soziale Sprache finden. | |
| Bild: Gabriel und Sellering lachen – dürfen aber für die SPD die Renaissanc… | |
| Wenn ein Bundesland mit 1,6 Millionen Einwohnern wählt, muss man mit | |
| Ableitungen fürs große Ganze vorsichtig sein. Aber das traurige Ergebnis | |
| dieser Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern funktioniert wie eine Lupe | |
| aus Kristallglas. Entwicklungen, die sich schon lange abzeichnen und die | |
| ganze Republik beschäftigen, werden plötzlich sichtbar. Riesig, in vielen | |
| Facetten und bedrohlich. | |
| Da wäre zunächst der Aufstieg der AfD, gegen den bisher kein Rezept der | |
| demokratischen Parteien hilft, weder die Polterei in der CDU noch das | |
| Links-Blinken der SPD. Die verbreitete Unzufriedenheit der Menschen mit der | |
| Flüchtlingspolitik, die ja nicht nur Merkel, sondern auch SPD und Grüne | |
| mitgetragen haben, wirkt für die Rechtspopulisten wie eine vitaminreiche | |
| Nährlösung. Die Angst vor dem Fremden macht die Rechten stark, und gegen | |
| dieses Gefühl helfen rationale Argumente nicht mehr. | |
| Was in den USA schon länger zu beobachten ist, zeigt sich inzwischen auch | |
| in Deutschland. Die Weltbilder vieler frustrierter Menschen lösen sich von | |
| Fakten, oder, wie man modern sagen könnte: Wir befinden uns im | |
| postfaktischen Zeitalter. Wichtig ist für viele Menschen nicht mehr, was | |
| stimmt – sondern was ihr eigenes, von der Komplexität der Welt | |
| überfordertes Gemüt bewegt. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der | |
| Ausländeranteil bei 3,7 Prozent, 2015 nahm das Land rund 23.000 Geflüchtete | |
| auf – viel weniger als andere Länder. | |
| Wenn die AfD mit „Überfremdung“ oder „schmarotzenden Flüchtlingen“ St… | |
| macht, gibt es im Alltagsleben ihrer Anhänger dafür keinerlei Beleg. Nur | |
| ist das leider völlig egal. Gerade deshalb ist das Repertoire der | |
| AfD-Themen unerschöpflich, schließlich ist die Welt der Ängste groß. Wir | |
| werden uns noch wundern, was die Rechtspopulisten über „den“ Islam, „die… | |
| Flüchtlinge oder „die“ Sozialschmarotzer alles behaupten werden. Die AfD | |
| verstetigt in Mecklenburg-Vorpommern ihren sensationellen Erfolg – und | |
| nimmt Kurs auf den Bundestag. | |
| ## Auch Berliner CDU wird im September gedemütigt werden | |
| Für die CDU ist es eine fundamentale Erschütterung, dass eine rechte Partei | |
| zum ersten Mal in der deutschen Geschichte an ihr vorbeizieht. Zumal, das | |
| macht es schlimmer, die CDU vor Ort nicht mit Wattebäuschchen warf: Ihr | |
| Spitzenmann Lorenz Caffier ist ein Hardliner, er hatte das Amt des | |
| Innenministers inne und scheute nicht davor zurück, mit dem unsinnigen | |
| Burka-Verbot auf Stimmenfang zu gehen. Doch selbst diese Rechtsprofilierung | |
| verhinderte massive Abwanderungen der CDU-Wähler zur AfD nicht. | |
| Die CDU ist unglaublich sensibel für machtgefährdende Entwicklungen. Dieses | |
| Desaster wird deshalb in die Bundespartei ausstrahlen – zumal abzusehen | |
| ist, dass auch die Berliner CDU bei der Wahl am 18. September gedemütigt | |
| wird. Es könnte das beginnen, was vor der so genannten Flüchtlingskrise | |
| undenkbar war. Eine Debatte darüber, ob Angela Merkel die richtige | |
| Kanzlerkandidatin 2017 ist. | |
| Außerdem wird sich der mühsam unterdrückte Dauerstreit zwischen CDU und CSU | |
| über die Flüchtlingspolitik verschärfen. CSU-Chef Horst Seehofer | |
| interpretiert das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern natürlich als | |
| Bestätigung. Der Merkel-Flügel in der Union ist darauf festgelegt, die | |
| Entscheidungen der Kanzlerin zu verteidigen. Diese Wahl häuft Sprengstoff | |
| im konservativen Lager an, ob er explodiert, lässt sich im Moment schwer | |
| absehen. | |
| ## Arbeiter schwenken zur AfD | |
| Und noch ein Trend wird deutlicher, als es zuvor schon war: Auch die | |
| Sozialdemokraten und die Linkspartei leiden unter dem Aufstieg der Rechten. | |
| Denn das linke Lager erodiert erkennbar. Beide Parteien – die Linken sind | |
| in Schwerin wie anderswo in Ostdeutschland auch im Grund linke | |
| Sozialdemokraten – haben relevant Stimmen an die AfD abgegeben. | |
| Mehr Nationalismus bedeutet mehr Schutz und Sicherheit: Für prekär lebende | |
| Menschen oder Arbeiter, die sich von der Globalisierung unter Druck gesetzt | |
| fühlen, ist dieses falsche Versprechen der AfD attraktiv. 33 Prozent der | |
| Arbeiter machten ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten, mehr als bei der SPD | |
| (27 Prozent) oder der Linkspartei (10 Prozent). Die Sozialdemokraten, die | |
| nach Prozentpunkten verloren, bei den absolut abgegebenen Stimmen aber | |
| stagnieren, sind bei dieser Wahl noch einmal glimpflich davon gekommen, | |
| weil Erwin Sellering ein beliebter Regierungschef ist. Aber wenn sie jetzt | |
| so tun, als sei das ein grandioser Erfolg, belügen sie sich selbst. | |
| Wenn die SPD klug ist, versteht sie, dass der Aufstieg der AfD auch eine | |
| Rennaissance der sozialen Frage bedeutet. Die SPD muss eine neue Sprache | |
| und neue Rezepte finden, um glaubhaft zu machen, dass sie für sozialen | |
| Zusammenhalt steht. | |
| 5 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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