# taz.de -- Gastbeitrag zur Meck-Pomm-Wahl: Kein Urlaub mehr auf Usedom | |
> Der Leiter von „Schule mit Courage“ hat seine Reise nach Usedom | |
> storniert. Dort will er sich weiter engagieren, aber keinen Urlaub mehr | |
> machen. | |
Bild: Ungestörter Urlaub ist hier nicht für alle möglich: Strand auf Usedom | |
Nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern habe ich meinen Urlaub auf | |
Usedom storniert. Ursprünglich wollte ich ein paar Tage in Heringsdorf | |
verbringen, doch dann erschienen die Ergebnisse der Wahl: 32,8 Prozent der | |
Wählerinnen und Wähler in dem Ort hatten ihre Stimme der | |
rechtspopulistischen AfD gegeben und 6 Prozent der rechtsextremen NPD. Auch | |
in den restlichen Orten Usedoms sah es nicht besser aus. Mir wurde klar: | |
Hier würde ich nicht Urlaub machen können. | |
Meinen Urlaub verbringe ich nur da, wo ich mich wohl, entspannt und sicher | |
fühle. Und das ist nun mal nicht auf Usedom. Meine Entscheidung kam nicht | |
aus heiterem Himmel und ich habe sie nicht leichtfertig getroffen – sie hat | |
eine Vorgeschichte. | |
Und dass ich da nicht mehr hinfahren werde, ist eine Frage des Anstands. | |
Zum Beispiel gegenüber meiner Liebsten. Ich kann und will keinen Urlaub an | |
einem Ort machen, an dem ich als weißer, deutscher Mann keine Probleme | |
habe, meine Partnerin dafür aber umso mehr. Mitte der neunziger Jahre wurde | |
sie vor der Seebrücke in Ahlbeck als Ausländerin markiert und von Neonazis | |
umringt, bespuckt und bedroht. | |
Seitdem war eine weitere Reise nach Usedom für sie eigentlich | |
ausgeschlossen. Trotzdem gaben wir der Insel Jahre später eine weitere | |
Chance – und auch diese hat sie verspielt. Bei unserem Aufenthalt in | |
Heringsdorf 2008 lungerte eine Gruppe Neonazis unbehelligt in den Straßen | |
herum, nachts grölten sie auf der Seepromenade vor unserem Hotel | |
„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ | |
Im Oktober wollte ich es erneut versuchen – allein, ohne meine Partnerin. | |
Ich dachte, ich könnte meiner Liebsten danach erzählen, es sei gar nicht | |
mehr so wild auf Usedom und wir dürften die Region nicht den Idioten | |
überlassen. Was man halt so erzählt, um einem Menschen die Angst zu nehmen | |
und sich die Situation schön zu reden, nur weil man auf etwas nicht | |
verzichten will. | |
## Ein Boykott liegt mir fern | |
Doch als ich Sonntagnacht die Wahlergebnisse studierte, hat mich meine | |
Naivität tief beschämt. Es wäre Verrat gegenüber meiner Liebsten, wenn ich | |
führe. Usedom als Urlaubsziel werde ich von nun an meiden. | |
Allen, die meinen, es sei falsch von mir, jetzt keinen Urlaub mehr in | |
Usedom zu machen, weil man doch besonders dort die Zivilgesellschaft | |
unterstützen müsse, die antirassistischen Kräfte stärken und sich mit den | |
Rechtswählern dort auseinandersetzen, möchte ich nur sagen: Das alles | |
machen ich und wir im Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage | |
seit vielen Jahren und werden das auch künftig weiter tun. | |
Ein Boykott der Region und der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern liegt mir | |
fern. Mit vielen arbeiten ich und wir gut und vertrauensvoll zusammen und | |
wir unterstützen die Kinder und Jugendliche unseres Netzwerkes bei ihrem | |
Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus. | |
Aber ein privater Urlaubsaufenthalt kommt für mich nicht mehr in Frage. Am | |
Montag habe ich eine Hotelreservierung in Heringsdorf storniert: | |
„Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem am Sonntag 38,8 Prozent der | |
Bürgerinnen und Bürger der beiden „Kaiserbäder“ Heringsdorf und Ahlbeck … | |
der AFD und der NPD zwei Parteien gewählt haben, die aggressiv Stimmung | |
gegen Muslime, Migranten und Geflüchtete machen, möchte ich meine Buchung | |
in Ihrem Hotel stornieren. Ich kann und möchte in keiner Region Urlaub | |
machen, in der Rassismus und Fremdenhass zumindest für einen relevanten | |
Bevölkerungsanteil zum guten Ton gehören.“ | |
6 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Eberhard Seidel | |
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