# taz.de -- Dietmar Bartsch über die Wahl in MV: „Wir sind nicht mehr erste … | |
> Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, erklärt, | |
> warum seine Partei Unterstützer verloren hat und wie sie wiedergewonnen | |
> werden sollen. | |
Bild: Selbst Gregor Gysi konnte es nicht mehr rausreißen: Die Linke erzielte d… | |
taz: Herr Bartsch, Die Linke hat in Mecklenburg-Vorpommern im Wahlkampf | |
einen Showtruck und Emotionen aufgefahren und ist dennoch die große | |
Verliererin. Wieso hat alles nichts genützt? | |
Dietmar Bartsch: Das Ergebnis ist sehr unbefriedigend. Es ist | |
offensichtlich so, dass wir als Teil „der da oben“ angesehen werden, um das | |
mit der Sprache mancher Menschen zu sagen, denen ich im Wahlkampf begegnet | |
bin. Für sie sind wir ein Teil des Parteienkartells in Berlin. Uns trauen | |
viele eine andere, an ihren Interessen orientierte Politik nicht zu, so | |
ungerecht wir das auch empfinden. | |
Hat es auch mit dem Spitzenkandidaten zu tun? Helmut Holter war immer Teil | |
des Establishments von der SED-Bezirksleitung bis zur rot-roten Koalition. | |
Wäre es nicht langsam Zeit für einen Wechsel an der Spitze? | |
Die Partei hat Helmut Holter mit überwältigender Mehrheit gewählt, sie hat | |
hinter ihm gestanden, und er hat einen engagierten Wahlkampf geführt. Wir | |
werden in den nächsten Tagen in den Gremien entscheiden, wie es politisch | |
und personell weitergeht. | |
Helmut Holter bleibt Fraktionschef? | |
Das ist eine Entscheidung, die zuerst bei Helmut Holter liegt und dann in | |
der Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern. | |
Sie sehen also keinen Anlass, dass er zurücktreten sollte? | |
Nein. Ich werde Helmut Holter nicht zum Rücktritt auffordern. | |
Das war das schlechteste Ergebnis, das die Linke jemals erzielt hat in | |
Mecklenburg-Vorpommern. Woran liegt es, wenn nicht am Spitzenpersonal? | |
Wir haben offensichtlich auf Landesebene nicht deutlich machen können, dass | |
wir die Alternative zur Großen Koalition in Schwerin und im Bund sind. Es | |
ist unsere Aufgabe, dass wir mehr Druck machen müssen für unsere Themen: | |
gute Arbeit, Kampf gegen Kinderarmut, bessere Pflege. Es ist aktuell | |
schwierig gegen das gesellschaftlich emotionale Klima, gegen das innerlich | |
Aufgeheizte mit Sachargumenten anzukommen. | |
Sie meinen die AfD, gegen die die Linke bisher kein Rezept gefunden hat. | |
Die AfD ist eine Chaostruppe, die dort, wo sie bereits gewählt wurde, | |
nichts auf die Reihe bekommt und dennoch weiter gewählt wird. Häufig, weil | |
die Menschen Denkzettel verteilen wollen und Angst haben, bei der | |
Verteilung von sozialen Leistungen weniger zu bekommen. Die Alternativen, | |
die wir anbieten, werden zu wenig wahrgenommen, das muss ich selbstkritisch | |
anmerken. Wir müssen offensichtlich über andere, emotionalisierte Methoden | |
nachdenken. Unsere Kritik muss zugespitzter und der Widerstand gegen | |
ungerechte Verteilung und Sozialabbau kenntlicher werden. | |
Den Status als Protestpartei hat die Linke aber verloren. | |
Offensichtlich sind wir nicht mehr erste Adresse für Protest. Unsere | |
Aufgabe bleibt es, die Politik von Angela Merkel und der Großen Koalition | |
scharf und substanziell zu kritisieren. | |
Sich an der Großen Koalition abzuarbeiten ist das eine – wie muss sich die | |
Linke im Innern verändern? | |
Die Partei steht vor einer zweiten Erneuerung. Die Digitalisierung, die | |
Globalisierung erfordern eine neue inhaltliche Positionierung. Aber auch | |
die Art der politischen Auseinandersetzung muss eine andere werden. | |
In den Weiten Vorpommerns sah man überall AfD-Plakate, die Linke war fast | |
gar nicht präsent. Wie will man da mehr Druck machen, wenn die Strukturen | |
offenbar nicht vorhanden sind? | |
Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern die Partei mit den zweitmeisten | |
Mitgliedern, und dennoch sind es zu wenige. Da ist nicht nur die | |
Landespartei, sondern auch die Bundespartei gefragt. Aber immerhin: bei der | |
Oberbürgermeister-Wahl in Schwerin ist unsere Kandidatin am Sonntag mit | |
fast 32 Prozent gewählt worden und geht als Favoritin in die Stichwahl. Das | |
war mit Sicherheit keine Protestwahl, sondern sie ist als Macherin | |
wahrgenommen worden. Wir müssen die Trias aus Widerstand, | |
Gestaltungsoptionen und dem Willen zu grundsätzlicher gesellschaftlicher | |
Veränderung wieder mehr zum Leben erwecken. | |
Wenn sich die Linke wieder stärker als Protestpartei profilieren will, ist | |
es da nicht falsch, jetzt schon Koalitionssignale an die | |
mecklenburg-vorpommersche SPD auszusenden. | |
Das macht niemand, das wäre auch falsch. Der Ball liegt jetzt bei der SPD. | |
Nach dieser Niederlage sofort über Koalitionen zu schwadronieren, hielte | |
ich für falsch. | |
Wirft das Wahlergebnis einen Schatten auf die Berlin-Wahl in knapp zwei | |
Wochen? | |
Nein. Wir werden in Berlin gewinnen. Ich bin sicher, dass wir am 18. | |
September deutlich zulegen können. | |
6 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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