# taz.de -- Die CDU und ihr Generalsekretär: Schwarzer Peter | |
> Peter Tauber steht für den Kurs von Angela Merkel – und für eine | |
> Erneuerung seiner Partei. Damit macht er sich nicht nur Freunde. | |
Bild: Früher sei es normal gewesen, auch mal anderer Meinung zu sein, sagt Pet… | |
SALZGITTER/ BRAUNSCHWEIG taz | Die Zukunft der CDU steht etwas abseits. | |
Ercan Vanli, dunkles Haar, hellgrauer Leinenanzug, Bartschatten, hört | |
aufmerksam zu, als der alte Mann das Mikro ergreift und sagt: „Herr Tauber, | |
was ist das hier mit dem Islam, mit den ganzen Moslems? Das sind mehr, als | |
Sie glauben. Ich sag’s mal so: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Was | |
wird aus Deutschland, Herr Tauber?“ | |
Ercan Vanli, 47, Muslim, Mitglied im Kreisvorstand der CDU Salzgitter, | |
steht neben dem Tresen, er verzieht keine Miene. Soll der Generalsekretär | |
dem Herrn mal antworten. Vanli verschränkt die Arme vor der Brust. | |
Der Generalsekretär heißt Peter Tauber. Er ist an diesem Tag nach | |
Salzgitter gekommen, um im Kommunalwahlkampf die „Parteifreunde“ zu | |
unterstützen. Seit bald drei Jahren ist er der „GS“ der Christlich | |
Demokratischen Union Deutschlands. Er war 39, als die Vorsitzende Angela | |
Merkel ihn fragte, ob er das Konrad-Adenauer-Haus leiten wolle. Der taz | |
antwortete er damals auf die Frage, ob er sich beim morgendlichen Blick in | |
den Spiegel über seinen eigenen Aufstieg wundere: „In den schönen Momenten | |
denke ich schon ab und zu: Was für ein Geschenk, dass ich das machen darf!“ | |
## Locker am Bootssteg | |
Heute ist Peter Tauber 42. Und es ist so, dass die schönen Momente seltener | |
geworden sind. Dass die anstrengenden, unerfreulichen, auch schon mal | |
deprimierenden Momente deutlich zugenommen haben. Solch ein Moment ereignet | |
sich nun gerade hier in Salzgitter. | |
Die CDU hat zum Dialog mit dem Generalsekretär eingeladen, und weil seit | |
Taubers Parteireform jetzt immer alles ganz locker laufen soll, trifft man | |
sich auf dem Bootssteg der örtlichen Wasserskianlage. Während also junge | |
Menschen an Stahlseilen über das Wasser des Salzgittersees rasen, sondern | |
am Ufer alte Männer ihre Vorurteile und Rassismen ab. Der Herr mit der | |
Islamangst passt perfekt zu jenen ebenfalls betagten Bürgern, die in ihren | |
Redebeiträgen Erdoğan mit Hitler vergleichen und das Aussterben des | |
deutschen Volkes durch Abtreibungen beklagen. „Hunderttausend Leibesfrüchte | |
pro Jahr! Der demografische Abstiech, der bedroht uns, wie der Islam.“ | |
Es ist warm, vom Wasser hallen Rufe. Peter Tauber, rasierter Schädel, | |
schwarze Hornbrille, antwortet. „Diese vermeintliche Islamisierung sehe ich | |
nicht.“ Das Selbstverständnis der CDU sei es ja, nicht über Menschen als | |
Gruppe zu reden, „jeder einzelne wird angesehen, das ist unser | |
Menschenbild“. Im Übrigen habe die Partei mittlerweile mehr als tausend | |
muslimische Mitglieder. „Es ist kein Widerspruch, gläubiger Moslem zu sein | |
und Unterstützer der Demokratie.“ Ercan Vanli nickt leicht. | |
## Die Angst vor dem Neuen | |
Alles in allem ist dies hier keines jener gemütlichen Stehrümchen, denen | |
man noch bis vor Jahresfrist auf CDU-Veranstaltungen beiwohnen konnte. | |
Damals schien die Partei unbesiegbar. Die Wirtschaft brummte, die | |
Arbeitslosigkeit sank, die Armut war geschickt versteckt. Alle Krisen, die | |
die Kanzlerin anfasste, erledigte sie weitgehend erschütterungsfrei. | |
Erklären musste sie sich nicht. Euro-Stabilisierung, Griechenlandpaket, | |
Krimkrise – das Leiden war abstrakt. | |
Dann aber änderte Angela Merkel etwas. Sie übernahm Verantwortung und | |
öffnete die Grenzen für jene, die bis dahin dank Schengen aus Deutschland | |
ferngehalten worden waren. Merkel sagte: „Wir schaffen das.“ Aber die | |
schlank gesparten Verwaltungen, die Polizei, die Sozialdienste schafften es | |
erst mal nicht. Es gab Chaos. Und sehr viel Bitternis, auch Hass aufseiten | |
jener, die es bislang nicht anders gekannt hatten, als dass der Staat ihr | |
Leben bis zur Gängelung geregelt hatte. Bei den Neuankömmlingen nahm es | |
dieser Staat scheinbar nicht so genau. Die rechtspopulistische AfD musste | |
die neuen Wutbürger nur abholen, um aus ihnen Protestwähler zu formen. | |
Angela Merkel versuchte nun etwas Neues: Sie erklärte ihre Entscheidungen. | |
Auf dem CDU-Parteitag im Dezember begründete sie ihre Flüchtlingspolitik | |
mit der „von Gott geschenkten Würde jedes einzelnen Menschen“. Mehr ging | |
nicht. Merkels emotionaler Druckverband hielt exakt bis zur Kölner | |
Silvesternacht. | |
Seither bricht sich der Fremdenhass schamlos Bahn. In der CDU kann man ihn | |
an diesem Spätsommertag in Salzgitter besichtigen. Die alten Männer – sie | |
sind die personifizierte Angst vor dem Neuen. | |
## Einwanderungskonferenz im Adenauer-Haus | |
Das Neue, das sind Leute wie Ercan Vanli. Er sagt über Peter Tauber: | |
„Dieser Mann ist voller Energie.“ Im Herbst 2014 hatte der Generalsekretär | |
Mitglieder und Sympathisanten mit Migrationshintergrund zu einer | |
„Einwanderungskonferenz“ ins Adenauer-Haus eingeladen. Vanli, der Kaufmann | |
aus Salzgitter, CDU-Mitglied seit 2008, war einer davon. „Herr Tauber hat | |
mir vermittelt: Du bist in der richtigen Partei“, erzählt er. Seine Augen | |
leuchten. | |
Taubers Arbeitsauftrag als Generalsekretär lautete von Anfang an: | |
Erneuerung, vor allem Verjüngung. 444.400 Mitglieder hat die Partei noch, | |
das sind 110.000 weniger als vor zehn Jahren. Das Durchschnittsalter liegt | |
bei 59 Jahren, nur jedes vierte Mitglied ist eine Frau. Tauber sagt, sein | |
Ansporn sei unter anderem dieser Satz: „Angst ist keine Weltanschauung.“ Er | |
stammt von dem Hitler-Gegner Kurt von Hammerstein-Equord. | |
Seit Peter Tauber die Parteizentrale leitet, weht dort ein auffrischender | |
patriotischer Wind, bei gleichzeitiger maximaler Willkommenskultur. Alte | |
weiße Männer mögen früher die Partei bestimmt haben. Aber seit es nicht mal | |
mehr in konservativen Kreisen zum guten Ton gehört, einer Partei | |
anzugehören, wirbt man lieber um jene, die die Zukunft dieses Landes | |
personifizieren. | |
## Rein ins Netz | |
„Es bleibt dabei“, sagt Tauber im Auto zum nächsten Termin und lutscht ein | |
Fisherman’s Friend, „wir müssen noch attraktiver werden für Frauen, Jüng… | |
und Neudeutsche.“ Raus aus den Hinterzimmern der Wirtshäuser, ran an die | |
Leute und rein ins Netz. Denn das ist das Versprechen der modernen CDU: | |
Mitbestimmung und Aufstiegsperspektiven auch für Leute mit Familie und ohne | |
Uniabschluss. | |
Tauber verkörpert selbst die Moderne. Eigener Instagram-Auftritt, Facebook- | |
und Twitter-Accounts. Wenn er läuft – und er läuft viel – postet er Bilder | |
vom Wegesrand. Den Reykjavik-Marathon ist er in 4 Stunden, 15 Minuten | |
gelaufen. Wenn er die Basis besucht, setzt es Selfies. Er betreibt einen | |
Blog, den er „Schwarzer Peter“ nennt, und jede Woche freitags schickt er an | |
die Wähler in seinem hessischen Wahlkreis einen Newsletter namens | |
„Brieftauber“. Mit all dieser Umtriebigkeit macht er sich nicht nur | |
Freunde. | |
Als Anfang des Jahres ein Hater auf Facebook nicht aufhörte zu pöbeln, | |
schrieb Tauber kurz und bündig: „Arschloch.“ Die Aufregung war groß. Ein | |
Spitzenpolitiker, der einen Bürger schmäht! Tauber erinnert sich noch gut. | |
„Da saß ich mit einem Kaffee in der Hand bei mir zu Hause in der Wohnung, | |
mit Blick aufs liebliche Kinzigtal. Ich hab gedacht: Was ’n Arschloch. | |
Hab’s geschrieben, hab den Laptop zugeklappt und bin rausgegangen.“ Als er | |
später auf sein Handy schaute, tobte der Shitstorm. „Die Aggressivität | |
mancher Leute stärkt meinen Widerstandsgeist.“ | |
## Früher gab's mehr Diskussion | |
Ratlos macht ihn aber der veränderte Sound in der innerparteilichen | |
Debatte. Da sei, sagt er, „die Tendenz, Dinge ausschließlich zu | |
beschreiben“. Früher sei es normal gewesen, bestimmte Positionen der CDU | |
anzuzweifeln, auch anderer Meinung zu sein. Heute sei man unversöhnlicher. | |
„Den Leuten passt etwas nicht, und dann ist gleich alles nichts mehr wert.“ | |
Im Konrad-Adenauer-Haus rufen sie jeden an, der eine Austrittserklärung | |
schickt. Manche kann man überzeugen, dabeizubleiben. Gegen den | |
Demokratieverdruss, sagt er, könne man etwas machen. „Aber das dauert. Und | |
leider wünschen sich die Leute oftmals schnelle Lösungen.“ | |
Was nützt die ganze schöne Prinzipientreue, wenn die CDU-Wähler zur AfD | |
abwandern? 16 Prozent waren es bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern. | |
Tauber sagt, er halte die AfD nicht nur für rechtspopulistisch, sie habe | |
einen rechtsextremistischen Kern. „Und dass Leute bereit sind, die AfD und | |
ihre Parolen zu wählen, das ist auch eine demokratietheoretische | |
Bildungsfrage.“ Früher sei die CDU von links wüst beschimpft worden. Das | |
Angepöbeltwerden gehörte quasi zum Markenkern der Konservativen. „Heute | |
sind wir es nicht mehr gewohnt, das so auszuhalten. Aber: Gerade jetzt | |
dürfen wir nicht weichen.“ | |
Peter Tauber ist jetzt in Braunschweig angekommen. Er bindet sich eine | |
blaue Krawatte um, schließt den oberen Jackettknopf und federt aus dem Fond | |
des schwarzen Audi. Sein Fraktionskollege Carsten Müller will heute Abend | |
zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 gewählt werden. Die | |
Anwesenheit des Generalsekretärs soll der Basis Müllers gute Kontakte in | |
die Parteizentrale veranschaulichen. | |
Peter Tauber eilt in den Saal. Er schüttelt Hände, lächelt, nickt, setzt | |
sich zu den anderen Ehrengästen. Er schaut sich um. Rund hundert Mitglieder | |
brüten an langen Tischen vor Schorlegläsern der Abstimmung entgegen. | |
Achtzig Prozent von ihnen sind ältere Männer. Aber es gibt auch ein paar | |
Frauen. Und da, an einem der hinteren Tische, sitzen drei junge Männer mit | |
dunkler Haut. Wenn Peter Tauber Generalsekretär bleibt, könnten sie die | |
Zukunft der CDU werden. | |
9 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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