| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Wowi ist das schön | |
| > In Berlin steht die Abgeordnetenhauswahl an – und die Grünen haben nicht | |
| > weniger als vier Spitzenkandidaten. Was ist der Masterplan? | |
| Bild: Nicht Spitzenkandidatin ist jedenfalls Renate Künast | |
| Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zum Regierenden Bürgermeister von | |
| Berlin müssen wir Hauptstädter am 18. September zwischen vier | |
| Spitzenkandidaten allein von den Grünen unterscheiden. Was mache ich, wenn | |
| ich eine gut finde und drei andere nicht? | |
| Jetzt könnte man sagen: Du musst sie gar nicht unterscheiden können, sie | |
| stehen ja alle für dasselbe. Aber wozu sind es dann vier? Doch wohl nicht, | |
| damit man sie eben nicht unterscheiden kann und am Ende von keiner und | |
| keinem den Namen kennt. Geschweige denn weiß, was sie alle so wollen und | |
| planen. | |
| Oder ist genau das der Plan? Wenn ich die Grünen richtig verstehe, bestand | |
| ihr Problem bei der letzten Wahl ja darin, dass man ihre Spitzenkandidatin | |
| in der ganzen Stadt kannte. Und deshalb sagte: Also, die Künast wähl' ich | |
| auf keinen Fall. | |
| ## „Da müssen wir ran“ klang nach Zahnarzt | |
| Renate Künast hatte 2011 Veränderungsbedarf in der Stadt gesehen, im Amt | |
| des Regierenden Bürgermeisters und darüber hinaus. Und daher mit dem | |
| unvergessenen Slogan gedroht: „Da müssen wir ran!“ Das klang nach Zahnarzt | |
| und dabei schaute sie auch noch wie eine Beißzange. | |
| Jedenfalls drehten das Klaus Wowereits Wahlstrategen so hin. Da fühlte sich | |
| der sensible Berliner belästigt oder gar bedroht. Sollten hier etwa | |
| Fahrradwege gebaut und Flughäfen eröffnet werden, sollte am Ende gar die | |
| Verwaltung aufgeweckt werden, wo würde das alles hinführen? Dann doch | |
| lieber SPD. | |
| Der damalige Amtsinhaber garantierte den Stillstand, indem er sagte, es sei | |
| praktisch alles schon super. Nach der Wahl schickte er die Grünen gnadenlos | |
| in die Opposition, um sie ein für alle mal zu lehren, dass in Berlin | |
| gestaltende Politik darin besteht, Regierungsämter zu besetzen. | |
| Nun sieht es aus, als hätten die Grünen Wowereits Lektion geschluckt. Ist | |
| ja auch schwierig: Es gibt auf absehbare Zeit keine Regierung, der nicht | |
| entweder SPD oder CDU angehören. Eine sozialökologisch und kulturell | |
| moderne Stadtpolitik ist im Moment nicht realistisch und strukturell nicht | |
| mehrheitsfähig. Also verhält man sich möglichst still und hofft, am Ende | |
| die Posten der CDU zu kriegen und dann im Kleinen was schrauben zu können. | |
| Aber die Zeiten sind vorbei, in denen alles gut war, wenn halblinks statt | |
| halbrechts regierte. | |
| ## Wegducken ist auch keine Lösung | |
| Der Aufstieg der rechtspopulistischen AfD wird sich wohl am Sonntag in | |
| Mecklenburg-Vorpommern fortsetzen. Front National, FPÖ, Trump: Der | |
| zunehmende Zuspruch für nationalistische, anti-emanzipatorische, EU- und | |
| staatsfeindliche Populisten könnte dazu führen, dass die Entscheidung | |
| zunehmend nicht mehr zwischen halblinks und halbrechts fällt, sondern | |
| zwischen modern-gemäßigten Demokraten und radikalen Staatsverächtern. | |
| Das ist eine große Gefahr. Die Grünen können sie aber nicht bannen, indem | |
| sie die SPD oder die CDU retten wollen. Es gibt echten Bedarf an einer | |
| gemäßigt-alternativen Politik, und nun braucht es vertrauenswürdige und | |
| mehrheitsfähige Grüne Politiker, die bereit und in der Lage sind, durch | |
| Streit, aber auch durch Kompromissbereitschaft gesellschaftliche Mehrheiten | |
| für zukunftsweisende oder krisenlindernde Politik zu gewinnen: nicht nur | |
| für Fahrradwege, für das ganze Gemeinwesen, für die EU, für eine | |
| Überwindung des IS, für eine offene und emanzipierte Gesellschaft. | |
| Die charismatische und vertrauenswürdige Person, die auf dieses große Ganze | |
| verweist: Daraus wurden in Österreich 50,3 und in Baden-Württemberg 30,5 | |
| Prozent. | |
| Das konnte man sicher nicht auf Berlin übertragen. Aber wegducken ist auch | |
| keine Lösung und hält die Gesellschaft definitiv nicht zusammen. | |
| 3 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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