| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Bist du für oder gegen Merkel? | |
| > Früher war man selbstverständlich gegen die CDU-Kanzlerin. Aber was ist | |
| > jetzt? Für Merkel sein und damit gegen AfD, CSU und FAZ. | |
| Bild: Merkels Wahlplakat 2009. Da hatte man als Vandale die linke Mehrheit noch… | |
| An einem schönen Spätsommertag sah ich am Kranoldplatz in | |
| Berlin-Lichterfelde in die Hassfratzen von Männern und Frauen, die unsere | |
| parlamentarisch gewählte Bundeskanzlerin als „Volksverräter“ nach Sibirien | |
| deportieren wollen. Wie das im Totalitarismus mit realexistierender | |
| Schutzmauer ja Brauch war. Die Show dieser antidemokratischen, AfD-nahen | |
| Leute bei einer CDU-Wahlkundgebung mit Kanzlerin Angela Merkel war | |
| inszeniert. Aber der Hass in ihren Gesichtern ist echt. Und | |
| interessanterweise grenzenlos. Als die Nationalhymne gespielt war und die | |
| beige Kanzlerin am Seitenausgang in ihr großes Dienstauto stieg, dachte | |
| ich: Scheiße. Verdichtet sich die Gegenwart jetzt auf die eine Frage: Bist | |
| du für oder gegen Merkel? | |
| Früher war man selbstverständlich dagegen. Aber jetzt, da mit der | |
| Deportation der Kanzlerin auch das Ende der freien und offenen Gesellschaft | |
| gemeint ist: Muss man da nicht für Merkel sein und damit gegen AfD, CSU, | |
| Teile von CDU und FAZ, um das offene Deutschland und seine progressiven | |
| Errungenschaften zu verteidigen? Nicht dass Merkel das alles geschaffen | |
| hätte. Aber im postfaktischen Stimmungsland steht sie dafür. | |
| Die reale Geflüchtetenpolitik der EU und der Bundesregierung aus | |
| Merkel-CDU, Seehofer-CSU, Gabriel-SPD und (über den Bundesrat) Grünen hat | |
| dafür gesorgt, dass im Moment zu wenige Flüchtende nach Deutschland kommen | |
| können. Die „Zahl der Flüchtlinge nachhaltig reduzieren“, ruft Merkel flo… | |
| über den Kranoldplatz. Aber das hören diese Typis überhaupt nicht. Sie | |
| jaulen nur auf, wenn sie von „unserer humanitären Verantwortung“ spricht. | |
| Und dann fotografieren sich schlecht rotgefärbte AfD-Frauen und aus dem | |
| Nachmittagsschlaf gerissene CDU-Opis gegenseitig und schreien, dass sie das | |
| Volk seien und die jeweils anderen nicht. Dies alles zur Grundmelodie eines | |
| erstaunlich intelligenzbeleidigenden CDU-Landeswahlkampfs, der im Kern vor | |
| einem linksrotgrün versifften Berlin warnt. Also auch vor Merkel. | |
| Was kann man tun, wenn man EU und offene Gesellschaft ernsthaft in Gefahr | |
| sieht, aber die Zukunft weder mit Polizei wie der Berliner CDU-Kandidat | |
| Frank Henkel noch mit Stinkefingern wie SPD-Gabriel zu gewinnen können | |
| glaubt? | |
| Es wird nicht funktionieren, sich über den maximalen Gegensatz zur AfD zu | |
| definieren. Die hypermoralische Aufladung von Politik ist eine Beulenpest | |
| der Gegenwart. Wer absolut „humanitär“ sein will und nicht über Kapazitä… | |
| und geordnete Einwanderung reden möchte, die allen Beteiligten etwas | |
| bringt, der wird nicht das beste demokratische Ergebnis rausholen, sondern | |
| zum Scheitern beitragen. Daraus folgt: Merkel da unterstützen, wo sie das | |
| offene und geordnete Europa und Deutschland stützt. Merkel konkret | |
| kritisieren, wo etwas fehlt, damit Einwanderung und Integration | |
| einigermaßen hinhauen können. Geld für die Länder. Oder das von Daniel | |
| Cohn-Bendit geforderte EU-Kommissariat und Bundesministerium für | |
| Einwanderung, Asyl und Integration. Und bei aller Sorge muss man keine | |
| Ein-Themen-Mediengesellschaft akzeptieren und vor allem nicht die | |
| Zerstörung der Energiewende durch Merkel & Gabriel. | |
| Und deshalb ist die entscheidende Frage nicht: Ja oder nein zu Angela | |
| Merkel? Auch nicht: Welche Koalition regiert ab 2017? Sondern: Wie schafft | |
| man eine demokratische Mehrheit, die sich eben nicht nur in der Abgrenzung | |
| zur AfD ausdrückt und in alten gegenseitigen Vorurteilen von und über | |
| Parteien, sondern in einer völlig neu ausbalancierten Politik? Für eine | |
| emanzipatorische, freiheitliche Lebensweise. Auf einer einfachen, aber | |
| fundamentalen gemeinsamen Basis: im Zweifel ökosozial. | |
| 17 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Navid Kermani | |
| Abgeordnetenhauswahlen 2016 | |
| CDU | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Berlinwahl 2016 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Die eine Frage: Lieber Giovanni di Lorenzo | |
| Atomausstieg, Mülltrennung und keine Schwulenwitze: Haben wir in | |
| Deutschland eine Grüne Hegemonie, eine Grüne Kanzlerin, eine Grüne | |
| Allmacht? | |
| Kolumne Die eine Frage: Sein Name fängt mit K an | |
| Wer ist der richtige Bundespräsident für die „Wir schaffen | |
| das“-Gesellschaft? Es ist einer, der maßvoll ist, seiner Zeit voraus und | |
| mit „K“ beginnt. | |
| Kolumne Die eine Frage: Eingemauert im Stammwählerdorf | |
| Die Grünen haben in Berlin eine desaströse Niederlage erlitten. Wie schon | |
| in etlichen Landtagswahlen zuvor. Was folgt daraus für den Bund? | |
| Streit zwischen CSU und CDU: Drohend aufeinander zugehen | |
| Im Konflikt um Merkels Flüchtlingspolitik sprechen CDU-Politiker von einer | |
| Ausdehnung nach Bayern. Schäuble nimmt derweil Seehofer in Schutz. | |
| Debatte Die Kanzlerin und der Populismus: Merkel geht in die Knie | |
| Demokratie ist ein Kampf um Ideen, die den Weg zum Handeln weisen, nicht um | |
| populistische Gewinne. Daran sollten wir uns wieder erinnern. | |
| Kommentar Merkels Fehlereingeständnis: Bis der Horst endlich Ruhe gibt | |
| Die Kanzlerin hat keinen Kotau vor Seehofer gemacht, sondern Realitätssinn | |
| bewiesen. Bis zum Parteitag wird der CSU-Chef aber nicht von ihr ablassen. | |
| CSU und Merkels Flüchtlingspolitik: Bayern wittert Kurswechsel | |
| In der CSU wird davor gewarnt, es mit der Kritik an der Flüchtlingspolitik | |
| der Kanzlerin zu übertreiben. Das richtet sich besonders an Generalsekretär | |
| Scheuer. | |
| Angela Merkel und die Berlin-Wahl: Nochmal mit Gefühl | |
| Die Kanzlerin übernimmt zwar die Verantwortung – doch am CDU-Absturz in | |
| Berlin ist auch Frank Henkels Politik schuld. | |
| Kolumne Die eine Frage: Wowi ist das schön | |
| In Berlin steht die Abgeordnetenhauswahl an – und die Grünen haben nicht | |
| weniger als vier Spitzenkandidaten. Was ist der Masterplan? |