# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Sein Name fängt mit K an | |
> Wer ist der richtige Bundespräsident für die „Wir schaffen | |
> das“-Gesellschaft? Es ist einer, der maßvoll ist, seiner Zeit voraus und | |
> mit „K“ beginnt. | |
Bild: Erraten Sie selbst, wer der nächste Bundespräsident werden sollte! | |
Früher hießen die berühmten drei Worte: Ich liebe dich. Heute lauten sie: | |
Wir schaffen das. Aber sie werden in einer Minderheit der Gesellschaft so | |
rausgepresst, dass sie „Ich hasse dich“ meinen. | |
Weshalb Angela Merkel ihren Satz unlängst entsorgt hat. | |
Das schien ihr machtpolitisch offenbar nötig, weil Teile ihrer Union und | |
auch Medien durchgedreht waren oder so getan haben. Es ist aber inhaltlich | |
falsch. Die deutsche und die europäische Gesellschaft brauchen diesen Satz. | |
Deshalb war es so wichtig, dass Daniel Cohn-Bendit ihn gerettet hat. | |
Vorigen Montag bei seiner „Rede an die deutsche Nation“ in der Frankfurter | |
Paulskirche. | |
Cohn-Bendit sprach als europäischer Weltpolitiker jenseits einzelner | |
Parteien. Er ging aus vom Grundgesetz der Bundesrepublik und dessen Artikel | |
1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Das ist keine Feststellung“, | |
sagte er, „das war ein Auftrag und ein Wunsch: Wir wollen eine solche | |
Gesellschaft.“ Genauso verhalte es sich mit Merkels Satz, der „aus der | |
Tiefe ihrer Wünsche“ gekommen sei. Sie wünscht sich eine Gesellschaft, die | |
„das“, die Aufnahme und Integration von Geflüchteten, schaffen will. | |
## Schwafelexegese, für den Arsch | |
Boris Palmer hatte recht, dass die Frage des Wie von der Bundesregierung | |
viel zu spät angegangen wurde. Aber die ganze Schwafelexegese (Wer ist | |
„wir“? Was ist „schaffen“? Was ist „das“?) war voll für den Arsch. | |
Tatsächlich leitete Merkel ihren Satz beim ersten Mal mit den Worten ein: | |
„Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir schaffen | |
das.“ Es ist unser Ziel, es zu schaffen. | |
Was Merkels reale europäische Politik angeht, so steht sie doppelt in der | |
Kritik. Den einen ist sie immer noch zu offen, den anderen längst zu | |
rigide. Faktisch gewährt Deutschland in der EU jedenfalls den meisten | |
Geflüchteten zumindest temporäre Zuflucht. | |
Worum es geht: „Wir schaffen das“ ist keine Leerformel und auch kein | |
Appell, alle reinzulassen. Es kann ein Schwur werden, sich als Mehrheit | |
(dafür steht das „Wir“) aus der Illusion ewiger Gegenwart oder aus der | |
ewigen Opposition zu verabschieden und durch aktive Gestaltung das Beste | |
aus der unvermeidlichen Veränderung zu machen. Für weltweit über 60 | |
Millionen Mitmenschen auf der Flucht, aber selbstverständlich auch für | |
einen selbst. | |
Es geht darum, eine Mehrheit dauerhaft auf die von ihr gewünschte | |
Gesellschaft zu verpflichten. Auf der für Rechte wie Linke maßgeblichen | |
Basis unseres Grundgesetzes (das keine Obergrenze für Asylgewährung | |
zulässt). Wer den Schwur leistet, verpflichtet sich, etwas beizutragen, | |
damit sich die Wirklichkeit dem Gewünschten annähert. Über CSU- oder | |
AfD-verdammende Tweets hinaus. | |
## Egal ob Katholik oder Muslim | |
Genauso verhält es sich mit der sozialökologischen Transformation unseres | |
Wirtschaftens. Wir schaffen sie. Indem wir sie schaffen. Aber dazu braucht | |
es eine entsprechend beauftragte Regierung. Danach kommt zwar, wie immer, | |
die Mühe der gesellschaftlichen und politischen Realität. Aber das Ziel am | |
Horizont ist klar. | |
Und wenn wir eine sozialökologische, offene Mehrheitsgesellschaft des | |
diskursiven „Wir schaffen das“ sein wollen, dann braucht es einen | |
Bundespräsidenten, der das befördert. Und keinen, der von | |
Parteimikrostrategen ausgemauschelt wird. | |
Ob dieser Mensch eine Frau ist, katholisch, Agnostiker oder Muslim, ist | |
nicht maßgeblich. Wir brauchen jetzt einen, der maßvoll seiner Zeit | |
vorangeht. Einen Bundespräsidenten des intellektuell-empathischen „Wir | |
schaffen das“, der das neue, heterogene Team zusammenschweißt und den | |
Spirit prägt. Je weiter weg von den Bundesparteien, desto besser. | |
Ich wüsste einen: Sein Name fängt mit „K“ an. Und hört mit „ermani“ … | |
9 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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