# taz.de -- Zweckentfremdung von Wohnraum: Eine Wohnung, viele Fragen | |
> Seit Mai ist es in Berlin verboten, Wohnraum als Ferienwohnung zu | |
> vermieten. Doch in der Umsetzung des Gesetzes hapert es. taz hat die | |
> Bezirke befragt. | |
Bild: Wohnst du noch oder vermietest du schon? | |
Seit drei Wochen gilt es: das Verbot, Wohnraum als Ferienwohnungen an | |
Touristen in Berlin zu vermieten. Das regelt das | |
Zweckentfremdungsverbotsgesetz. An der Umsetzung hapert es allerdings. Der | |
Gesetzestext bietet Interpretationsspielraum. Das führt dazu, dass man nach | |
der Lektüre des Gesetzes immer noch nicht genau versteht, was jetzt erlaubt | |
ist und was verboten. Und wann genau ist eine Wohnung eigentlich eine | |
Ferienwohnung? Die taz hat bei Bezirken und Senat nachgefragt, wie sie das | |
Zweckentfremdungsverbot umsetzen. | |
Die Ämter in Spandau, Neukölln und Steglitz-Zehlendorf saßen eine Antwort | |
komplett aus. Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf verwiesen auf die | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, die die zentralen | |
Ausführungsvorschriften erlassen habe. Diese antwortete stellvertretend für | |
einige Bezirke auf unsere Fragen rund um das Verbot. Einzig aus | |
Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow kam eine separate Rückmeldung. Und eine | |
separate Auslegung des Gesetzes. | |
Einig ist man sich bei den Bezirken und dem Senat in diesen Punkten: Der | |
Wohnungstausch ist nicht illegal. Vielmehr ist es erlaubt, einen Teil der | |
Wohnung zu vermieten, wenn dieser Teil weniger als die Hälfte der Wohnung | |
ausmacht. | |
## Vermisst: Die Definition einer Ferienwohnung | |
Dissens zwischen der Senatsverwaltung und vor allem dem Bezirksamt Pankow | |
herrscht jedoch bei der Definition, was eine Ferienwohnung ist – im | |
Gegensatz zum Senat hat Pankow eine eigene Definition für die | |
Ferienwohnungen parat. So teilt das Bezirksamt Pankow mit, dass unter | |
anderem eine „Kochgelegenheit“ Voraussetzung für den Status „Ferienwohnu… | |
ist. Beim Senat jedoch gebe es keine explizite Definition, was eine | |
Ferienwohnung sei, so Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung und Umwelt. | |
Pallgen benennt lediglich Kriterien wie das Bereitstellen von Bettwäsche | |
oder das mehrmalige Vermieten an jeweils unterschiedliche Personen als | |
Indizien für das illegale Vermieten. Dass es keine einheitliche Definition | |
gibt, spiegelt sich spätestens in der Auslegung des Gesetzes wider. | |
Die taz gibt ein Beispiel: Frau C. wohnt in einer Einzimmerwohnung, ist | |
jedoch dreimal im Jahr für sechs Wochen verreist. In dieser Zeit möchte sie | |
ihre Wohnung vermieten. Ob das möglich wäre, fragte die taz bei den | |
Behörden nach: Die Senatsverwaltung hält das Vorhaben von Frau C. für | |
unbedenklich und legitim, wenn der Untermieter oder die Untermieterin zu | |
einem üblichen Mietpreis seinen Lebensmittelpunkt für diese Zeit nach | |
Berlin verlegt. | |
Pankow sieht hier längst rot. „Die Vermietung in der dargestellten Form ist | |
unzulässig und kann nicht genehmigt werden“, schreibt der Pankower | |
Bezirksstadtrat Torsten Kühne. „Jede Nutzung, die über eine Eigennutzung | |
hinausgeht, also auch die temporäre Vermietung als Ferienwohnung, stellt | |
durchaus eine Zweckentfremdung dar“, so Kühne. | |
## Die einmalige Vermietung ist erlaubt. Oder? | |
Auch eine Vorgabe von zwei Monaten Mindestmietzeit bei einmaliger | |
Vermietung findet sich nur in der Pankow’schen Auslegung des Gesetzes. | |
Kühne merkt jedoch an, dass diese Passage gestrichen werden solle. Der | |
Bezirk macht sich hier offenbar folgende Regel zur Handlungsgrundlage: | |
Legal ist, wenn die Untervermietung von Wohnraum einmalig geschieht und der | |
Untermieter oder die Untermieterin in der Zeit seinen Lebensmittelpunkt in | |
der Hauptstadt hat. | |
In Friedrichshain-Kreuzberg gilt das Gleiche: Auch hier wäre es erlaubt, | |
wenn Frau C. einmal im Jahr ihre Wohnung vermietet, wobei die Dauer der | |
Vermietung keine Rolle spiele. Denn nur „die mehrmalige entgeltliche | |
tageweise Vermietung einer Wohnung an Touristen“ sei verboten, so | |
Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler. | |
Doch damit noch nicht genug. Auch in kleinsten Gesetzespassagen steckt | |
großer Auslegungsspielraum. Knackpunkt des Gesetzes: das Wörtchen | |
„wiederholt“. Pankow interpretiert die Frage, was genau mit einer | |
„wiederholten Vermietung“ gemeint ist, so, dass „nur die einmalige | |
Vermietung pro Wohnung zulässig ist“. Das heißt, ab dem zweiten Mal, egal | |
in welchem Zeitraum, liege eine Zweckentfremdung vor. | |
Für Ferienwohnungsbetreiber in Friedrichshain-Kreuzberg darf die Vermietung | |
einer Wohnung jedoch nur einmal pro Jahr erfolgen, sagt Bezirksstadtrat | |
Mildner-Spindler. Offen bleibt also, was genau in den einzelnen Bezirken | |
verboten ist, die „wiederholte“ Vermietung pro Wohnung oder pro Jahr? | |
## Home Sharing ist nicht gleich Ferienwohnung | |
Die Recherche zeigt, dass das Verbotsgesetz in wesentlichen Bereichen nicht | |
klar definiert ist. Was also hält die Online-Wohnungsvermittlung Airbnb von | |
der unterschiedlichen Auslegung? Schließlich dürfte die Plattform einer der | |
großen Verlierer der neuen Gesetzeslage in Berlin sein. | |
„Wir sind nicht gegen das Zweckentfremdungsverbot“, sagt Julian Trautwein, | |
Sprecher von Airbnb Deutschland. Es sei vonseiten des Senats vor allem | |
notwendig, das Thema Homesharing von einer Ferienwohnung zu unterscheiden. | |
Homesharing sei, wenn BerlinerInnen die eigene Wohnung mit Gästen teilen, | |
so Trautwein, während das Betreiben einer Ferienwohnung rein kommerziellen | |
Zwecken diene. „Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz ist komplex und | |
unverständlich“, sagt Trautwein. | |
Plattformen wie Airbnb müssen seit Inkrafttreten des Verbots auf Anfrage | |
des Senats Daten von Nutzern, die über das Onlineportal ihre Wohnung | |
vermieten, herausgeben. Das war aber noch nicht der Fall: „Wir haben bisher | |
noch keine formelle Anfrage vom Senat zu Daten von NutzerInnen bekommen“, | |
so Trautwein auf taz-Nachfrage. | |
## Die Wohnungen müssen zurück auf den Markt | |
Dass die Ämter bisher noch nicht richtig durchgreifen, liegt also an gleich | |
mehreren Faktoren: Die Ungenauigkeit des Gesetzestextes und die Uneinigkeit | |
zwischen den Bezirken und dem Senat erschweren die zügige Bearbeitung der | |
Einzelfälle. Außerdem werden die zusätzlichen MitarbeiterInnen in vielen | |
Bezirken erst Anfang Juni eingestellt. Die Gefahr scheint groß, dass der | |
eigentliche Effekt, den zweckentfremdeten Wohnraum zurück auf den Markt zu | |
bringen, auf der Strecke bleibt. | |
23 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Eva Schneider | |
Sophie Schmalz | |
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