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# taz.de -- Spitzel beschäftigte NSU-Mann: Die „einzig relevante Quelle“
> Ein V-Mann soll Uwe Mundlos beschäftigt haben, der NSU-Ausschuss im
> Bundestag wird aktiv. Der Vorsitzende sieht eine „neue Dimension“ der
> Affäre.
Bild: In beiden Straßen in Zwickau soll Ralf Marschner, ehemals V-Mann „Prim…
BERLIN taz | Der Bundesverfassungsschutz war mit seinem V-Mann „Primus“
überaus zufrieden. Die Quelle berichte „über das gesamte Spektrum der
Aktivitäten rechtsextremer Skinheads“, lobte das Amt vor wenigen Jahren in
einem Vermerk. Sein V-Mann-Führer bestätigte, „Primus“ sei damals „die
einzig wirklich relevante Quelle in dem subkulturellen Bereich in den neuen
Bundesländern“ gewesen. Auch seine Glaubwürdigkeit lobte das Amt: Dessen
Berichte seien „wahrheitsgetreu“ gewesen.
Heute dürfte der Verfassungsschutz weniger euphorisch über seinen früheren
V-Mann sprechen. Denn just dieser „Primus“ soll Anfang der nuller Jahre den
NSU-Terroristen Uwe Mundlos in seiner Zwickauer Abrissfirma beschäftigt
haben – während dessen Untergrundzeit und der laufenden Mordserie, der am
Ende zehn Menschen zum Opfer fielen.
Damit steht der Geheimdienst nun wieder im Mittelpunkt der NSU-Affäre – und
im Fokus des Untersuchungsausschusses im Bundestag. „Wir werden uns mit dem
Fall zügig beschäftigen“, sagte deren Vorsitzender Clemens Binninger (CDU).
„Wenn sich das so erhärtet, wäre das eine neue Dimension.“
Was war geschehen? Hinter „Primus“ steckt die frühere Zwickauer
Neonazigröße Ralf Marschner, in der Szene „Manole“ genannt. Ein stämmiger
Typ mit Glatze, Musiker in Rechtsrockbands, bestens vernetzt, Hang zur
Gewalt. 1991 soll er an einem Angriff auf eine Zwickauer Asylunterkunft
beteiligt gewesen sein. Ein Jahr später wird er V-Mann des
Bundesverfassungsschutzes. Zehn Jahre dient er dem Amt als Top-Quelle.
Monatliches Salär: rund 600 DM.
## Am Spitzbart erkannt
Parallel betrieb Marschner mehrere Geschäfte, von 2000 bis 2002 auch eine
Abrissfirma. Dort nun soll Uwe Mundlos angestellt gewesen sein, als
Vorarbeiter, unter dem Decknamen Max-Florian Burkhardt. Die [1][Welt ]
berichtete darüber als erstes.
Ein früherer Bauleiter bestätigte am Donnerstag der taz, dass er sich „100
Prozent sicher“ sei, dass es Mundlos war, der für Marschner arbeitete. Auf
Fotos habe er ihn „ohne Zweifel“ erkannt, am damaligen Spitzbart und den
kleinen Warzen oberhalb des Auges.
Tatsächlich lebte das NSU-Trio damals in einer Wohnung in Zwickau und
Mundlos hatte einen Ausweis unter dem Namen „Max-Florian Burkhardt“. Der
Mann war ein früher Helfer des NSU: dem Trio stellte er eine Wohnung,
später auch Papiere zur Verfügung.
Der echte Max-Florian Burkhardt war am Donnerstag nicht erreichbar. Der
Welt aber versicherte er, er habe nie für Marschner gearbeitet und legte
entsprechende Angestelltennachweise für die Zeit vor.
## Der Ex-Spitzel taucht am Donnerstag ab
Was also sagt Marschner? 2007 war er aus Zwickau verschwunden. Heute
betreibt der 44-Jährige in Liechtenstein einen Antiquitätenhandel. Dort
taucht er am Donnerstag nun wieder ab. Ans Telefon geht er nicht, E-Mails
bleiben unbeantwortet. Die Facebookseite seines Ladens ist plötzlich
gelöscht.
Der frühere V-Mann stand schon länger im Fokus. Im Vergleich zu anderen
Spitzeln aus dem NSU-Umfeld aber blieb er eher unbeachtet. Vor einen
Untersuchungsausschuss wurde er nicht geladen, im Münchner NSU-Prozess war
er kein Zeuge. Dabei gab es Fragezeichen.
Schon länger bekannt war die Aussage eines früheren Geschäftspartners: Der
behauptete, Beate Zschäpe habe einige Jahre später in einem Geschäft mit
Szenemode von Marschner gearbeitet. Die Polizei befragte mehrere Zeugen:
Die Geschichte ließ sich nicht erhärten.
Ein anderer Zeuge wiederum sagte, er habe Marschner 1998 auf einem
Fußballturnier gesehen, in Begleitung von Mundlos und Uwe Böhnhardt.
Marschner habe nach Waffen gefragt. Der sagte bei einer Befragung, er könne
sich nicht daran erinnern.
## Verdächtige Auto-Anmietungen
Zudem waren just am 13. Juni 2001 und 29. August 2001 von Marschners
Baufirma Autos angemietet. In dieser Zeit soll Mundlos dort gearbeitet
haben und an beiden Terminen gab es NSU-Morde: an dem Nürnberger Abdurrahim
Özüdoğru und dem Münchner Habil Kılıç. Die Autos wurden mit hohen
Kilometerständen zurückgegeben. Marschner aber gab sich auch hier
unwissend: An eine Anmietung könne er sich nicht erinnern, erklärte er. Im
anderen Fall hätten Mitarbeiter den Wagen genutzt.
Direkt nach den Untergetauchten befragt, hatte Marschner schon 1998
behauptet, diese nicht zu kennen. Nach dem Auffliegen der Terrorgruppe
2011, und nochmals vom BKA vorgeladen, blieb er dabei.
Die Fülle der Hinweise aber machte schon länger stutzig. Und Marschner
räumte immerhin ein, mehrere NSU-Helfer aus dem militanten
„Blood&Honour“-Netzwerk und den Zwickauer André E. zu kennen. Letzterer war
bis zum Schluss engster Vertraute des NSU-Trios und ist heute Angeklagter
im Münchner NSU-Prozess. Nur von den Untergetauchten will Marschner im
kleinen Zwickau nichts mitbekommen haben?
Die Anstellung von Mundlos ließe seine Rolle nun anders aussehen. Wusste
Marschner, wen er da beschäftigte? Informierte er darüber den
Verfassungsschutz? Letzteres wäre mehr als ein Skandal. Denn der NSU
mordete ungehindert weiter.
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bestreitet, dass sein Amt etwas
gewusst habe: „Nach unserer Erkenntnislage und nach den Auskünften der
damals dafür zuständigen Mitarbeiter haben wir keine Anhaltspunkte dafür,
dass es so war.“
## V-Mann-Führer war im NSU-Ausschuss
Damit aber will sich der NSU-Ausschuss im Bundestag nicht zufrieden geben.
Schon im Mai 2013 wurde Marschners V-Mann-Führer, Decknahme Richard
Kaldrack, in der ersten Ausschussrunde befragt. Er beteuerte, seine Quelle
habe nichts über das Trio berichtet. Informationen hätte „Primus“ in jedem
Fall weitergegeben, schließlich hätte das eine „erhebliche Sonderprämie“
bedeutet.
Schon damals aber, erinnert sich der heutige Ausschussvorsitzende Clemens
Binniger, blieben Zweifel. Nun stünden neue „schwere Fragen im Raum“. „W…
wusste tatsächlich alles vom Aufenthaltsort des Trios? Und warum ist dieses
Wissen nie zu den Fahndern gelangt?“
## „Alles auf den Tisch“
Andere belassen es nicht bei Fragen. „Die Bundesregierung muss jetzt dafür
sorgen, dass alle Akten auf den Tisch kommen“, fordert die Linken-Obfrau
Petra Pau. „Es geht jetzt nicht mehr um das Wohl der Regierung, sondern um
das Staatswohl. Das müssen sie endlich begreifen.“ Auch der SPD-Obmann Uli
Grötsch forderte, alle Verfassungsschutzsakten über Marschner „unverzüglich
dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen“. Der Verdacht gegen das Amt „wiegt
schwer“.
Noch im Februar hatte die Linksfraktion eine Anfrage an die Bundesregierung
zum Spitzel „Primus“ gestellt. Das Innenministerium lehnte eine Antwort ab:
Zu V-Leuten gebe man „aus Gründen des Staatswohls“ keine Auskunft.
7 Apr 2016
## LINKS
[1] http://m.welt.de/politik/deutschland/article154082719/NSU-Moerder-arbeitete…
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
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