# taz.de -- NSU-Prozess in München: Richter drücken aufs Tempo | |
> Ein einstiger V-Mann, der NSU-Mitglieder beschäftigt haben soll, wird | |
> nicht zum Prozess vorgeladen. Der Richter will wohl zum Ende kommen. | |
Bild: Nähert sich das Urteil? Beate Zschäpe im NSU-Prozess | |
MÜNCHEN taz | Manfred Götzl hat offenbar langsam genug. Der Vorsitzende | |
Richter im Münchner NSU-Prozess und seine Senatskollegen lehnten am | |
Mittwoch ab, den früheren V-Mann des Bundesverfassungsschutzes Ralf | |
„Primus“ Marschner vorzuladen. Dies sei für die Entscheidung des Gerichts | |
„ohne Bedeutung“. | |
Schon zuvor hatte Götzl die Ablehnung mehrerer Beweisanträge aus der Riege | |
der Opferanwälte verkündet. Der Fall Marschner aber ist besonders heikel. | |
Die Anwälte wollten den V-Mann in den Prozess laden, da dieser im Verdacht | |
steht, das frühere NSU-Mitglied Uwe Mundlos in seiner Zwickauer Baufirma | |
beschäftigt zu haben – während dessen Zeit im Untergrund, zwischen 2000 und | |
2002. Die offene Frage: Kannte dann auch der Verfassungsschutz den | |
Aufenthaltsort? Ein Zeuge hatte zudem berichtet, dass Jahre später auch | |
Beate Zschäpe in einem Szeneladen Marschners arbeitete. | |
Götzl sagte, im jetzigen Stadium des Prozesses sei eine Befragung | |
Marschners nicht mehr notwendig. Selbst wenn sich bewahrheite, dass Mundlos | |
und Zschäpe bei dem früheren Neonazi beschäftigt waren, habe dies für das | |
Urteil keine Bedeutung. Zudem lebt Marschner inzwischen im Ausland, in der | |
Schweiz – was es leichter macht, Zeugen nicht vorladen zu müssen. | |
## „Keine ernsthafte Aufklärung“ | |
Die Opferanwälte reagierten empört. Sebastian Scharmer, Anwalt der Tochter | |
des 2006 in Dortmund erschossenen Mehmet Kubasik, nannte den Beschluss | |
„einen Rückschlag für das Aufklärungsinteresse“ seiner Mandantin. | |
„Marschner wäre einer der wichtigsten Zeugen in diesem Prozess gewesen.“ | |
Dieser, so Scharmer, hätte über die Untergrundjahre des NSU in Zwickau | |
berichten können, über das Verhältnis des Trios untereinander und ihre | |
Szenevernetzung vor Ort. Das werde nun unterbunden. Auch die Opferanwälte | |
Alexander Hoffmann und Björn Elberling warfen dem Gericht vor, „ernsthafte | |
Aufklärung zu verweigern“. | |
Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft hatten indes zuvor erklärt, sie | |
hätten „keine Anhaltspunkte“ dafür, dass Mundlos und Zschäpe bei Marschn… | |
angestellt waren. Für Aufsehen sorgte diese Woche jedoch, dass Dokumente zu | |
Marschner – eine Zeugenaussage zu einem Tötungsdelikt 1999 – verschollen | |
sind. Laut der Staatsanwaltschaft Chemnitz wurden diese 2010 „durch in | |
Archivräume eingedrungenes Hochwasser vernichtet“. | |
Drei Jahre Prozess, 282 Verhandlungstage | |
Die Richter im Münchner NSU-Prozess drücken nun aufs Tempo. Dort wird seit | |
Mai 2013 und 282 Prozesstagen gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche | |
NSU-Helfer verhandelt. Weite Teile der Beweisaufnahme sind inzwischen | |
erledigt. Offenbar wollen die Richter nun auch keine neuen Komplexe mehr | |
eröffnen. | |
Zuletzt hatten sie Anträge abgelehnt, Verbindungen des Trios in die | |
organisierte Kriminalität zu prüfen oder nochmals dem Fall des | |
Brandenburger V-Manns Piatto nachzugehen, der früh Hinweise auf das | |
untergetauchte Trio gab. All dies, so die Richter, sei nicht | |
urteilsrelevant. | |
Allein die Plädoyers der Bundesanwaltschaft, Verteidiger und | |
Nebenklageanwälte werden aber noch Wochen in Anspruch nehmen. Ein Urteil | |
könnte bis zum Jahresende fallen. | |
11 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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