# taz.de -- Neue NSU-„Panne“: Eine Blamage mehr | |
> Der Verfassungsschutz findet ein Handy eines V-Manns aus dem NSU-Umfeld | |
> in einem Schrank – der angeblich schon vier Mal durchsucht wurde. | |
Bild: Immer noch ein Politikum: der einstige V-Mann Thomas Richter | |
BERLIN taz | Der Verfassungsschutz ist in der NSU-Affäre um eine Blamage | |
reicher: Das Amt gestand dem NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag, dass | |
es im vergangenen Jahr ein bisher unbekanntes Handy des verstorbenen | |
V-Manns Thomas „Corelli“ Richter in einem Tresor in seinem Amt fand – | |
obwohl dieser zuvor angeblich bereits vier Mal durchsucht worden sei. Und | |
weitere Monate vergingen, bevor das Telefon dem BKA für Ermittlungen | |
übergeben wurde. | |
„Corelli“ gehört zu den ominösesten V-Leute im NSU-Komplex. 18 Jahre lang | |
diente er dem Bundesverfassungsschutz als Topquelle, kassierte dafür | |
300.000 Euro. Und: Richter stand 1998 auch auf einer Kontaktliste des | |
späteren NSU-Mitglieds Uwe Mundlos. Zudem übergab der V-Mann dem | |
Verfassungsschutz bereits 2005 eine CD mit dem Titel „NSU/NSDAP“ – die | |
unausgewertet in den Regalen verstaubte. Im April 2014 verstarb der | |
39-Jährige dann plötzlich an einer unerkannten Diabetes. | |
Corelli beschäftigte deshalb schon länger den Bundestag, das BKA und auch | |
einen eigens eingesetzten Sonderermittler, den Grünen Jerzy Montag. Trotz | |
dieser heiklen Personalie informierte der Verfassungsschutz den | |
NSU-Untersuchungsausschuss über den Handyfund erst jetzt. | |
Nach taz-Informationen hatte Thomas Richter das Handy vom Frühjahr bis | |
Herbst 2012 genutzt – also wenige Monate nach Auffliegen des NSU. Als der | |
V-Mann damals enttarnt wurde und eine neue Identität bekam, landete das | |
Telefon bei „Corellis“ V-Mann-Führer im Verfassungsschutz. Seitdem soll es | |
dort unausgewertet in einem Panzerschrank gelegen haben – in einem Umschlag | |
mit der Aufschrift „privat beschafft“. | |
## Jahrelang im Panzerschrank | |
Erst im Herbst 2015 sei das Telefon bei einem Bürowechsel wiederentdeckt | |
worden. Obwohl der Panzerschrank zuvor angeblich schon vier Mal durchsucht | |
wurde. Dann landete das Handy bei Technikexperten des Verfassungsschutz. | |
Doch erst im April diesen Jahres soll es gelungen sein, das Handy dem | |
früheren Spitzel zuzuordnen. | |
Auf dem Handy befinden sich nach taz-Informationen mehrere hundert Fotos | |
und rund 200 Kontakte, darunter etliche Größen der rechtsextremen Szene. Ob | |
darunter auch NSU-Kontaktleute sind, ist noch ungeklärt. Eine Sprecherin | |
der Bundesanwaltschaft sagte am Donnerstag, das Mobiltelefon werde derzeit | |
noch ausgewertet. | |
Der Verfassungsschutz selbst äußerte sich bisher nicht zu dem Fall. Auch | |
bleibt offen, warum die Hausleitung spätestens seit April von dem Fund | |
wusste – aber erst jetzt den NSU-Untersuchungsausschuss informierte. | |
## „Verfassungsschutz ist überflüssig und gefährlich“ | |
Die dortigen Mitglieder reagierten empört. Der Ausschussvorsitzende Clemens | |
Binninger (CDU) nannte den Vorgang „sicher kritikwürdig“. Die Linken-Obfrau | |
Petra Pau sagte, der Fall bestärke ihre Position, dass der | |
Verfassungsschutz „überflüssig und gefährlich“ sei. | |
Corelli selbst hatte zu Lebzeiten einen Kontakt zum NSU bestritten. Auch | |
der Sonderermittler Jerzy Montag hatte resümiert, dass es dafür keine | |
Belege gebe. Das Nichtauswerten der „NSU“-CD nannte er „grob regelwidrig�… | |
Allerdings sei eher unwahrscheinlich, dass damit tatsächlich der NSU um | |
Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeint war. | |
Montag sagte damals auch, er habe den Eindruck, dass ihm alle Informationen | |
zu Corelli vorgelegt wurden. Zumindest das ist nun hinfällig. | |
12 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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