| # taz.de -- Wissenschaftler über Täterkinder: „Gegen das Schweigen“ | |
| > Täterkinder und -enkel kommen in dem neuen Buch der KZ-Gedenkstätte | |
| > Neuengamme ebenso zu Wort wie Wissenschaftler. Das ist eine fruchtbare | |
| > Kombination. | |
| Bild: Steile Karriere: der KZ-Kommandant Martin Weiß (M.) mit seiner Frau (3.v… | |
| taz: Herr von Wrochem, es gibt schon etliche Bücher über NS-Täterkinder und | |
| -enkel. Was bietet Ihr Band Neues? | |
| Oliver von Wrochem: Eine Kombination wissenschaftlicher und | |
| lebensgeschichtlicher Zugänge. Normalerweise treffen sich diese beiden | |
| Gruppen nicht. Aber auf zwei Tagungen in der [1][KZ-Gedenkstätte | |
| Neuengamme], deren Resultate in das Buch eingingen, trafen sich beide | |
| Menschengruppen und lernten voneinander. | |
| Inwiefern? | |
| Jede Gruppe meinte, die andere hätte einen blinden Fleck. Die | |
| Täternachfahren fanden, die Wissenschaftler vernachlässigten den | |
| familienhistorischen Aspekt. Die Forscher wiederum sagten, man solle die | |
| Familiengeschichte nicht zu stark betonen, da es viele andere Faktoren gebe | |
| – politische wie kulturelle. | |
| Ihr Band enthält neben wissenschaftlichen Aufsätzen Berichte von | |
| Täternachfahren. Wonach haben Sie sie ausgewählt? | |
| Sie stammen überwiegend von Menschen, die unsere halbjährlichen Seminare | |
| „Ein Täter in der Familie?“ besucht haben. Viele kamen mehrfach und fragten | |
| sich irgendwann: Wie kann ich mit dem, was ich recherchiert und | |
| herausgefunden habe, Vorbild für andere sein? Wie kann ich sie ermutigen, | |
| trotz aller Widerstände diesen Weg zu gehen? Es entstand das Bedürfnis, | |
| eigene Erfahrungen mitzuteilen und ein öffentliches Zeichen zu setzen gegen | |
| die immer noch schweigende Mehrheit, die sich der eigenen | |
| Familiengeschichte nicht stellt. | |
| Sprechen Täterenkel generell offener als Täterkinder? | |
| Im Allgemeinen ja. Die Enkel haben einen größeren Abstand zur | |
| Erlebnisgeneration, die an Verbrechen beteiligt war oder sie unterstützte. | |
| Zwar gibt es auch in der Kindergeneration einige, die ihren Eltern | |
| gegenüber sehr schonungslos sind. Aber meist haben erst die Enkel genug | |
| emotionale Distanz, um den Mythos vom unschuldigen Großvater weder | |
| fortzuführen noch wütend zu zerstören. Deshalb können die Enkel ihre | |
| Großeltern oft eher in ihrer Widersprüchlichkeit sehen und weniger hart | |
| verurteilend oder verteidigend wahrnehmen. | |
| Sie haben auch die Nachkommen des SS-Manns Martin Weiß interviewt. Wie kam | |
| das? | |
| Sie kamen in eines unserer Seminare. Martin Weiß war Kommandant der KZ | |
| Neuengamme, Dachau und Majdanek war und in der SS eine recht steile | |
| Karriere machte. Da stellen sich für die Nachfahren und ihre Ehepartner | |
| natürlich Fragen: Behalten wir das weiter für uns oder gehen wir damit an | |
| die Öffentlichkeit? | |
| Herrn Weiß‘ Sohn und dessen Frau haben es gewagt. | |
| Ja, ich habe sie im Buch porträtiert und für die Film-DVD interviewt, | |
| wodurch sie zu öffentlichen Figuren werden. Sie kommen vielleicht in die | |
| Presse. Das sind Dinge, vor denen sie vorher geschützt waren, weil sie | |
| nicht öffentlich darüber sprachen. | |
| 30 Mar 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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