# taz.de -- Entscheidung des EuGH: Drei Monate ohne Hartz IV sind okay | |
> Einreisende EU-Bürger dürfen ein Vierteljahr lang von Hartz-IV-Leistungen | |
> und Sozialhilfe ausgeschlossen werden – ohne Einzelfallprüfung. | |
Bild: Schon 2014 hatte der EuGH im Fall einer Rumänin die Verweigerung von Har… | |
Freiburg taz Die Bundesrepublik darf EU-Bürgern in den ersten drei Monaten | |
ihres Aufenthalts in Deutschland generell Hartz-IV-Leistungen und | |
Sozialhilfe verweigern. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) | |
entschieden. Die deutsche Gesetzeslage verstoße nicht gegen EU-Recht. | |
Konkret ging es um den Fall der spanischen Familie Garcia-Nieto, die 2012 | |
nach Recklinghausen zog. Zuerst kam im April die Mutter und eine Tochter. | |
Als die Mutter im Juni Arbeit als Küchenhilfe gefunden hatte, zog der Vater | |
mit einem Sohn nach. Der Vater beantragte Grundsicherung zur Arbeitssuche | |
(Hartz IV), doch das Jobcenter Recklinghausen lehnte dies ab. | |
Es berief sich auf eine Ausschlussklausel im deutschen Sozialgesetzbuch II, | |
wonach Ausländer „für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts“ keinen | |
Anspruch auf Hartz IV haben (Paragraf 7 Abs. 1). Der Mann klagte und | |
erhielt beim Sozialgericht Gelsenkirchen zunächst recht. In zweiter Instanz | |
fragte das NRW-Landessozialgericht den EuGH, ob die deutsche | |
Ausschlussklausel mit EU-Recht vereinbar ist. | |
Der EuGH hatte nun keine Einwände gegen den deutschen Leistungsausschluss. | |
Zwar seien EU-Bürger im Sozialrecht grundsätzlich gleichzubehandeln. Doch | |
schon die Unionsbürger-Richtlinie der EU von 2004 sehe ausdrückliche | |
Ausnahmen vor. So ist ein EU-Staat nicht verpflichtet, EU-Bürgern „während | |
den ersten drei Monaten des Aufenthalts“ Sozialhilfe zu gewähren (Art. 24 | |
Abs. 2). Auch Hartz IV sei eine Form von „Sozialhilfe“. | |
Dieser Ausschluss sei die Kehrseite der von der EU gewährten Freizügigkeit. | |
Danach kann sich jeder EU-Bürger drei Monate lang in einem anderen EU-Staat | |
aufhalten, ohne irgendwelche Formalitäten erledigen zu müssen. Der | |
gleichzeitige Ausschluss von Sozialleistungen sichere das „finanzielle | |
Gleichgewicht“ der Sozialsysteme. Eine Einzelfallprüfung sei nicht | |
erforderlich, so der EuGH, auch nicht bei einem Familiennachzug. | |
## Nicht überraschend | |
Das Urteil kommt nicht überraschend. Schon im September 2015 hat der EuGH | |
entschieden, dass eine ähnliche Ausschlussklausel für arbeitssuchende | |
EU-Bürger nicht gegen EU-Recht verstößt (Fall Alimanovic). Und im November | |
2014 hatte der EuGH im Fall einer arbeitslosen Rumänin, die keine Arbeit | |
suchte, die Verweigerung von Hartz IV akzeptiert (Fall Dano). | |
Überraschend kamen dagegen Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) im | |
Dezember 2015. Das BSG sprach allen EU-Bürgern, die aufgrund der | |
Leistungsausschlüsse kein Hartz IV bekommen, stattdessen Sozialhilfe zu. | |
Voraussetzung sei nur eine Verfestigung des Aufenthalts in Deutschland, die | |
nach sechs Monaten eintrete. | |
Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) kündigte schnell an, dass sie | |
die Kommunen davor bewahren will, für mittellose EU-Ausländer zu zahlen. | |
Ein Gesetzentwurf liegt aber noch nicht vor. | |
25 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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