# taz.de -- Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Abschieben nach Afghanistan | |
> Bundesinnenminister Thomas de Maiziére ist zu Besuch am Hindukusch. | |
> Dorthin will er künftig mehr Flüchtlinge zurückschicken. | |
Bild: Der Innenminister trägt im sicheren Herkunftstaat Afghanistan die landes… | |
Berlin taz | Thomas de Maiziére bewegt sich im Hubschrauber durch Kabul. Er | |
trägt Helm und eine schusssichere Weste, als er seine Botschaft nach | |
Afghanistan bringt. Bleibt hier, kommt nicht nach Deutschland, lautet sie. | |
„Sie werden ihr Geld verlieren und keine Zukunft finden“, erklärte der | |
CDU-Innenminister Ausreisewilligen am Montag im afghanischen Fernsehen. Da | |
waren die zehn Opfer des jüngsten Selbstmordattentats der Taliban in Kabul | |
schon verstorben. | |
De Maizière ist nach Afghanistan gekommen, um mit der dortigen Regierung | |
über sein Vorhaben zu sprechen. Er hält Teile des Landes für sicher genug, | |
um Afghanen dorthin abzuschieben. „Wenn wir mit Polizisten und Soldaten in | |
Afghanistan bleiben, können wir auch erwarten, dass die Afghanen selbst im | |
Land bleiben“, sagte er im ZDF. | |
Bereits im vergangenen Jahr hatte de Maizière dafür geworben, Afghanen aus | |
bestimmten Gebieten als Wirtschaftsflüchtlinge zu deklarieren, denn die | |
haben in Deutschland kein Anrecht auf Schutz. Die Innenminister der Länder | |
schlossen sich dieser Haltung bereits im vergangenen Jahr an. Das | |
Auswärtige Amt hat Plakate in Kabul aufgestellt, auf denen steht: „Sie | |
wollen Afghanistan verlassen, haben Sie es sich gut überlegt?“ | |
Dabei hatte die Bundeswehr laut Medienberichten in einem Report für 2016 | |
prognostiziert, dass die Taliban erstarken, was „insgesamt zu einer | |
Verschlechterung der Sicherheits- und Bedrohungslage“ führe. Die Bundeswehr | |
hat die Zahl ihrer Soldaten dort wieder aufgestockt. Im vergangen Jahr sind | |
mehr als 150.000 Afghanen nach Deutschland gekommen, um Asyl zu beantragen. | |
Nach syrischen Flüchtlingen sind sie die zweitgrößte Gruppe unter | |
Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive. Offiziell gilt ihre Chance auf einen | |
Aufenthaltsstatus aber als schlecht, da ihre „Schutzquote“ knapp unter 50 | |
Prozent läge. | |
## Hohe faktische Anerkennung der Asylbewerber | |
Das ist jedoch nur ein Zahlenspiel: 2015 wurden rund 800 Anträge abgelehnt, | |
aber fast 2.000 Afghanen als Flüchtling oder subsidiär Geschützte | |
anerkannt. Die Quote ist deshalb zu niedrig, weil etwa 2.000 weitere | |
Anträge anderweitig erledigt wurden, beispielsweise indem sie an andere | |
EU-Länder überwiesen worden sind. Eine „bereinigte Schutzquote“, die | |
beispielsweise Verbände oder die Linkspartei heranziehen, sieht anders aus: | |
Danach würden fast drei Viertel der Schutzgesuche akzeptiert. | |
Für Betroffene ist das Detail erheblich: Afghanen sind von | |
Integrationsprogrammen so lange ausgeschlossen, wie ihre Verfahren laufen. | |
In der Regel dauert das länger als ein Jahr. Flüchtlinge mit „guter | |
Bleibeperspektive“, also beispielsweise Syrer oder Iraker, dürfen derweil | |
schon Sprachkurse belegen. Doch selbst auf abgelehnte Anträge folgte | |
bislang selten die Abschiebung. Weil Hinderungsgründe vorlagen, etwa | |
Krankheiten, die in Afghanistan nicht behandelt werden können. Acht | |
Personen wurden 2015 abgeschoben. | |
Der Vorschlag de Maizières reiht sich in eine neue, harte Regierungslinie | |
ein, die Union und SPD gleichermaßen tragen. Erst am Freitag hatte | |
Kanzleramtschef Peter Altmeier angekündigt, verurteilte Ausländer in | |
Drittstaaten abschieben zu wollen, wenn ihre Herkunftsländer sie nicht | |
aufnehmen. Kanzlerin Merkel hatte tags darauf daran erinnert, dass ein | |
Bleiberecht nur begrenzt sei. Arbeitsministerin Andrea Nahles will | |
Flüchtlinge sanktionieren, die sich Integrationsprogrammen verweigern. | |
Alles für das Ziel der Regierung, die Zahl der Flüchtlinge im Land zu | |
reduzieren. | |
2 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
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