# taz.de -- Die Wahrheit: Notfalls nach Belgien abschieben | |
> Deutsche Leitkultur: Endlich wurden die ersten Integrationskurse für | |
> Deutsche ohne Migrationshintergrund gestartet. | |
Die muffige Turnhalle der Grundschule Pirna-Pröllitzsch ist voll belegt. | |
Gut hundert Personen aus der Umgebung, Männer, Frauen, einzelne | |
Jugendliche, haben sich in der Erstaufnahme-Einrichtung eingefunden. Sie | |
büffeln: Deutsch, Umgangsformen, Grundlagen der Politik oder Rechenaufgaben | |
wie „Wenn eine Million Deutsche das Land verlassen müssen, wie viele | |
bleiben dann bei 80 Millionen noch übrig?“ | |
Engagierte DaFler (Deutsch als Fremdsprache) bringen den Sachsen und | |
Thüringern mit erkennbaren Mühen die korrekte Aussprache bei. | |
„De-mo-kra-tie, nicht Demoogradie – ja, versuchen Sie es noch mal? Nein, | |
die Frau Bundeskanzlerin heißt nicht Märgl, sondern: Mer-kel.“ | |
Ein notorischer Pegida-Spaziergänger aus Dresden will partout Doitschland | |
schreiben, weil, so sein Argument, in Deutschland die verhasste EU stecke. | |
Gemeinsam werden ganze Sätze gebildet. Teilweise klappt das schon. | |
## Parallelgesellschaft in Pirna | |
In Pirna und anderswo sind jetzt die ersten Reintegrationskurse für | |
Deutsche ohne Migrationshintergrund gestartet. Vor allem „die vergiftende | |
Parallelgesellschaft von Facebook und Twitter“ wolle man ansprechen, sagt | |
Thorsten Schwall, Referent im neuen Bundesamt für Reintegration: vorneweg | |
Pegidisten, das AfD-Umfeld und staatsbekannte Leserbriefrassisten. | |
Nicht weniger als „eine Zeitenwende in der Inländerpolitik“ ist mit den | |
Kursangeboten intendiert. „Als Chance. Als Chance, diesen Menschen | |
Deutschland zu erhalten und Deutschland als Deutschland zu erhalten“, wie | |
Schwall gestelzt formuliert. „Vielen Deutschen muss unsere Leitkultur | |
wieder erklärt werden: gemeinsame Werte, Recht und Gesetz statt Hetze; | |
staatliches Gewaltmonopol statt Bürgerwehren; Solidarität, Respekt, | |
Toleranz – also alles bürgerschaftliche Selbstverständlichkeiten.“ | |
Erste Beobachtungen und Auswertungen sind allerdings erschreckend. „Nein, | |
Kanaken kommen nicht aus Nordafrika, sondern aus dem Südpazifik“, muss etwa | |
Conny Maas, Lehrerin in Berlin-Neukölln, im Fach Erdkunde den staunenden | |
Teilnehmern erklären. Zuletzt habe sie ein halbes Jahr mit Asylbewerbern | |
gearbeitet, das sei „vergleichsweise das Paradies an Wissbegier gewesen“. | |
Im schwäbischen Börtingen habe sich eine empörte Frau geweigert einzusehen, | |
dass auch eine vorläufige Todesstrafe nicht verfassungskonform sei. Schwall | |
berichtet von Kursteilnehmern, „die bei ersten psychologischen | |
Grundlagentests auf die Farbe Schwarz ungewöhnlich heftig reagierten. Sie | |
halten ihren eigenen Schatten für einen attackierenden Muslim.“ | |
Man stehe wahrlich vor einer Herkulesaufgabe. Aber genau deswegen habe man | |
ja die neuen Angebote ins Leben gerufen, sagt Schwall mit pädagogischem | |
Impetus. „Die sozialen Verwerfungen in diesem hysterischen Land“ seien | |
„einfach zu offenkundig, nicht nur in den digitalen Hetzwerken“. | |
Das Mammutprojekt ist auf ein Jahr angelegt. Ab Sommer werden | |
Leitkultur-Tests für alle Staatsbürger verpflichtend. Bei Nichtbestehen ist | |
ein Aufenthaltsrecht verwirkt. Die Bild-Zeitung nennt die Prüfungen schon | |
den „Deutschland-Führerschein“. Wer sich anpassungsresistent zeige, das | |
regele das EingeborenenAusweisungsGesetz (EinAuGe) unmissverständlich, | |
„muss mit sofortiger Abschiebung rechnen“. | |
In der vergangenen Woche gab es den ersten Präzedenzfall. Vierzig betagte | |
Missbrauchs-Priester aus dem Bistum Regensburg („Domspatzenschänder“) und | |
Hunderte andere aus dem ganzen Land wurden über Nacht in den Vatikan | |
abgeschoben. Dazu wurden im Petersdom Notlager aufgestellt. „Die Päpstliche | |
Nuntiatur hat vorbildlich kooperiert“, heißt es im Innenministerium. Andere | |
Länder wollen folgen, um die kindsterroristische katholische Subkultur zu | |
bekämpfen. „Wir gelten schon als Vorbild“, sagt Schwall stolz. | |
Zunächst gab es sogar die Idee, „die Staatsbürgerschaften aller 80 | |
Millionen Deutschen vorläufig einziehen“ zu lassen. „Ein solcher | |
staatlicher Reset war durchaus eine Denk-Alternative.“ Dann hätte sich | |
jeder neu um einen deutschen Pass bewerben müssen, einem Asylantrag | |
ähnlich. Aber auf Drängen der Kanzlerin habe man die Integrationskurse samt | |
Tests vorgezogen. Angela Merkel habe gesagt: „Das schaffen wir dann auch | |
noch.“ | |
Über die offenkundigen Problemkreise hinaus gebe es in allen Schichten | |
Schwierigkeiten: Der Hamburger Kursleiter Dr. Umberto Romzalski berichtet | |
von „Managern, die nur noch Denglisch sprechen“ und keinen | |
deutschsprachigen Behördenantrag mehr ohne Hilfe ausfüllen können. Kaum wer | |
schaffe es, banale Food-Fremdwörter wie Tagliatelle, Gnocchi oder Zucchini | |
fehlerlos auszusprechen. „Und im Fach Heimatkunde bricht jedes Mal Panik | |
aus, weil Navis verboten sind.“ | |
## Gewissensprüfung in Köln | |
Für die Prüfungen ab Sommer werden die früheren Ausschüsse für | |
Gewissensprüfung von Kriegsdienstverweigerern landesweit wiederbelebt. Die | |
Ergebnisse sollen den zukünftigen Status bestimmen: Duldung, vorläufiges | |
Bleiberecht, Staatsbürgerschaft. In Köln hat sich eine Gruppe engagierter | |
syrischer Flüchtlinge zusammengetan, die „besonders hartnäckigen Fällen in | |
der deutschen Bevölkerung ehrenamtliche Nachhilfe erteilen wollen“. | |
Mehrstufig sind auch die Sanktionsmöglichkeiten. So soll es eine | |
zeitweilige Abschiebung auf Bewährung geben. In den syrischen Orten Aleppo | |
und Rakka sind erste Urlaubslager geplant („Orient-Mallorca“). Das Leben im | |
Bürgerkrieg könne, so man es überlebe, den Horizont der Engstirnigen | |
erweitern helfen. Entweder, so die Überlegungen im Innenministerium, die | |
Abgeschobenen halten eine einjährige Bewährungsfrist durch oder sie | |
versuchen halt übers Mittelmeer zu fliehen. Dann beginne an der Grenze ein | |
normales Asylverfahren – „sicher mit sehr engen Obergrenzen“, wie die | |
Kanzlerin ankündigt: „Da bin ich voll auf CSU-Linie.“ | |
Moscheebesuche oder freiwillige Kebabverkostungen könnten schlechte | |
Testergebnisse in kleinen Maße ausgleichen helfen. Oder mehrwöchige | |
Praktikumsaufenthalte im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, um alle Facetten | |
des Islams hautnah kennenzulernen. Oder gleich Abschiebungen nach Belgien. | |
Nur genau da gibt es Probleme: Ausgerechnet in der Europastadt Aachen hat | |
sich jetzt die Pagibda gegründet – „Patriotische Grenzländler gegen die | |
islamistische Belgisierung des Aachenlandes“. Nach den Pariser | |
Terroranschlägen durch belgische Islamisten fürchtet man, wie | |
Pagibda-Sprecher Mattschö Delzepich geifert, die Terroristen ebenso wie | |
flüchtende Belgiermassen. Auch Holländer haben sich den belgophoben Horden | |
angeschlossen: „Weg mit dem Frittenfresserpack!“ | |
## Autobrände in Aachen | |
In der vergangenen Nacht haben Pagibda-Aktivisten sogar Barrikaden an den | |
Grenzübergängen errichtet. Laut Polizeiberichten gingen die ersten | |
belgischen Kleinwagen in Aachen in Flammen auf. „Allah raus. Belger raus. | |
Alle raus“, hätten die Menschen gebrüllt. Der Busverkehr nach Eupen ist | |
unterbrochen. In Imbissbuden der belgischen Nachbardörfer Hauset und Kelmis | |
kam es zu organisierten Frittenverbrennungen. | |
„Es gibt noch viel zu tun, unsere Gesellschaft zu entgiften“, sagt Thorsten | |
Schwall und atmet tief durch. Besonders optimistisch klingt er nicht. | |
„Vielleicht ist dieses seltsam vermurkste Land auch in toto nicht | |
resozialisierbar.“ | |
30 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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