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# taz.de -- Sichere Herkunftsstaaten im Maghreb: Kretschmann ist noch unentschi…
> Wie stimmen die Grünen im Bundesrat in der Frage der sicheren
> Herkunftsstaaten ab? Nicht unbedingt so, wie es beim Parteitag
> beschlossen wurde.
Bild: Mutig wird Winfried Kretschmanns Entscheidung in jedem Fall sein. Aber au…
Berlin taz | Eigentlich ist die Position der Grünen zu sicheren
Herkunftsstaaten sehr klar: 17 Seiten ist der Beschluss zur
Flüchtlingspolitik lang ([1][PDF]), den die Delegierten eines
Bundesparteitags noch im November beschlossen hatten – mit großer Mehrheit.
„Wir halten die von der Bundesregierung mit Nachdruck betriebene Ausweitung
der ‚sicheren Herkunftsstaaten‘ für falsch“, hieß es da. „Sichere
Herkunftsstaaten“ wurde mit Anführungszeichen versehen, wohlgemerkt.
Staaten ließen sich nicht per Gesetz für sicher erklären. Doch Papier ist
geduldig und Parteitagsbeschlüsse sind manchmal wenig wert, wenn die
Realität vorbeischaut.
Jetzt droht den Grünen erneut eine Blamage mit Ansage – falls die von ihnen
mitregierten Länder einer Reform zustimmen, die die die Bundespartei
offiziell ablehnt. Am Mittwoch hat Angela Merkels Kabinett einen
Gesetzentwurf beschlossen, der Algerien, Marokko und Tunesien als sicher
deklariert. In solche sicheren Herkunftsstaaten können Flüchtlinge
unkomplizierter abgeschoben werden. Der Bundesrat muss dem Gesetz
zustimmen. Das heißt also: Die neun von Grünen mitregierten Bundesländer
könnten es verhindern.
Nun kommt es auf Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann
an, den Chefverhandler der Länder-Grünen – und auf seine Kollegen in
Hessen, NRW oder anderswo. Kretschmann aber hält sich das Ja explizit
offen. „Grundsätzlich verschließt sich der Ministerpräsident dem nicht“,
sagte Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet am Mittwoch der taz. Entschieden
sei aber noch nichts.
## Das Auswärtige Amt gab grünes Licht
Kretschmann hatte zuletzt darauf verwiesen, dass nur das Auswärtige Amt in
Berlin über die Quellen verfüge, um die Lage in den nordafrikanischen
Staaten zu beurteilen. Das AA hat jetzt grünes Licht gegeben. Hoogvliet
kündigte an, die Regierung in Stuttgart werde den Entwurf noch einmal
prüfen und „zügig“ entscheiden.
Kretschmann steht mitten im Landtagswahlkampf und versucht, in der
Asylpolitik nichts anbrennen zu lassen – auch, indem er pragmatisch und
schnell abschieben lässt. Die Landes-CDU lauert auf jeden Fehler, den sie
dem beliebten Ministerpräsidenten vorhalten kann. Ein Nein zu mehr sicheren
Herkunftsstaaten wäre für sie ein gefundenes Fressen.
Schließlich geht es bei dem Koalitionsgesetz auch um die sexuellen Attacken
in der Kölner Silvesternacht. Viele der Täter, die Frauen in einer
Menschenmenge begrapschten und beraubten, kamen wohl aus Marokko, Algerien
oder Tunesien. Schnell zurück mit denen, das klingt einfach und
einleuchtend.
Kretschmann sieht die Sache mit den sicheren Herkunftsstaaten auch anders
als seine Partei. Er hat dem Konzept schon 2014 im Bundesrat zugestimmt,
was damals bei den Grünen viele empörte. Als die Koalition im Herbst 2015
Albanien, Kosovo und Montenegro für sicher erklären wollte, [2][stimmte die
Mehrheit der grün mitregierten Länder zu]. Die Koalition hatte damals den
Plan mit dringend nötigen Milliardenhilfen für die Länder verknüpft. Diese
bösartige Verbindung fehlt dieses Mal. Die Ausweitung der Staatenliste
erfordert ein eigenes Gesetz.
## Kritik der Berliner Spitzengrünen
Die Grünen-Spitze in Berlin kritisierte den Beschluss am Mittwoch scharf:
Mit der neuen Ausweisung vermeintlich sicherer Herkunftsstaaten versuche
die Koalition, vor den Landtagswahlen Handlungsfähigkeit zu simulieren,
sagte die Parteivorsitzende Simone Peter. Die Einstufung sei nicht
nachvollziehbar, in allen drei Maghreb-Staaten gebe es politische
Verfolgung.
„Das ist Populismus in Gesetzesform“, sagte Luise Amtsberg, die
flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion. Der Plan bringe nichts bei
der Kriminalitätsbekämpfung, beschränke aber die Rechte von Frauen,
Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Schwulen und Lesben, die aus
diesen Ländern nach Deutschland fliehen.
Der Innenpolitiker Volker Beck sagte: „Die Menschenrechtslage in Algerien,
Marokko und Tunesien ist alles andere als einwandfrei.“
Menschenrechtsorganisationen bestätigen diese Sicht. Die Frage ist, ob der
Grüne Kretschmann und seine Länderkollegen das auch so sehen – oder ob
andere Motive wichtiger sind.
3 Feb 2016
## LINKS
[1] https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BDK_2015_Halle/BDK15_…
[2] /Asylrechtsverschaerfung-im-Bundesrat/!5239482
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
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Winfried Kretschmann
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