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# taz.de -- Winfried Kretschmann im Wahlkampf: Große Krisen im kleinen Biberach
> Statt sich aggressiver Wahlkampfrhetorik zu bedienen, bilanziert Winfried
> Kretschmann seine Regierungszeit. Und betet für die Kanzlerin.
Bild: Herr Kretschmann genießt ganz selbstbewusst die Aussicht.
Biberach taz | Einer der besseren Witze in Biberach geht so: „Gespart wird
am Anfang einer Wahlperiode“, sagt Winfried Kretschmann, „in der Hoffnung,
dass Sie die Schmerzen vergessen bis zur nächsten Wahl“. Kretschmann, der
grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, gieht in die Knie, um die
Pointe zu betonen. Das Publikum lacht. Es ist der politische Aschermittwoch
der Grünen in Baden-Württemberg, andere Parteien teilen an diesem Tag derb
aus. Aber Kretschmann bleibt ernst.
Der erste grüne Ministerpräsident steht zur Wiederwahl in
Baden-Württemberg. Doch statt über Regionales zu sprechen, macht er die
großen Krisen zum Thema. Putin und Seehofer. Flüchtlinge. Das Zugunglück in
Bad Aibling. Bei solchen Ereignissen bemerke man, sagt Kretschmann, „dass
sich vieles auch relativiert“. Katerstimmung am Ende der Fasnetszeit. 1200
Menschen sind in die Stadthalle von Biberach gekommen, es gibt wenig Bier,
Spätzle und viel Applaus für Kretschmanns Ehefrau Gerlinde. Der
baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann spricht über
„coolen Verkehr“, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindlohr
über die Frauenquote der baden-württembergischen CDU die Usbekistan
gleiche. Bundespolitiker fehlen in Biberach. Zufall, sagt eine Sprecherin.
Biberach, das ist eine der wenigen Baden-Württembergischen Orte, in denen
die CDU bei der vergangenen Landtagswahl Stimmmen gewonnen hat, statt sie
zu verlieren. Der Ort ist eine Ansage, die Grünen sticheln im schwarzen
Herz des Landes gegen die CDU, seit ein paar Jahren schon. Deshalb begrüßt
Kretschmann sein Publikum als „liebe oberschwäbische Landsleute“ - das ist
die Grußformel eines früheren Landrats der CDU, dem Macht und Einfluss
nachgesagt werden. Biberach, das ist eine oberschwäbische Stadt im
Nirgendwo, die nächste Autbahnzufahrt ist 40 Minuten entfernt. Die großen
Fragen sind hier zur Zeit die gleichen wie in Berlin. Politiker, sagt
Kretschmann, müssten Antworten geben. „Das will ich heute tun.“
Kretschmann arbeitet sich an der Flüchtlingspolitik ab, fordert einen
rationalen Humanismus. Was das ist? „Wir haben verschiedene Asylpakete
zusammengeschnürrt, so werden wir das auch weiter machen“, sagt
Kretschmann. Die Asylrechtsverschärfungen der letzten Monate passen zu
Kretschmanns Weltsicht und zur Politik der Bundeskanzlerin, für dessen
Gesundheit er manchmal bete. „Jetzt stellen sie sich mal vor, dass die Frau
stürzt“, sagt Kretschmann, „welchen Regierungschef sehen sie denn in
Europa, der sonst den Laden zusammen hält?“ Zusammenhalten. Das große Thema
des grünen Ministerpräsidenten.
## Kretschmann gibt keine Antworten
Das bröckelnde Europa sei die „Krise hinter der Krise“. AfD, Pegida,
Rechtspopulisten „haben in der Geschichte Unheil über ihre Völker gebracht
– und sonst gar nichts“. Doch Kretschmann hält sich fern von den
tatsächlichen Antworten: Wie mit der AfD umgehen? Stimmt er zu, wenn Union
und SPD weitere Staaten als „sicher“ erklären will? Wie funktioniert
Integration für Hundertausende?
Baden-Württemberg ist im Wahlkampf angekommen, Kretschmann nutzt den
politischen Aschermittwoch, um Bilanz zu ziehen. Die umstrittene
Bildungsrefom: Teuer, aber sinnvoll. Wirtschaft im digitalen Zeitalter: In
Baden-Württemberg ganz gut, aber noch lange kein Silicon Valley.
Bürgerbeteiligung: S21, der Nationalpark Schwarzwald sind ein Anfang.
Überhaupt, der neue Nationalpark: „Vom Herzen her das Schönste meiner
Regierungszeit“.
10.000 Hektar, auf denen Natur nicht mehr dem Menschen nützt sondern für
sich wächst. Und so ist Kretschmanns gute Nachricht in all den Krisen: ein
Ort, von dem der Mensch die Finger lässt. Ein Urwald.
11 Feb 2016
## AUTOREN
Christina Schmidt
## TAGS
Winfried Kretschmann
Baden-Württemberg
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Landtagswahlen
Bündnis 90/Die Grünen
Grüne
Asylrecht
Maghreb
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