# taz.de -- Solarexperte in der FDP: Allein unter Liberalen | |
> Der Freiburger Solarexperte Eicke Weber ist international gefragt. Nun | |
> will er in den Stuttgarter Landtag – für die FDP. Ein Missverständnis? | |
Bild: In staatsmännischen Gesten ist er schon geübt. | |
BERLIN taz | Der erste Meilenstein in Eicke Webers Politkarriere ist aus | |
Kunstharz. Darin schwebt die Büste des FDP-Ehrenvorsitzenden Walter Scheel. | |
Weber hat ihm einen Ehrenplatz hinter seinem Schreibtisch freigeräumt. | |
Neben vielen anderen Auszeichnungen glitzert dort nun der | |
Walter-Scheel-Preis, verliehen von der parteinahen Naumann-Stiftung. | |
Ein bisschen viel Vorschusslorbeeren für den FDP-Landtagskandidaten in | |
einem Wahlkreis, der bei der letzten Wahl 2011 eines der schlechtesten | |
Wahlergebnisse für die Partei einfuhr: Freiburg-West. | |
Aber Professor Weber ist nicht irgendwer. Er ist in Fragen der globalen | |
Erwärmung, und wie man sie verhindern kann, weltweit eine Kapazität. Das | |
Fraunhofer-Institut für Solarenergie in Freiburg, das er seit Jahren | |
leitet, ist eine der führenden Forschungslabore auf dem Gebiet – und Weber | |
eine der Galionsfiguren dieser Branche. Er saß im Aufsichtsrat des später | |
insolventen Solarzellenherstellers Q-Cells und ist Lobbyist für | |
regenerative Energien auf allen Ebenen. Einer, der das Publikum überzeugen | |
kann, auf Fachkonferenzen wie auf Parteitagen. | |
Als Wissenschaftsmanager ist der ehemalige Professor der US-Universität | |
Berkeley ein gefragter Mann. Will man einen Termin bei ihm vereinbaren, | |
heißt es im Büro des Freiburger Fraunhofer-Instituts, der Herr Professor | |
sei gerade in seinem Haus in Kalifornien. Dann ist er wieder zu Vorträgen | |
in Japan und Indien. | |
## Die kleine Bühne des Landtags | |
Zwischen den Interkontinentalflügen sitzt er einem dann aber doch | |
gegenüber. Mit verwuschelten Haaren und neugierigen blauen Augen doziert er | |
temperamentvoll über die globalen Herausforderungen und schlägt dabei | |
mühelos die Brücke vom Beginn der antiken Hochkulturen zu „El Nino“ und d… | |
Einspeisevergütungen. | |
Die Welt als gefragter Botschafter der CO2-freien Energiewirtschaft ist | |
Eicke Weber aber nicht genug. Jetzt soll es eine weitaus kleinere Bühne | |
sein: der Landtag in Stuttgart. Er habe den Eindruck, als Wissenschaftler | |
die Politik mit seinem Anliegen nicht mehr zu erreichen, sagt er. „Die | |
meisten Politiker sehen nicht, welche Chancen es gerade jetzt gibt, den | |
Klimawandel zu stoppen.“ | |
Also muss Eicke Weber selbst ran. | |
Aber warum ausgerechnet für eine Partei, deren grünes Profil man bisher | |
kaum mit der Lupe finden konnte? Viele seiner Weggefährten haben mit dem | |
Kopf geschüttelt, als sie von seiner Kandidatur für die FDP hörten. Warum | |
überhaupt Parteipolitik, und dann ausgerechnet beim Erzrivalen der Grünen? | |
## „Oszillierender Freigeist“ | |
Denn bisher hielt man Weber, auch wenn schon immer ein selbst ernannter | |
„oszillierender Freigeist“, im Freiburger grünen Solar- und | |
Klimarettung-Establishment für einen der ihren. Saß er doch im Beirat der | |
Schwarzwälder Stromrebellen und dem Ökostromanbieter EWS in Schönau und in | |
der Jury diverser Solarpreise. Und auch heute noch, als FDP-Kandidat, sagt | |
Eicke Weber: „Baden Württemberg hat unter Kretschmann im Moment die beste | |
Regierung, die man haben kann.“ | |
Warum also nicht die Grünen? Weber lächelt bei dieser Frage leicht | |
verlegen: Die hätten ihn halt nicht gefragt. Klingt nach dem richtigen | |
Angebot zur richtigen Zeit. Im Herbst, hat Weber angekündigt, will er | |
seinen Platz im Institut räumen. Offenbar nicht ganz freiwillig, denn erst | |
kurz vorher hatte er seinen Vertrag über die Pensionsgrenze verlängert. | |
Stellt sich also die Frage, was kommt nach der Universitätskarriere bei | |
einem, der noch so vor Energie strotzt. | |
Dass Weber nur eine Chance genutzt hat, die ihm andere nicht geboten haben, | |
ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Ein anderer ist, dass der 66-Jährige | |
mit goldener Krawatte und dem Monogramm auf den Hemdmanschetten vielleicht | |
nie so ganz zu den Grünen gepasst hat. Im Proporz- und Flügelsystem der | |
Partei hätte sich einer wie er, der in großen Staudammprojekten eine Lösung | |
für die Energiewende sieht, und ein leidenschaftlicher Verfechter für | |
Studiengebühren ist, höchstens eingefleischte Realos überzeugt. | |
## Beim Thema Solarstromabgabe klingt er schon nach FDP | |
Und es gibt noch einen politischen Grund. Ein Ereignis, das Weber für „die | |
Erbsünde“ der Grünen hält: den von Jürgen Tritten und anderen abgewürgten | |
Versuch schwarz-grüner Koalitionsverhandlungen bei der letzten | |
Bundestagswahl. Mit Schwarz-Grün, davon ist Weber überzeugt, hätte man die | |
Energiewende wirklich voranbringen können, und es hätte die von der Großen | |
Koalition beschlossene Abgabe auf Solarstrom nie gegeben. „Diese Abgabe ist | |
gegen den Mittelstand gerichtet“, sagt Weber und klingt dabei schon sehr | |
nach FDP. Dass dafür derselbe Jürgen Trittin verantwortlich ist, dem die | |
Solarbranche andererseits das Hunderttausend-Dächer-Programm zu verdanken | |
hat, daran muss man ihn nicht erinnern. | |
Verbündete im Kampf für die Energiewende findet Weber nur selten im | |
liberalen Lager. Weber lobt weiterhin die Väter des | |
Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, Hans-Josef Fell von den Grünen und den | |
verstorbenen Sozialdemokraten Hermann Scheer. Zumindest bis vor Kurzem | |
hatte er einen guten Draht zur grünen Super-Reala Kerstin Andreae und dem | |
Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon. | |
Seine neue Partei muss er sich dagegen erst grünreden und wühlt dafür tief | |
in der Parteigeschichte. Weber will an die FDP der „Freiburger Thesen“ | |
anknüpfen, damals als Ralf Dahrendorf mit Rudi Dutschke auf dem Dach eines | |
VW-Busses diskutierte und das erste Mal der Umweltschutz in einem | |
Parteiprogramm verankert wurde. | |
Das ist nun 44 Jahre her und das „Freiburger Programm“ in der Partei längst | |
Makulatur. Dazwischen lagen 16 Jahre schwarz-gelber Agonie unter Kohl, | |
Mölle- und Bangemann und gab es den Solardeckel des früheren | |
FDP-Wirtschaftsministers Philipp Rösler. Und auch heute, in der | |
geschrumpften Lindner-FDP, ist kaum zu erkennen, dass die Liberalen ihr | |
verschüttetes grünes Gewissen wiederentdeckt hätten. | |
## Nur der halbe Saal applaudierte Weber | |
Ja, sagt Eicke Weber, in Sachen Klimarettung seien in der Partei wohl noch | |
dicke Bretter zu bohren. Einen ersten Vorgeschmack, wie hart es wird, hat | |
er im Januar 2015 beim Dreikönigstreffen der Partei bekommen. Dort erklärte | |
er den Liberalen die Bedrohung des Klimawandels und dass die Menschheit | |
schnell handeln müsse. Das Positive sei, verkündete er, dass die Welt mit | |
regenerativen Energien alle Techniken für eine CO2-freie Energiewende in | |
der Hand halte. Man müsse nur handeln und diese Technologie fördern und auf | |
den Fortschritt vertrauen. Eigentlich liberale Themen. Aber Weber erinnert | |
sich an das geteilte Echo: „Die eine Hälfte hat geklatscht, die andere saß | |
auf ihren Händen.“ | |
Ein versprengtes Häufchen in der Südwest-FDP mag mit ihm den Traum einer | |
Welt mit CO2-freier Energieerzeugung träumen. Der Vorsitzende der | |
Freiburger FDP gehört dazu. Und Landeschef Michael Theurer, der vor 30 | |
Jahren im Widerstand gegen den Bau des Atomkraftwerks Whyl dabei war und | |
die Klimarettung mittels „Blauem Wachstum“ ins Parteiprogramm der | |
Südwest-FDP hievte. Doch Theurer, ein Mann der leisen Töne, sitzt im fernen | |
Brüssel, während Weber im Landtag mit Hans-Ulrich Rülke auskommen müsste, | |
einem Polemiker, der Atomkraft noch lange für unentbehrlich hält. | |
Aber das wird ja eh nichts, sagen selbst Leute in der FDP. Denn Weber tritt | |
in einem aussichtslosen Wahlkreis an, den 2011 die | |
Grünen-Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann mit einem der besten Ergebnisse | |
im Land gewonnen hat. Ja, da sei noch Luft nach oben, sagt Weber lächelnd, | |
wenn man ihn auf seine Chancen anspricht. Seinen unverwüstlichen Optimismus | |
lässt er sich aber nicht rauben. | |
Als er mit der FDP über die Kandidatur einig war, schickte Weber eine | |
überschwängliche Rundmail an alle Institutsmitarbeiter, informierte sie | |
über seinen Schritt in die Politik und lud sie ein, ihn bei seinem | |
politischen Engagement zu unterstützen. Als die Mail bekannt wurde, war das | |
ein kurzer Aufreger in der Lokalpresse, ob da nicht ein Wissenschaftler das | |
Institut für Parteipolitik missbraucht. | |
Viel bitterer aber war: Bisher hat sich keiner der Mitarbeiter bei Weber | |
gemeldet. | |
10 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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