# taz.de -- Brüssel diskutiert Flüchtlingskrise: Wie Europa sich im Kreise dr… | |
> Die Zeit drängt, doch eine „europäische Lösung“ für den Umgang mit den | |
> Flüchtlingen und eine gerechte Verteilung sind nicht in Sicht. | |
Bild: Frontex soll möglicherweise irgendwas machen. Aber was? | |
Brüssel taz | Der Chefsprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude | |
Juncker lässt sich nicht so leicht unterkriegen. Obwohl fast täglich | |
Negativmeldungen von der Flüchtlingskrise kommen, verteidigt Margaritis | |
Schinas standhaft den Kurs der Brüsseler Behörde. Nein, es gebe keine | |
Pläne, Griechenland aus dem Schengenraum herauszuwerfen, sagt Schinas. Ja, | |
Juncker und seine Kommissare glaubten immer noch an eine europäische Lösung | |
der Krise. | |
Doch wie könnte diese Lösung aussehen? Verschiedene Vorschläge machen die | |
Runde. Der jüngste kam am Donnerstag aus den Niederlanden: Die dortige | |
Koalitionsregierung arbeite derzeit an einem Plan, der die Aufnahme von bis | |
zu 250.000 Asylsuchenden aus der Türkei in einer Kerngruppe von | |
EU-Mitgliedsstaaten vorsieht, erklärte der Parteichef der niederländischen | |
Sozialisten in einem Interview. Im Gegenzug sollten jene, die jetzt auf | |
eigene Faust nach Griechenland kämen, sofort in die Türkei zurückgeschickt | |
werden können. | |
Griechenland, so heißt es in diesen Tagen immer wieder, müsse endlich die | |
EU-Außengrenze sichern – dann könne auch bald die Umverteilung von | |
Flüchtlingen beginnen. Doch bei einem EU-Treffen in Amsterdam fragte der | |
griechische Innenminister Ioannis Mouzalas, was das denn bedeuten solle: | |
„Sollen wir etwa Schiffe versenken und Griechenland zu einem Friedhof | |
machen?“ Das sei undenkbar. | |
Eine andere Idee ist, die Grenze zu Mazedonien abzuschotten und danach | |
Flüchtlingslager in Griechenland für bis zu 300.000 Menschen zu errichten. | |
Um dies schmackhaft zu machen, könnte die EU der griechischen Regierung bei | |
der Lösung der Schuldenkrise entgegenkommen, heißt es in Brüssel. | |
Doch der für den Euro zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis schließt | |
dieses Tauschgeschäft kategorisch aus. „Beide Dinge haben nichts | |
miteinander zu tun“, sagt er. Die EU-Kommission halte sich an die bekannten | |
Vorschläge, die seit Wochen auf dem Tisch liegen. | |
Doch die greifen zu kurz. So würde die geplante – und nicht einmal in | |
Ansätzen verwirklichte – Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen auf die | |
EU-Länder die Krise kaum entspannen. Denn mittlerweile sind schon mehr als | |
1 Million Menschen angekommen. Zudem sollen die 160.000 nur aus | |
Griechenland, Italien und Schweden umverteilt werden; Deutschland würde | |
nach diesem EU-Plan nicht entlastet. | |
## Was ist mit den Hotspots? | |
Nicht viel besser sieht es mit den heiß diskutierten „Hotspots“ aus. Die | |
umstrittenen Registrierungs- und Umverteilungszentren für Flüchtlinge | |
scheitern nicht nur daran, dass Griechenland unfähig oder unwillig wäre. | |
Sie stehen auch vor dem Problem, dass es nicht genügend Aufnahmeplätze | |
gibt. Bisher wurden davon EU-weit nur 4.237 gemeldet, selbst Deutschland | |
stellt bloß 40 Plätze bereit. Die „Hotspots“, aus denen die Flüchtlinge … | |
eine neue Heimat geschickt werden sollen, erweisen sich als Sackgasse. | |
Deshalb rückt nun die „Sicherung der Außengrenzen“ in den Vordergrund. Do… | |
der Vorschlag, die EU-Grenzschutzagentur Frontex zu einer regelrechten | |
Küstenwache auszubauen, ist gerade einmal vier Wochen alt – die | |
EU-Kommission hat damit viel zu lange gewartet. Bis er umgesetzt wird, | |
dürften noch einige Monate vergehen, in Brüssel rechnet man erst im | |
kommenden Juni damit. | |
Kanzlerin Angela Merkel braucht aber schon vorher eine spürbare Senkung der | |
Flüchtlingszahlen; diese „europäische Lösung“ kommt also wohl auch zu sp… | |
Bereits beim nächsten EU-Gipfel Mitte Februar will Merkel eine | |
Zwischenbilanz ziehen. | |
Doch selbst wenn die Küstenwache dann einsatzbereit sein sollte, wenn | |
Hotspots und Umverteilung endlich anlaufen würden, wäre die Krise nicht | |
gelöst. Dazu müsste auch noch die Türkei den „Nachschub“ an Flüchtlingen | |
begrenzen, wozu sie bisher nicht bereit ist. | |
## Was wäre denn gerecht? | |
So dreht sich die Debatte im Kreise, gute Optionen gibt es keine mehr. Nur | |
einen Trumpf haben Juncker und sein Team noch in der Hinterhand: Im März | |
wollen sie einen Vorschlag zur legalen Einwanderung und zur Integration der | |
Flüchtlinge vorlegen. Geplant ist auch eine Reform des Dublin-Systems, das | |
die Asylverfahren regelt. Alles zusammen soll für eine gerechtere | |
Verteilung der Flüchtlinge sorgen. Allerdings müssen alle 28 EU-Staaten dem | |
Reformpaket erst noch zustimmen. Und genau da liegt das Problem: Ein | |
Konsens ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Der Graben zwischen West und Ost, | |
zwischen „Willigen“ und „Unwilligen“ ist tiefer denn je. | |
Und die „Koalition der Willigen“, die Merkel im Herbst geschmiedet hat, um | |
eine „europäische Lösung“ voranzubringen, ist seit der Kehrtwende in | |
Österreich zerbrochen. Bisher war Kanzler Werner Faymann dafür der | |
wichtigste Verbündete. Nun ist er ein weiteres Risiko. | |
28 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flüchtlinge | |
EU-Kommission | |
Jean-Claude Juncker | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
EU-Außengrenzen | |
Martin Schulz | |
Flüchtlingshilfe | |
Schwerpunkt Flucht | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schwerpunkt Flucht | |
Asylrecht | |
Österreich | |
Festung Europa | |
Schwerpunkt Türkei | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Reformen in Griechenland: Schulz fordert Flexibilität der EU | |
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erwägt, den Griechen für ihren | |
Reformkurs Zeit zu geben. Das Land ist von der Flüchtlingskrise stark | |
betroffen. | |
Helfen vor Ort: Flüchtlingshilfe selbstgemacht | |
Das Projekt „Seehilfe“ fährt nun schon seit zwei Jahren auf eigene Faust | |
nach Sizilien, um Geflüchteten zu helfen – und auf Vortragsreisen durch | |
ganz Deutschland. | |
Flüchtlingspolitik auf griechischer Insel: Kos will den Hotspot nicht | |
Der Bürgermeister von Kos fordert, die Errichtung eines | |
Flüchtlings-Hotspots auf der Insel zu stoppen. Er fürchtet gewalttätige | |
Proteste und sinkende Einnahmen | |
Kommentar Merkels Flüchtlingspolitik: Die Simulation von Politik | |
In den kommenden Wahlen könnte die Union Stimmen verlieren. Deshalb | |
verspricht Merkel der Klientel ihrer Partei nun realitätsfremde Dinge. | |
Österreich setzt auf Massenausweisung: 50.000 Abschiebungen geplant | |
Österreich bereitet nun auch Abschiebungen im großen Stil vor. Zehntausende | |
Flüchtlinge sollen in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. | |
Koalition und Asylpaket II: Einigung bei Familiennachzug | |
Nach langem Streit steht das Asylpaket II, das den Familiennachzug | |
beschränkt. Die Koalition lobt sich selbst, die Grünen finden das alles | |
„sehr bedauerlich“. | |
Reaktionen auf Obergrenze in Österreich: Was nun? | |
Flüchtlingskoordinator Altmaier reagiert vorsichtig auf Österreichs | |
Vorstoß. Die Merkel-Kritiker in der Union freuen sich. Die Folgen sind | |
unklar. | |
Debatte Europäische Flüchtlingspolitik: Paradies hinterm Stacheldraht | |
Was an den südlichen Zugängen zur Europäischen Union geschieht, ist | |
letztendlich die Zersetzung eines Idealbildes von Europa. | |
Vorwurf von Amnesty International: EU finanziert Flüchtlingshaftzentren | |
Amnesty International wirft den türkischen Behörden vor, Syrer und Iraker | |
zurück in den Krieg zu schicken. Ein EU-Aktionsplan sei schuld. | |
EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise: Mehr Geld, mehr Grenzen | |
Es geht doch noch: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nach | |
monatelangem Streit auf umfassende Schritte in der Flüchtlingskrise | |
geeinigt. |