# taz.de -- Koalition und Asylpaket II: Einigung bei Familiennachzug | |
> Nach langem Streit steht das Asylpaket II, das den Familiennachzug | |
> beschränkt. Die Koalition lobt sich selbst, die Grünen finden das alles | |
> „sehr bedauerlich“. | |
Bild: SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel gibt den Koalitionskompromiss zum Asylpak… | |
BERLIN dpa/epd/afp | Die Spitzen der großen Koalition haben sich auf | |
weitere Asylrechtsverschärfungen verständigt. „Das Asylpaket II, das steht | |
jetzt, und das kann sehr schnell durchs Kabinett“, sagte SPD-Chef Sigmar | |
Gabriel am Donnerstagabend nach einem Treffen mit CDU-Chefin Angela Merkel | |
und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. | |
Für Flüchtlinge mit eingeschränktem („subsidiärem“) Schutzstatus soll d… | |
Familiennachzug nun – wie eigentlich schon im November vereinbart – für | |
zwei Jahre ausgesetzt werden. Allerdings sollen Angehörige, die noch in | |
Flüchtlingscamps in der Türkei, Jordanien und dem Libanon sind, vorrangig | |
mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Solche Kontingente müssen | |
aber noch auf EU-Ebene vereinbart werden. Diese Sonderregelung zielt vor | |
allem auf Syrer. | |
„Subsidiär Geschützte“ sind Menschen, die sich nicht auf das | |
Asyl-Grundrecht berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer | |
Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch nicht heimgeschickt werden, | |
weil ihnen dort zum Beispiel Todesstrafe oder Folter drohen. Sie bekommen | |
zunächst nur eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Es handelt sich um | |
eine relativ kleine Gruppe. | |
Die Koalition vereinbarte auch bereits weitere Gesetzesvorhaben, wie die | |
Einstufung zusätzlicher Länder als „sichere Herkunftsstaaten“. Bund und | |
Länder wollen außerdem gemeinsam ein Integrationsprogramm erarbeiten. | |
## Reaktionen aus Koalition und Opposition | |
SPD und Union zeigen sich trotz gegenseitiger Zugeständnisse zufrieden mit | |
der endgültigen Einigung der großen Koalition auf das Asylpaket II. | |
Kompromisse bedeuteten immer, „dass man nicht alles bekommt, was man gerne | |
möchte“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer | |
(SPD). Die saarländische Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) | |
sagte, der Union sei es gelungen, die SPD wieder auf die Linie vom November | |
vergangenen Jahres zu bringen, als das zweite Asylpaket bereits in | |
Grundzügen beschlossen worden war. | |
CDU-Vize Thomas Strobl sagte, die Christdemokraten seien „prinzipiell immer | |
für Familiennachzug“. Derzeit sei jedoch eine halbe Million Syrer mit | |
Anspruch auf Familiennachzug im Land. „Es sind einfach schlichtweg zu | |
viele“, sagte der CDU-Politiker. Die Entscheidung, den Familienzuzug für | |
Flüchtlinge mit geringerem Schutzstatus zu begrenzen, verschaffe „eine | |
Atempause“. | |
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen hat die Aussetzung | |
des Nachzugs von Flüchtlingsfamilien kritisiert. Die Entscheidung der | |
großen Koalition, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit einem geringeren | |
Schutzstatus für zwei Jahre einzuschränken, sei „sehr bedauerlich“, sagte | |
Roth am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung maybrit illner. In die reichen | |
Länder des Nordens kämen nicht einmal zehn Prozent jener Menschen, die | |
derzeit weltweit auf der Flucht seien. | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière erwartet eine schnelle Umsetzung des | |
Asylpakets II. „Ich hoffe wir können damit nächste Woche ins Kabinett“, | |
sagte der CDU-Politiker am Freitag im ARD-Morgenmagazin. | |
Die Kanzlerin sagte, die Koalition, aber auch alle staatlichen Ebenen seien | |
„sehr handlungsfähig“ in der Flüchtlingskrise. Merkel, Gabriel und Seehof… | |
hatten sich bereits vor knapp drei Monaten in den Grundzügen auf das | |
Asylpaket II verständigt, das im Wesentlichen die Einrichtung neuer | |
Aufnahmestellen mit Schnellverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen | |
vorsieht. Über weitere Punkte – vor allem den Familiennachzug - war danach | |
aber großer Streit ausgebrochen. | |
## Neue Regelung für Syrer | |
Die große Gruppe der Syrer erhält derzeit vor allem Schutz nach der Genfer | |
Konvention. Bald könnten aber auch sie wieder vermehrt nur „subsidiären | |
Schutz“ bekommen. Die SPD hatte Syrer ursprünglich ganz von der | |
Einschränkung beim Familiennachzug verschonen wollen, konnte sich damit | |
aber nicht durchsetzen. Daher nun der Kompromiss mit den geplanten | |
EU-Kontingenten. Die Beschränkung beim Familiennachzug soll nach zwei | |
Jahren automatisch auslaufen. | |
Auch bei einem weiteren offenen Punkt aus dem Asylpaket einigten sich die | |
Koalitionspartner: Die Eigenbeteiligung von Asylbewerbern für | |
Integrationskurse soll künftig zehn Euro im Monat betragen. | |
Seehofer erklärte: „Ich bin hoch zufrieden.“ Die Verzögerung habe nicht d… | |
CSU zu vertreten, die sich zu jedem Zeitpunkt an November-Vereinbarung | |
gehalten habe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Der Beschluss trägt | |
dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und | |
Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“ | |
Die Koalitionäre verständigten sich zusätzlich darauf, in einem nächsten | |
Gesetzesvorhaben bessere Bedingungen für junge Flüchtlinge zu schaffen, die | |
in Deutschland eine Ausbildung machen. Sie sollen laut Gabriel nach einer | |
erfolgreichen Lehre künftig zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen. | |
## Sichere Herkunftsstaaten | |
Union und SPD wollen außerdem Marokko, Algerien und Tunesien als weitere | |
„sichere Herkunftsstaaten“ einstufen, um Asylbewerber von dort schneller | |
wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Zahl der Asylbewerber aus | |
Marokko und Algerien war Ende des vergangenen Jahres deutlich gestiegen, | |
die Zahlen aus Tunesien allerdings kaum. | |
Merkel äußerte sich nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der | |
Länder zuversichtlich, dass im Bundesrat die nötige Mehrheit für die | |
Einstufung der nordafrikanischen Länder zusammenkommt. „Ich sehe ganz gute | |
Chancen“, sagte sie. Die Bundesregierung werde dazu schnell einen | |
Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen. | |
Bund und Länder vereinbarten außerdem, einen Integrationsplan zu | |
erarbeiten. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Seiten soll bis Ende | |
Februar erste Eckpunkte und bis Ende März ein Konzept vorlegen. | |
Die SPD fordert angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ein | |
milliardenschweres Programm, um neue Kita-Plätze, Erzieherstellen und | |
Wohnungen zu finanzieren. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) | |
sagte, über die finanzielle Größenordnung sei noch nicht gesprochen worden. | |
Das sei nun Aufgabe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die Einrichtung der | |
Runde sei ein großer Schritt hin zur „Beherrschbarkeit der Situation“. Ohne | |
die Hilfe des Bundes könnten Länder und Kommunen die Herausforderungen | |
nicht bewältigen. | |
29 Jan 2016 | |
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