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# taz.de -- Verschärfung des Strafrechts: Besserer Schutz vor Vergewaltigung
> Das Kanzleramt gibt grünes Licht für eine Verschärfung des
> Vergewaltigungsparagrafen. Vorher hatte es diese monatelang blockiert.
Bild: „Nein“ heißt auch in Zukunft nicht Nein, bekommt aber mehr Gewicht.
Freiburg taz| Das Kanzleramt blockiert die Verschärfung des
Vergewaltigungsstrafrechts nicht mehr. Der lange schon vorliegende
Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) wurde kurz vor
Weihnachten an Länder und Verbände verschickt. Es handelt sich also nicht
um eine Reaktion auf die [1][Vorgänge von Köln] – obwohl der Gesetzentwurf
auch für derartige Übergriffe Relevanz haben kann.
Anlass für die aktuelle Diskussion ist die [2][Istanbul-Konvention des
Europarats], dem 47 Staaten angehören. Nach dieser Konvention aus dem Jahr
2011 ist jede „nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung“ zu
bestrafen. Deutschland hat den völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnet,
muss ihn also umsetzen.
Nach derzeitigem Recht gilt ein Geschlechtsverkehr [3][nur in drei
Konstellationen] als Vergewaltigung: wenn er mit Gewalt oder mit bestimmten
Drohungen erzwungen wird oder wenn der Täter eine schutzlose Lage ausnutzt.
Es genügt also nicht, dass eine Frau eindeutig Nein sagt und der Mann dann
trotzdem in sie eindringt. Dies wird von der Frauenbewegung schon [4][seit
Langem kritisiert].
Nach längerem Zögern hat Justizminister Maas im Juli 2015 einen
Gesetzentwurf vorgelegt, der zumindest in die richtige Richtung geht.
Anders als ein Gesetzentwurf der Grünen will Maas zwar nicht das Prinzip
„Nein heißt Nein“ umsetzen, aber zumindest einige Schutzlücken schließen.
Danach soll im Strafgesetzbuch künftig ein novellierter Paragraf 179 den
sexuellen Missbrauch „unter Ausnutzung besonderer Umstände“ unter Strafe
stellen. Angedroht sind jeweils Freiheitsstrafen zwischen 6 Monaten und 10
Jahren.
## Gewalt nicht ausschlaggebend
Erfasst werden soll künftig etwa der Fall, dass die Frau Angst vor der
üblichen Gewalttätigkeit des Mannes hat und deshalb den erkennbar
abgelehnten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lässt. Anders als bisher
käme es nicht darauf an, ob der Mann in der konkreten Situation Gewalt
anwendet oder androht.
Ausdrücklich erwähnen will Maas im Strafgesetzbuch auch den Fall, dass das
Opfer „aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig
ist“. Gemeint sind zum Beispiel überraschende Griffe an die Brust oder
zwischen die Beine. Bisher wurde dies teilweise als Beleidigung bestraft.
Dies ist umstritten, weil es nicht um Ehre, sondern um die sexuelle
Selbstbestimmung geht.
Diese Änderung könnte auch für Übergriffe wie in Köln relevant sein. Eine
rückwirkende Anwendung der Verschärfung ist allerdings rechtsstaatlich
ausgeschlossen.
## Gutes Timing
Das Kanzleramt hatte den Gesetzentwurf ohne Begründung seit Juli blockiert.
Beobachter gingen davon aus, dass man dort die Verschärfung des
Sexualstrafrechts als unpopulär einschätzte, weil vor allem sexuelle
Übergriffe in Beziehungen betroffen wären. Die übliche Vorabanhörung von
Ländern und Verbänden konnte deshalb bisher nicht stattfinden. Kurz vor
Weihnachten gab Merkels Haus dann, wieder ohne Begründung, doch grünes
Licht. Neben der SPD hatte sich auch die CDU-Fraktion für
Maas’Gesetzentwurf eingesetzt.
Vor zwei Tagen verlangte Kanzlerin Merkel eine „harte Antwort des
Rechtsstaats“ auf die Kölner Übergriffe. Glück für sie, dass ihr Haus kurz
vorher im Konflikt mit Maas eingelenkt hatte.
7 Jan 2016
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
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