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# taz.de -- Konvention gegen Gewalt gegen Frauen: Wer sich nicht wehrt, willigt…
> Seit August gilt eine neue Konvention gegen Gewalt gegen Frauen.
> Deutschland hinkt hinterher: Viele Arten von Vergewaltigung sind nicht
> strafbar.
Bild: Mit Vergewaltigern geht das deutsche Recht noch immer sehr milde um.
BERLIN taz | Wenn jemand Ihnen Luft aus dem Autoreifen lässt, dann ist das
strafbar. Wenn jemand Ihnen eine Ohrfeige gibt, ist das mindestens eine
„tätliche Beleidigung“, wenn nicht Körperverletzung – und strafbar.
Körperverletzung kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Wenn
jemand Sie vergewaltigt, und Sie haben geweint und „Nein“ gerufen – wird …
nicht bestraft. Wie das Strafgesetzbuch und die deutsche Justiz mit
vergewaltigten Frauen umgehen, zeigt eindrücklich [1][eine Analyse von gut
hundert Fällen], die der Bundesverband Frauenberatungen und Frauennotrufe
(BFF) jetzt vorgelegt hat.
Am 1. August ist die Istanbul-Konvention des Europarats in Kraft getreten.
Sie setzt Mindeststandards für staatliche Maßnahmen zur Verhütung und
Ahndung von Gewalt gegen Frauen. Deutschland hat sie unterzeichnet, aber
noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. Der Konvention zufolge müssen
sexuelle Handlungen, die nicht einverständlich erfolgen, bestraft werden.
Das aber ist in Deutschland nicht der Fall.
So heißt es in einem Urteil: „Die Vornahme sexueller Handlungen allein
gegen den Willen einer Person hat der Gesetzgeber nicht unter Strafe
gestellt.“ Das Justizministerium sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Nach
dem deutschen Strafrecht ist Vergewaltigung bisher nur dann strafbar, wenn
der Täter Gewalt anwendet oder eine „gegenwärtige Gefahr für Leib und
Leben“ androht. Oder wenn er die schutzlose Lage eines Opfers ausnutzt.
Weil diese Voraussetzungen oft nicht erfüllt sind, werden häufig Verfahren
eingestellt, obwohl das Opfer seinen entgegenstehenden Willen klar zum
Ausdruck brachte.
## Keine Gegenwehr um zu überleben
Die Autorinnen belegen, dass Gerichte häufig darauf abstellen, dass das
Opfer „Widerstand“ leistet, der vom Täter mit Gewalt gebrochen wird. Viele
Opfer fallen jedoch in eine Art Schockstarre, weil die Vergewaltigung von
einem Bekannten ausgeführt wurde, von dem sie das nicht erwartet haben. Die
verlangte Gegenwehr, stellen die Autorinnen fest, sei für Frauen ohnehin
untypisch, sie „entspricht in der Regel nicht deren Sozialisation, sie gilt
in anderen Situationen als ’unweiblich‘ und für Frauen unangemessen“. Zu…
könne der Verzicht auf Gegenwehr „eine gut begründete Überlebensstrategie
sein, um schwere Verletzungen zu vermeiden“.
Auch die zweite Alternative – die Drohung mit einer „gegenwärtigen Gefahr
für Leib und Leben“ – sei oft nicht erfüllt, weil mit anderen Übeln gedr…
werde. Es gebe Ehemänner, die ihrer ausländischen Frau drohten, die
Abschiebung in die Wege zu leiten, wenn sie nicht gefügig sei. Selbst die
später eingeführte Alternative der „schutzlosen Lage“ wird eng ausgelegt,
wie ein in der Studie zitierter Einstellungsbeschluss einer
Staatsanwaltschaft zeigt: „Insbesondere ist dem Beschuldigten nicht
hinreichend sicher nachzuweisen, dass er die Haustür abgeschlossen und den
Schlüssel für Sie unerreichbar aufbewahrt hat.“
## Kein Anlass zu Veränderungen
Kritik wird auch an der Rechtsprechung zu einem anderen Delikt, dem
sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger, geübt. Eine Frau, die von ihrem
Partner im Schlaf vergewaltigt wird und dabei aufwacht, darf vom
Bundesgerichtshof vernehmen, dass der Täter „in einer Intimbeziehung von
einem grundsätzlichen Einverständnis in sexuelle Handlungen“ ausgehen kann,
sodass die Strafbarkeit entfällt.
Die Verantwortung für das, was als strafwürdiger sexueller Übergriff
gewertet wird, werde statt dem Täter dem Opfer übertragen, schließen die
Forscherinnen. Die Istanbul-Konvention soll genau das verhindern. Die
rechtspolitischen SprecherInnen aller Fraktionen sehen Handlungsbedarf.
Doch Justizminister Heiko Maas (SPD) sieht keinen Anlass, den
„Vergewaltigungsparagrafen“ 177 im Strafgesetzbuch zu ändern. Die aktuelle
Fassung genüge den Anforderungen der Istanbul-Konvention. Denn das deutsche
Strafrecht fordere gerade nicht in allen Fällen den Beweis für physischen
Widerstand.
7 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.frauen-gegen-gewalt.de/pm/items/bff-pressemitteilung-was-ihnen-w…
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
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