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# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Ein Paragraf, der wehtut
> Nein heißt Nein, aber ein Nein reicht in Deutschland nicht aus. Die
> meisten Vergewaltigungen bleiben straffrei.
Bild: Können völlig veraltet sein: Paragrafen.
Niemand beschäftigt sich gern mit Gesetzen zum Thema Vergewaltigung. Die
meisten Menschen fangen erst an, sich damit auseinanderzusetzen, wenn sie
selbst damit konfrontiert sind oder jemand aus ihrem Umkreis ein Problem
hat. So verständlich das ist, so schockiert sind die meisten, wenn sie
erkennen, wie unfassbar schlecht die Gesetzeslage in Deutschland ist.
Im Moment ist Vergewaltigung in Deutschland in sehr vielen Fällen nicht
strafbar. Zum Beispiel immer dann, wenn das Opfer „einfach nur“ geweint und
Nein geschrien hat. Laut [1][Paragraf 177] des Strafgesetzbuches sind
sexuelle Nötigung und Vergewaltigung nur dann strafbar, wenn der Täter „1.
mit Gewalt, 2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
oder 3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des
Täters schutzlos ausgeliefert ist“, eine Person genötigt hat, „sexuelle
Handlungen“ auszuführen oder zu erdulden.
Deutschland hat zwar die [2][Istanbul-Konvention] unterzeichnet, laut der
alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen strafbar sein sollen.
Rechtlich ist diese Forderung aber [3][nicht umgesetzt]. Aus der
Pressestelle des Justizministeriums [4][ist zu hören], dass geprüft werde,
„ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf auch im Hinblick § 177 StGB besteht“,
das Thema sei „nicht vom Tisch“.
Allein: Es gibt da nicht so fürchterlich viel zu prüfen. Es ist schon
geprüft, es gibt genug Studien zur rechtlichen Situation von
Vergewaltigungsopfern in Deutschland. Eine der [5][neuesten Analysen] trägt
den Titel „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“
vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Darin wurden
Fälle untersucht, in denen Menschen sich gegen sexuelle Übergriffe verbal
gewehrt haben. Die Ergebnisse sind sehr hässlich.
## Wenig Aussicht auf Verurteilung
Ihr Portemonnaie ist rechtlich besser geschützt als Ihre sexuelle
Selbstbestimmung: Wenn jemand Ihnen den Geldbeutel klaut und Sie nichts
dagegen tun, ist der Diebstahl trotzdem strafbar. Wenn jemand Sie
vergewaltigt und Sie schreien, wird dem Täter höchstwahrscheinlich nichts
passieren.
Viele Frauen wissen das. Von den Frauen, die vergewaltigt werden, zeigen –
je nachdem, welcher Studie man folgt – 84,5 bis 95 Prozent die Tat gar
nicht erst an. Bei den Taten, die angezeigt werden, kommt es nur bei 8,4
Prozent zu einer Verurteilung. Die meisten Anzeigen enden damit, dass das
Verfahren eingestellt wird, bevor es zu einem Prozess kommt.
Bis zu diesem Punkt haben viele derjenigen, die sich getraut haben,
anzuzeigen – zusätzlich zu der Gewalt, die ihnen widerfahren ist –, viel
Zeit und Nerven verloren und unfassbar viel [6][Scheiße zu hören bekommen].
Entwürdigende, verletzende, unprofessionelle Scheiße. Von Menschen, von
denen sie Hilfe erwartet haben. Menschen bei der Polizei, im Amtsgericht,
auch bei Beratungsstellen. Ausgebildete Menschen, die wissen müssten, wie
sie sich zu benehmen haben.
Paragraf 177 zu ändern, ist die eine Sache. Diese Menschen zu schulen, wie
sie mit Opfern von Gewalt umgehen sollten, eine andere.
14 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__177.html
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbereinkommen_des_Europarats_zur_Verh%C3%…
[3] /Konvention-gegen-Gewalt-gegen-Frauen/!143720/
[4] http://twitter.com/BMJV_Bund/status/498855189856935936
[5] http://www.frauen-gegen-gewalt.de/pm/items/bff-pressemitteilung-was-ihnen-w…
[6] /Rape-Culture/!108850/
## AUTOREN
Margarete Stokowski
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