# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Im Recht, am Arsch | |
> Das Sexualstrafrecht ist okay, sagt ein Bundesrichter. Wie aber sollen | |
> sich Frauen wehren, denen das Kämpfen abtrainiert wurde? | |
Bild: „Hast du Spaß?“, fragt Heidi Klum. Klar. Jede Menge. | |
Es ist gut, wenn Leute, die keine JournalistInnen sind, Kolumnen kriegen. | |
Das bringt Abwechslung. So. Fertig. Das war der frohlockende Teil der | |
Kolumne. Jetzt der Rest. | |
Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt neuerdings eine | |
Rechtskolumne auf Zeit Online: [1][„Fischer im Recht“]. Er erklärt darin, | |
warum er [2][die Bemühungen], das deutsche Sexualstrafrecht zu ändern, für | |
übertrieben hält. (Hier [3][Teil 1] und [4][Teil 2] der Kolumne) | |
Im Moment ist es so, dass jemand, der sexuelle Handlungen „nur“ gegen den | |
Willen einer erwachsenen und nichtbehinderten Person durchführt, sich | |
[5][nicht strafbar] macht. Das Gesetz so zu ändern, dass mehr Täter | |
verurteilt werden können, findet Fischer falsch: „Je mehr der Staat […] | |
behauptet, er müsse ’um der Opfer willen‘ einen ’Missbrauch‘ verhinder… | |
desto mehr verschiebt er die Grenze der Freiheit auch gegen die ’Opfer‘ | |
selbst.“ | |
Dass die Freiheit, die hier verteidigt wird, die „der Männer und ihrer | |
Durchsetzungsmechanismen“ ist, hat Renate Künast, die auch Juristin ist, | |
[6][zu Recht geantwortet]. Das dürfte Fischer [7][nicht weiter stören]. | |
Fischer ist ein harter Hund, und hart sollen alle anderen auch sein. Dass | |
es Erwachsene gibt, die sich fügen, wenn jemand gegen ihren Willen mit | |
ihnen Sex will: Tja nun. Schwer zu beweisen. Jeder erträgt mal was. Zitat: | |
„Steuerzahlen! Rasenmähen! Rechts Fahren!“ | |
## „Es gibt keinen Skandal“ | |
Fischer und Künast diskutieren unter anderem die Frage, was eine | |
15-Jährige, die eine Vergewaltigung über sich ergehen ließ, „hätte besser | |
machen sollen“. Ob sie nicht nur einmal hätte „nein“ sagen sollen, sonde… | |
177 mal. (Paragraf [8][177 StGB] [9][definiert Vergewaltigung].) | |
Thomas Fischer kritisiert, dass das, was die OpfervertreterInnen heute | |
wollen, schon in den Neunzigern von Feministinnen gefordert wurde: „Die | |
neue Kampagne ist die alte Kampagne“. Macht sie das zu einer schlechten? | |
Schon nach Tschernobyl wollten Leute aus der Atomkraft aussteigen – und | |
nach Fukushima schon wieder. Wie retro. | |
„Es gibt keinen Skandal“, schreibt Fischer über das Sexualstrafrecht. Nein, | |
man muss das nicht „Skandal“ nennen – man kann auch erklären, dass es um | |
ein massives, hässliches, tiefsitzendes gesellschaftliches Problem geht, | |
das sich im Strafrecht aufs Ekelhafteste widerspiegelt. Fischer, du bist | |
Deutschland, und das ist kein Kompliment. | |
Fischers Fazit – „Ich empfehle, das Sexualstrafrecht endlich einmal in Ruhe | |
zu lassen“ – könnte zynischer nicht sein. Okay. Es könnte. Er hätte auch | |
empfehlen können, die Täter in Ruhe zu lassen. | |
## „Hab ’n bisschen mehr Spaß!“ | |
In einer Gesellschaft, die Mädchen und Frauen konsequent das Kämpfen | |
aberzieht, ist ein Sexualstrafrecht mit der Botschaft „Hättest du dich mal | |
härter gewehrt“ blanker Hohn. | |
Gerade hat die zehnte Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ begonnen: eine | |
Sendung, die im Großen und Ganzen daraus besteht, den Willen junger Frauen | |
zu brechen. Die beliebteste Folge jeder Staffel ist das „Umstyling“, bei | |
dem die „Mädchen“ Frisuren kriegen, die sie nicht wollen. Bis dahin hat | |
jede Teilnehmerin mehrfach bestätigt, wie toll sie ihre Teilnahme an der | |
Show findet. „Hast du Spaß?“, fragt Heidi Klum, oder befiehlt direkt: „H… | |
’n bisschen mehr Spaß!“ In den Pausen: Werbung für Diätmittel. | |
Im Kino fährt gerade die [10][Verfilmung eines Buchs] Rekordgewinne ein, in | |
dem Manipulation und Grenzüberschreitung als großer erotischer Fun verkauft | |
werden. Wir können weiter daran arbeiten. Wenn wir Mädchen immer mehr zu | |
[11][Prinzessinnen] und [12][Meerjungfrauen] machen, merken sie irgendwann | |
gar nicht mehr, wie ihnen geschieht. Prinzessinnen kämpfen nicht. Sie | |
warten und ertragen. | |
Es ist kein Zufall, wenn sich die Mädchen, in einer Welt, die immer pinker | |
wird, immer weniger wehren. Damit es nicht wehtut, sollten wir ihnen noch | |
das Nervensystem inklusive Gehirn amputieren. Dann werden sie auch – wie | |
praktisch – ein kleines bisschen leichter. | |
19 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/serie/fischer-im-recht | |
[2] http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a06/anhoerungen/stellungnah… | |
[3] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexua… | |
[4] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexua… | |
[5] /Debatte-Vergewaltigungsparagraf/!152267/ | |
[6] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-02/sexuelle-gewalt-kolumne-fisc… | |
[7] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-02/sexuelle-gewalt-strafrecht-f… | |
[8] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__177.html | |
[9] /Kolumne-Luft-und-Liebe/!144140/ | |
[10] /Softporno-bei-der-Berlinale/!154648/ | |
[11] http://pinkstinks.de/putzen-fuer-den-astronauten/ | |
[12] http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/beruf-meerjungfrau-krankenschwe… | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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