# taz.de -- „Trigger Warnings“ auf Büchern: Lesen auf eigene Gefahr | |
> Krieg, Rassismus, Vergewaltigung – US-amerikanische StudentInnen wollen | |
> künftig vor traumatischen Inhalten in Büchern gewarnt werden. | |
Bild: Stöbern in der Unibibliothek – möglicherweise gefährlich? | |
Antisemitismus in „Der Kaufmann von Venedig“, Selbstmord in „Der große | |
Gatsby“, Rassismus in „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ – unzählige | |
Literaturklassiker schocken mit schwer verdaulichem Inhalt. Damit sind sie | |
eine potentielle Gefahr für die psychische Gesundheit von LeserInnen, die | |
in ihrer Vergangenheit selbst traumatische Erfahrungen gemacht haben. | |
So zumindest sehen es StudentInnen an der University of California in Santa | |
Barbara. Ihre Forderung deshalb: Bücher und Filme, die im Seminarraum | |
besprochen werden, sollen mit so genannten „Trigger Warnings“ versehen | |
werden. Mit Warnhinweisen, wie man sie etwa von Zigarettenschachteln kennt. | |
Wo sonst „Rauchen kann tödlich sein“ steht, soll zum Beispiel der Hinweis | |
„TW: Selbstmord, häusliche Gewalt, explizite Gewaltdarstellung“ das Cover | |
von F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“ zieren. Studierende sollen | |
dadurch vorab entscheiden können, ob sie sich der Darstellung von Krieg, | |
Vergewaltigungsszenen und Gewalt aussetzen wollen. | |
An der University of Michigan, dem Oberlin College und anderen | |
amerikanischen Hochschulen gab es bereits ähnliche Forderungen. Am | |
Wellesley College unterzeichneten außerdem hunderte StudentInnen eine | |
Petition, um eine lebensgroße Skulptur vom Campusgelände entfernen zu | |
lassen, die einen [1][schlafwandelnden Mann in Unterhosen] zeigt. Grund | |
dafür: Die Statue wecke womöglich Erinnerungen an sexuelle Übergriffe. | |
## Gefahr für die akademische Freiheit? | |
Warnhinweise, die die Studenten bevormunden und in Watte packen: Unter | |
Lehrenden stößt die Idee auf wenig Gegenliebe. Lisa Hajjar, Professorin für | |
Soziologie an der University of California, sieht darin vor allem eine | |
Gefahr für die akademische Freiheit. „Jeder Student kann nach einer | |
individuellen Betreuung verlangen“, wird sie [2][in der New York Times | |
zitiert], „aber zu sagen, wir bräuchten eine Art Einheitsregelung, ist | |
vollkommen falsch“. | |
Auch Greg Lukianoff, Präsident der Foundation for Individual Rights, hält | |
provokative Inhalte für einen elementaren Teil des Studiums. „Dazu gehört | |
auch, über todernste und unangenehme Themen zu sprechen.“ | |
Ob und in welchem Umfang Trigger Warnings jemals eingesetzt werden, ist | |
natürlich noch unklar. Bedenkt man, wie komplex Auslösereize sein können, | |
lässt sich auch kaum eine Grenze ziehen, wovor eigentlich nicht gewarnt | |
werden sollte. Fest steht nur: Auf filmwissenschaftlichen Büchern sollte in | |
Zukunft bitte dick und fett „Vorsicht, Spoiler“ stehen. | |
23 May 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.cbsnews.com/news/sculpture-of-man-in-underwear-turning-some-head… | |
[2] http://www.nytimes.com/2014/05/18/us/warning-the-literary-canon-could-make-… | |
## AUTOREN | |
Josef Wirnshofer | |
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Schwerpunkt Rassismus | |
Vergewaltigung | |
Sharon Dodua Otoo | |
Kinderbücher | |
Otfried Preußler | |
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