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# taz.de -- Professorin über Sexualstrafrecht: „Deutschland ist da rückstä…
> Der Entwurf von Justizminister Heiko Maas ist nicht konsequent, sagt
> Strafrechtlerin Tatjana Hörnle. Viele Länder in Europa seien schon
> weiter.
Bild: Slutwalk-Demo: Am 4. Juli demonstrierten rund 50 Menschen dagegen, dass F…
taz: Der Justizminister hat einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des
Sexualstrafrechts vorgelegt. Wie finden Sie den Entwurf?
Tatjana Hörnle: Im Vergleich zum Status quo bringt er eindeutig
Verbesserungen. Einige strafwürdige Verhaltensweisen, die bisher straffrei
waren, sollen künftig strafrechtlich erfasst werden. Praktisch wichtig sind
zum Beispiel Fälle, in denen das Opfer deshalb nicht eingeschüchtert werden
musste, weil der Täter von vornherein auf Schnelligkeit, Überraschung und
Überrumpelung setzte. Die Grundkonzeption des Gesetzentwurfs ist aber nicht
überzeugend.
Warum?
Der Gesetzentwurf geht von der alten Erwartung aus, dass das Opfer
körperlichen Widerstand gegen unerwünschte sexuelle Handlungen leistet. Er
führt zwar weitere strafbare Konstellationen ein, bei denen das Opfer
keinen Widerstand leistet, aber diese sind als Ausnahmen von der Regel
konzipiert. Das ist kein modernes Strafrecht.
Weil es nicht auf sexuelle Selbstbestimmung abstellt?
Genau. Die Vorstellung, dass die Frau gegen eine Vergewaltigung Widerstand
leisten muss, stammt aus Zeiten, als das Schutzgut noch die Reinheit und
Geschlechtsehre der Frau war. Erst seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts
schützt das Sexualstrafrecht die sexuelle Selbstbestimmung der Menschen.
Und leider wird dies oftmals nicht konsequent umgesetzt.
Wie müsste eine konsequente Lösung aussehen?
Grundfall des Sexualstrafrechts müsste sein, dass der Täter sich über den
erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt. Es darf keine Konstellationen
geben, bei denen dies straffrei bleibt, nur weil zum Beispiel die Situation
nicht einschüchternd genug war. Es ist meines Erachtens durchaus
strafwürdig, wenn die Frau zwar Nein sagt, dann aber von der Situation
überfordert ist, zu langsam reagiert oder die Dominanz des Mannes
resignierend akzeptiert. In solchen Fällen bleibt der Mann aber auch nach
dem Entwurf des Justizministers straffrei.
Verstößt das nicht gegen die Istanbul-Konvention des Europarats?
Doch. Dort wird gefordert, dass jede „nicht einverständliche“ sexuelle
Handlung strafrechtlich zu ahnden ist. Einige europäische Staaten wie
Großbritannien haben dies schon vor über zehn Jahren so beschlossen.
Deutschland ist da rückständig.
Müssen wir also nur warten, bis die Gremien des Europarats einschreiten?
Davor würde ich warnen. Der Europarat mit seinen 47 Mitgliedern hat keine
so effizienten Sanktionsmechanismen wie die EU. Außerdem gibt es auch viele
andere Staaten, die Anforderungen der Istanbul-Konvention nicht eins zu
eins umsetzen. Vielleicht wird Deutschland, weil es sich ja immerhin
bemüht, nicht einmal gerügt. Wir sollten also nicht auf Europa hoffen,
sondern müssen die Debatte über das Sexualstrafrecht selbst führen.
Sie sind Mitglied der Reformkommission zur Überarbeitung des
Sexualstrafrechts, die das Justizministerium eingesetzt hat. Ist von ihr
ein grundlegender Reformimpuls zu erwarten?
Ziel ist es, bis nächstes Jahr Vorschläge vorzulegen. Wie grundlegend diese
sind, ist noch nicht abzusehen. Allerdings haben sich auch viele
Wissenschaftler und Justizpraktiker mit dem Status quo arrangiert, zum
Beispiel weil sie ihn gut kennen. Positiv ist aber, dass der Justizminister
eine Diskussion über konsequentere Reformen immerhin angeregt hat.
20 Jul 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Sexualstrafrecht
Vergewaltigung
Sexuelle Gewalt
Sexualstrafrecht
Vergewaltigung
Vergewaltigung
Heiko Maas
Sexuelle Gewalt
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