| # taz.de -- Verschärfung des Sexualstrafrechts: Der Wille der Opfer | |
| > Die Ereignisse in Köln rücken das Thema sexualisierte Gewalt in den | |
| > Fokus. Expertinnen fordern eine grundlegende Reform des Rechts. | |
| Bild: Demo gegen sexualisierte Gewalt in Köln. | |
| BERLIN taz | Auf eines können sich alle einigen: Sie wollen Schutzlücken im | |
| Sexualstrafrecht schließen. Von der SPD über die CDU zu Frauenverbänden und | |
| FeministInnen wird der [1][Gesetzentwurf] zur Reform der aktuellen | |
| Rechtslage von Justizminister Heiko Maas (SPD) begrüßt. Doch vielen geht | |
| der Entwurf nicht weit genug. Die breite Unterstützung für die Kampagne | |
| [2][#ausnahmslos] zeigt außerdem, dass man sexualisierte Gewalt nicht | |
| ausreichend bekämpfen kann, indem man sich vor allem auf Abschiebungen | |
| konzentriert. | |
| Der Entwurf sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sagt die | |
| Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes | |
| (DJB), Dagmar Freudenberg. „Aber ‚Nein heißt Nein‘ ist es natürlich nic… | |
| Aus Sicht Freudenbergs ist die Umsetzung der [3][Istanbul-Konvention zur | |
| Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen] mit Maas‘ Gesetzentwurf allein noch | |
| nicht gegeben. Der Entwurf stellt zwar, anders als die bisherige | |
| Rechtslage, auch Missbrauch „unter Ausnutzung besonderer Umstände“ oder | |
| überraschende und deswegen unabwehrbare Übergriffe unter Strafe. Doch dass | |
| eine Frau klar gemacht hat, dass sie in eine sexuelle Handlungen nicht | |
| einwilligt, [4][reicht weiterhin nicht aus]. | |
| Die Reform des [5][Vergewaltigungsparagrafen] (§ 177) dürfe nicht das | |
| letzte Wort sein, fordert Freudenberg. Sie setzt auf die Ergebnisse einer | |
| Arbeitsgruppe im Justizministerium, die seit Anfang 2015 eine mögliche | |
| Reform des gesamten Abschnitts im Strafgesetzbuch prüft, in dem Straftaten | |
| gegen die sexuelle Selbstbestimmung geregelt sind. | |
| Deutlicher äußert sich Elke Ferner (SPD), Staatssekretärin im | |
| Frauenministerium und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft | |
| Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Sie fordert „eine grundlegende Reform | |
| des Sexualstrafrechts, die den Willen der Opfer in den Mittelpunkt stellt.“ | |
| Nur so könne sichergestellt werden, dass ein Nein auch in Deutschland | |
| endlich Nein bedeutet. Ferner zufolge ist die rechtliche Lage eigentlich | |
| ausreichend, das Problem sieht sie in der gängigen Rechtsprechung. Zu | |
| häufig stellten Staatsanwaltschaften und Gerichte das Verhalten des Opfers | |
| in den Vordergrund und verlangen seine deutliche Gegenwehr, so Ferner. | |
| ## Aufruf #ausnahmslos | |
| Sowohl Ferner als auch Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) haben nach | |
| den Übergriffen in Köln den Aufruf #ausnahmslos unterzeichnet. Er richtet | |
| sich entschieden gegen sexualisierte Gewalt. Die Unterzeichnerinnen wehren | |
| sich aber gleichzeitig gegen eine Vereinnahmung ihrer Forderungen durch | |
| PopulistInnen, die gegen eine bestimmte Gruppe hetzen wollen. „Mit einer | |
| Unterschrift ist es nicht getan“, betont Anne Wizorek, Mitinitiatorin des | |
| Aufrufs. Gerade von Unterstützenden, die über bestimmte Machtpositionen | |
| verfügen, wünscht sie sich auch aktive Unterstützung. Rechtliche | |
| Schutzlücken müssten geschlossen werden, darüber hinaus seien aber mehr | |
| öffentliche Aufklärungsarbeit sowie Schulungen für Polizei und Justiz | |
| nötig. Wenn diese Institutionen Frauen eine Mitschuld an Übergriffen geben | |
| würden, etwa weil sie Alkohol getrunken haben, „haben Betroffene so gut wie | |
| keine Chance, ein faires Urteil zu erwarten“, sagt Wizorek. | |
| Der Aufruf #ausnahmslos mache klar, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen kein | |
| Phänomen ist, das Menschen anderer Herkunft oder Religion nach Deutschland | |
| ‚importieren‘, sagt Ferner. „Sexismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen | |
| finden täglich und überall in Deutschland statt – sie sind leider auch Teil | |
| der deutschen Gesellschaft.“ Dass nach den Ereignissen in Köln Menschen | |
| ohne deutschen Pass, die schwere Straftaten begehen, künftig schneller | |
| abgeschoben werden sollen, hält sie für richtig. „Allerdings ist das für | |
| Sexualstraftäter mit deutscher oder einer EU-Staatsbürgerschaft | |
| beziehungsweise einem unanfechtbaren Aufenthaltsstatus keine Abschreckung.“ | |
| ## Über 5.000 Unterschriften | |
| Zur Zeit würden Forderungen gestellt, die mit der Diskussion um den Schutz | |
| sexueller Selbstbestimmung nichts zu tun hätten, kritisiert auch | |
| DJB-Expertin Freudenberg. „Abschiebungen haben ja nicht primär etwas mit | |
| der Prävention sexueller Gewalt zu tun.“ Zudem sei es überhaupt nicht | |
| möglich, etwa Menschen aus Syrien wieder in ihr Heimatland abzuschieben, wo | |
| ihnen Gefahr für ihr Leben droht. „Das dürfen wir nicht – das Recht auf | |
| Asyl ist ein Menschenrecht“, sagt Freudenberg. | |
| Wizorek ist zufrieden mit der Unterstützung, die #ausnahmslos erfahren hat. | |
| Mittlerweile gebe es mehr als 5.000 Unterschriften von Menschen aus allen | |
| gesellschaftlichen Bereichen und Schichten. Das zeige, wie viele Menschen | |
| eine differenzierte Debatte über Sexismus, Rassismus und sexualisierte | |
| Gewalt wünschen. Dabei gehe es genauso darum, TäterInnen zu bestrafen, als | |
| auch Wege zu finden, diese Formen der Gewalt zu verhindern. Dazu gehöre | |
| auch die Stärkung einer „Kultur des Respekts gegenüber Frauen“, sagt | |
| Ferner. „Zur Überwindung des alltäglichen Sexismus muss jede und jeder | |
| einzelne von uns beitragen.“ | |
| 14 Jan 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verschaerfung-des-Strafrechts/!5263352/ | |
| [2] http://ausnahmslos.org/ | |
| [3] http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/210 | |
| [4] /!5040380/ | |
| [5] http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__177.html | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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