| # taz.de -- Antifa-Demo in Freital: Im Feindesland | |
| > Hunderte Antifaschisten demonstieren in Freital und nehmen an einem Fest | |
| > für Toleranz teil. Gegen das hatten Rechte gehetzt. Die Stimmung ist | |
| > angespannt. | |
| Bild: Sich hier sicher fühlen? | |
| Freital taz | Es sind etwa 400 Antifaschisten, die am Freitagabend in | |
| Freital demonstrieren – sie laufen hinter einem Transparent mit der | |
| Aufschrift „Refugees Welcome“ durch die Straßen. Doch für die sächsische | |
| Kleinstadt ist das nicht mehr als ein frommer Wunsch. Die Flüchtlinge, die | |
| im Juni in ein Heim im ehemaligen Hotel Leonardo eingezogen sind, gelten | |
| für viele hier als Eindringlinge. Ebenso wie die überwiegend aus Leipzig, | |
| Dresden und Berlin angereisten linken Aktivisten. | |
| Schon am Ort der Auftaktkundgebung, dem Vorplatz des alten Bahnhof | |
| Potschappel, haben sich in Sichtweite der Flüchtlings-Unterstützer mehrere | |
| Dutzend einheimische Rechte versammelt. Sie stehen vor der | |
| „Timba-Loungebar“ um einen Schirm der lokalen Biermarke Feldschlösschen, an | |
| dem sie eine meterlange Deutschlandfahne befestigt haben. An ihrer | |
| Gesinnung lassen sie keinen Zweifel. „Freital-Elite“ steht auf dem T-Shirt | |
| eines Mannes, auf dem Ärmel prangt ein Eisernes Kreuz. | |
| Die „Zecken“ auf der anderen Straßenseite veranlassen die überwiegend | |
| jungen Männer regelmäßig zu kaum verständlichem Gegröle. Im Lotto- und | |
| Zeitschriftenladen nur wenige Meter vom Treffpunkt der Nazis entfernt, sind | |
| nur wenige Zeitungen im Ständer. Es gibt die Bild, zwei regionale Blätter, | |
| dazu die rechtsextreme National-Zeitung und das Verschwörermagazin Compact. | |
| An einem Laternenpfahl daneben klebt die Umkehrung des Demospruches als | |
| Aufkleber: „Refugees not welcome. Destination Africa“. Aus einem | |
| vorbeifahrenden Auto, dessen Fahrer das Rentenalter schon erreicht haben | |
| dürfte, plärrt die passende Musik. Zu verstehen ist die Textzeile „Du bist | |
| hier in meinem Land“. | |
| Gegen 19 Uhr setzt sich die linke Demo gemächlichen Schrittes in Bewegung. | |
| Ihr Ziel, das Straßenfest der „Organisation für Weltoffenheit und Toleranz | |
| in Freital“ am Neumarkt, ist keine zwei Kilometer entfernt. Ursprünglich | |
| sollte die Kundgebung mit Musik und Kinderprogramm direkt vor dem Heim der | |
| Flüchtlinge stattfinden, doch das hatte das zuständige Landratsamt am | |
| Vortag verboten. Angesichts massiver Drohungen von Nazis in den sozialen | |
| Netzwerken seien neue gewalttätige Auseinandersetzungen nicht | |
| ausgeschlossen, hieß es zur Begründung. | |
| ## Massive Hetze | |
| So hatte etwa die „Bürgerwehr“ Freital auf Facebook massive Hetze gegen die | |
| Demonstration und das Fest verbreitet. Die Stimmung im 40.000-Einwohner-Ort | |
| bei Dresden bekommen die Teilnehmer der linken Demo alle paar Meter zu | |
| spüren. Aus etwa jedem zweiten Haus, das sie passieren, werden sie | |
| beschimpft und aufgefordert, Freital zu verlassen. Es sind dabei nicht nur | |
| junge stiernackige Kahlköpfe, die aus ihren Fenstern pöbeln. Auch ältere | |
| Männer und junge Frauen fühlen sich bemüßigt, den rechten Konsens zu | |
| verteidigen. Auf der Straße versuchen einige Neonazis immer wieder, zur | |
| Demo vorzudringen, doch die Polizei hält sie auf Abstand. Einmal fliegt | |
| eine Flasche, kurz darauf zeigt ein greiser Alter den Hitlergruß. Ein | |
| Polizist führt ihn ab. | |
| Die linken Aktivisten lassen sich nicht provozieren. Die meisten von ihnen | |
| sind nicht zum ersten Mal nach Freital gekommen. Nach dem Einzug der ersten | |
| Flüchtlinge belagerten „besorgte Bürger“ das Heim Tag für Tag. Sächsisc… | |
| Antifaschisten stellten sich ihnen in den Weg. | |
| Viele Demoteilnehmer winken am Freitag den Menschen hinter den Fenstern der | |
| Häuser. Sie werben um Sympathien an einem Ort, an dem das fast aussichtslos | |
| erscheint. Als der Tross sein Ziel erreicht läuft das Fest der | |
| Willkommens-Initiative bereits. Es gibt Kaffee und Kuchen, Kreide und ein | |
| Mini-Trampolin für die Kinder und Berge von Kleiderspenden, die auf dem | |
| Boden ausgebreitet liegen. | |
| Etwa zwei bis drei Dutzend Heimbewohner sind gekommen. Während einige die | |
| Klamotten durchsuchen, hat sich eine Gruppe syrischer Männer um eine | |
| Wasserpfeife gruppiert. Einige von ihnen hat Lisa mit ihrem Auto vom Heim | |
| abgeholt, laufen wäre zu gefährlich gewesen, sagt sie. Die 23-Jährige, die | |
| in Dresden studiert, kommt seit Wochen fast täglich ins „Leonardo“ und hat | |
| sich mit vielen der Geflüchteten angefreundet. Sie will einfach da sein, | |
| zum Quatschen oder Tee trinken. Seit einiger Zeit gibt sie auch | |
| Deutsch-Unterricht, die Materialien dafür hat sie selbst gekauft. | |
| Inzwischen sind viele der Flüchtlinge, die im Juni kamen, schon wieder weg. | |
| Immer wieder muss Lisa Abschied nehmen, doch sie hofft auch, dass es den | |
| Menschen anderswo besser ergeht. Auf die Frage, ob sie in Freital Angst | |
| habe, nickt sie. „Man fühlt sich hier und auch in Dresden nicht wohl“, sagt | |
| die gebürtige Stuttgarterin. Doch abschrecken lässt sie sich nicht. | |
| Vor kurzem war sie zusammen mit 40 der Geflüchteten im Freibad. Zwar seien | |
| Angriffe ausgeblieben, aber es habe sehr viele beleidigende Kommentare | |
| gegeben. Kurz darauf sei sie einer Dresdener Straßenbahn von mehreren | |
| Dynamo-Hooligans attackiert worden, die zuvor über „Asylanten“ gehetzt | |
| hatten. „Ich konnte meinen Mund nicht halten“, sagt sie. Lisa, die ihren | |
| Nachnamen nicht online lesen will, ist froh, dass an diesem Tag so viele | |
| solidarische Menschen nach Freital gekommen sind. Mehrere Hundert harren | |
| bis zum Einbruch der Nacht auf dem Platz aus, lauschen und tanzen zum | |
| Rap-Konzert der „Gipsy Mafia“. | |
| ## Bürgerwehr hat mobilisiert | |
| Doch die Unsicherheit bleibt. Die Bürgerwehr hat ihre Anhänger an einer | |
| nahegelegenen Tankstelle mobilisiert. Wieder steht ein etwa 50-köpfiger Mob | |
| zusammen und vertreibt sich die Zeit mit Biertrinken. Sie haben | |
| angekündigt, die Antifa „in Schutt und Asche“ zu legen. Sich als | |
| erkennbarer Linker allein durch Freital zu bewegen, ist an diesem Abend | |
| unmöglich. | |
| Die nur noch spärlich präsente Polizei, die insgesamt mit 340 Beamten vor | |
| Ort war, vermag keinen ausreichenden Schutz zu versprechen. Die angereisten | |
| Berliner Aktivisten bilden eine Autokolonne, den mitgebrachten, auffälligen | |
| Lautsprecherwagen nehmen sie in die Mitte. Als der Konvoi die Nazis | |
| passiert, haben Polizisten alle Mühe, diese im Zaum zu halten. Doch noch am | |
| Ortsausgang stoppt ein Polizeiauto die Gruppe. Der Fahrer des | |
| Lautsprecherwagens soll eine Anzeige erhalten, weil von seinem Wagen ein | |
| Lied mit der Textzeile „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ gespielt | |
| worden sei. Zehn Minuten später kann die Fahrt nach Berlin weitergehen. | |
| Zurück bleiben die Geflüchteten in einer feindlichen Umgebung. | |
| 1 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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