# taz.de -- Kommentar „Strom-Maidan“: Elektrisiertes Armenien | |
> Die Regierung reagiert mit Gewalt auf Menschen, die gegen finanzielle | |
> Einschnitte demonstrieren. Das ist nicht ohne Risiko. | |
Bild: Unter Strom: Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen eine Sitzblockade von … | |
Na bitte, geht doch! Schon mehrere Tage in Folge protestieren in Jerewan | |
und anderen Städten Armeniens Tausende gegen die Regierung. Waren es vor | |
zwei Jahren wahnwitzige Bauprojekte in der Innenstadt Jerewans und | |
Fahrpreisverteuerungen für öffentliche Transportmittel, welche die | |
Volksseele kochen ließen, treibt diesmal eine Erhöhung der Strompreise um | |
16 Prozent die Menschen auf die Straße. | |
Aus verständlichen Gründen: Viele Armenier wissen schon jetzt nicht, wie | |
sie wirtschaftlich über die Runden kommen sollen. Und der Beitritt des | |
verarmten Landes zu der von Russland dominierten Eurasischen Union Anfang | |
dieses Jahres hat sich bislang alles andere als segensreich erwiesen. Im | |
Gegenteil: Die Auswirkungen der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen | |
Russland wegen des Ukraine-Krieges treffen auch die Südkaukasusrepublik mit | |
voller Härte. | |
Und wie reagiert die Staatsmacht auf die Unmutsbekundungen? Sie lässt | |
Demonstranten zusammenknüppeln und festnehmen, wobei sie sich mit | |
besonderer Brutalität an Medienvertretern abarbeitet. Hinzu kommt noch, | |
dass einige Abgeordnete und Regierungsvertreter das aus Russland sattsam | |
bekannte Mantra nachbeten, hier habe wohl wieder einmal der Westen seine | |
Finger im Spiel. | |
Doch Präsident Sersch Sarsjan sollte gewarnt sein. Diese Proteste gehen | |
weit über das Soziale hinaus. Sie richten sich auch gegen einen durch und | |
durch korrupten Regierungsapparat. An dessen Spitze steht mit Sarsjan ein | |
Mann, der sich durch eine Verfassungsänderung als künftiger Regierungschef | |
auch fortan Macht und Einfluß sichern will. Und die Proteste richten sich | |
gegen Russland, das die Stromversorgungsnetze kontrolliert und damit in den | |
Augen vieler Armenier für die jüngesten Preiserhöhungen verantwortlich | |
zeichnet. | |
Ob die Bewegung eine Eintagsfliege bleibt oder sich verstetigt, ist derzeit | |
schwer abzuschätzen. Vor allem aber jungen Leuten, die ob mangelnder | |
Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten immer ungeduldiger werden, ist | |
ein gewisses Beharrungsungsvermögen zuzutrauen. Schon jetzt ist, in | |
Anlehnung an das Beispiel Ukraine, von einem „Strom-Maidan“ die Rede. | |
Sollte der tatsächlich kommen, dann könnte auch in Armenien (fast) alles | |
möglich werden. | |
26 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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