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# taz.de -- Völkermord an Armeniern: Nationalist siegt vor Gericht
> Wer ohne Hass den Völkermord an den Armeniern bestreitet, darf nicht
> bestraft werden. Das urteilt der Menschenrechtsgerichtshof.
Bild: Dreimal hatte Doğu Perinçek in der Schweiz öffentlich gesagt, die Gewa…
Freiburg taz | Ein türkischer Nationalist hat vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Erfolg errungen. Die
Straßburger Richter stellten fest, dass die Schweiz sein Recht auf
Meinungsfreiheit verletzte, als der Mann in der Schweiz zu einer Geldstrafe
verurteilt wurde, weil er den Völkermord an den Armeniern 1915 bestritten
hatte.
In der Schweiz ist es seit 1995 als „Rassendiskriminierung“ strafbar, aus
rassistischen Gründen einen „Völkermord oder andere Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“ zu leugnen oder zu verharmlosen.
Der türkische Linksnationalist Doğu Perinçek, Vorsitzender der kleinen
türkischen Arbeiterpartei, reiste 2005 in die Schweiz. Dort erklärte er bei
drei Gelegenheiten öffentlich, dass die 1915 ausgeübte Gewalt gegen die
Armenier nicht als Völkermord eingestuft werden könne. Die Armenier seien
von „imperialistischen Großmächten“ (gemeint sind England, Frankreich und
Russland) aufgestachelt worden, sich gegen die Türken zu erheben. Es habe
dann zwar Massaker an Armeniern gegeben, das Ottomanische Reich habe aber
nur reagiert. Dies als Völkermord zu bezeichnen, sei eine „imperialistische
Lüge“.
Für diese Äußerungen verurteilte ein Gericht in Lausanne Perinçek 2007 zu
einer Geldstrafe von 3.000 Franken (2.760 Euro). Der Genozid an den
Armeniern sei eine „bewiesene historische Tatsache“. Perinçeks Motive seien
rassistisch und nationalistisch gewesen, indem er die Armenier für die an
ihnen verübten Massaker verantwortlich machte. Seine Äußerungen seien weit
von einer ernsthaften historischen Debatte entfernt. Das Urteil wurde in
zwei Schweizer Instanzen bestätigt.
Eine kleine Kammer des EGMR hatte schon im Dezember 2013 eine Verletzung
von Perinçeks Meinungsfreiheit angenommen. Dagegen hatte die Schweiz jedoch
Rechtsmittel eingelegt. Nun entschied eine mit 17 Richtern besetzte Große
EGMR-Kammer.
## Urteil endgültig
Die Richter ließen offen, ob die Massaker und Todesmärsche von 1915 als
Völkermord eingestuft werden können und müssen. Sie erkannten an, dass es
für Armenier zu ihrer Identität gehört, sich als Teil einer Gemeinschaft zu
fühlen, die Opfer eines Völkermords wurde. Dies sei im Prinzip ein
schutzwürdiges Interesse, müsse aber mit der Meinungsfreiheit abgewogen
werden.
Die Richter ließen auch offen, ob das Schweizer Gesetz generell gegen die
Europäische Menschenrechts-Konvention verstößt. Jedenfalls habe die
Verurteilung Perinçeks Rechte verletzt. Perinçek habe als Politiker zu
einer Frage von öffentlichem Interesse gesprochen. Ihm wurde zugute
gehalten, dass er keinen Hass und keine Verachtung gegenüber den Armeniern
äußerte. Er habe auch nicht die Armenier als Lügner bezeichnet, sondern die
„imperialistischen“ Geheimdienste der damaligen Zeit. Seine Äußerungen
zielten nicht darauf ab, Hass, Gewalt oder Intoleranz gegenüber den in der
Türkei lebenden Armeniern anzustacheln, so die Richter.
Der Gerichtshof stellte klar, dass die Bestrafung von Leugnern des
Holocaust an den europäischen Juden durchaus gerechtfertigt sei. Denn
solche Leugnungen beinhalteten Antisemitismus und eine antidemokratische
Ideologie. Sie seien besonders gefährlich in Ländern, die unter den
Nazigräueln gelitten hatten oder die eine moralische Verantwortung treffe,
sich vom Holocaust deutlich zu distanzieren.
Das Urteil zugunsten von Perinçek fiel mit zehn zu sieben Richterstimmen
und ist endgültig.
15 Oct 2015
## AUTOREN
Christian Rath
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