# taz.de -- Kommentar Urteil „Völkermord“: Zu Recht streng | |
> Es ist wichtig, die Gefühle von Opfern zu schützen. Doch wenn es um | |
> strafrechtliche Eingriffe in Geschichte geht, muss das Gericht genau | |
> sein. | |
Bild: Meinungsfreiheit wird auf diesen Luftballons gefordert. Mit dem Urteil ha… | |
Das [1][Straßburger Urteil] dürfte viele Missverständnisse auslösen. Der | |
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass der | |
türkische Politiker Doğu Perinçek in der Schweiz nicht dafür bestraft | |
werden durfte, dass er den Völkermord an den Armeniern 1915 bestritt. Damit | |
hat der Gerichtshof nicht erklärt, dass es den Völkermord nicht gab. Und er | |
hat auch nicht entschieden, dass die Leugnung von Völkermorden generell | |
nicht bestraft werden darf. | |
Zu Recht ist der Gerichtshof aber streng, wenn es um strafrechtliche | |
Eingriffe in historische Debatten geht. Was vor Jahrzehnten passiert ist | |
und wie es rechtlich zu bewerten ist, sollte in aller Regel der freien | |
Debatte von Historikern und anderen Interessierten überlassen bleiben. So | |
anerkennenswert es ist, die Gefühle der Opfer von Gewalt und Verbrechen zu | |
schützen, so kann dies zu leicht missbraucht werden, um einseitige und | |
politisch opportune Sichtweisen durchzusetzen. | |
Dem Gerichtshof für Menschenrechte ging es nicht um die Interessen der | |
Türkei. Schon mehrfach hatte er den umgekehrten Fall zu entscheiden, dass | |
Armenier in der Türkei bestraft wurden, weil sie von einem „Völkermord“ an | |
ihrem Volk sprachen. Auch hier entschieden die Richter für die | |
Meinungsfreiheit. | |
Wichtig war im konkreten Fall, dass er in der Schweiz spielte, einem Staat, | |
der mit den Ereignissen von 1915 wenig zu tun hat. Dort gebe es wenig | |
Rechtfertigung, solche historischen Debatten zu reglementieren. Dagegen hat | |
das Straßburger Gericht die deutschen Gesetze zur Leugnung des Holocaust | |
nie beanstandet und wird dies auch künftig nicht tun. Deutschland darf | |
seine Läuterung auch strafrechtlich zum Ausdruck bringen. | |
Sollte die Türkei je zu Sinnen kommen und den Völkermord an den Armeniern | |
anerkennen, dann dürfte sie als Zeichen der Verantwortung auch dessen | |
Leugnung unter Strafe stellen. Doch davon ist sie leider weit entfernt. | |
15 Oct 2015 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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