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# taz.de -- Konflikt um griechischen Staatssender: Von wegen auf Sendung
> In Griechenland ignoriert die Regierung einen höchsten Richterspruch, den
> stillgelegten Staatsrundfunk ERT wieder arbeiten zu lassen.
Bild: Die Besetzung geht weiter: ERT-Unterstützerin vor dem Gebäude des Sende…
BERLIN taz | Die Situation hat kafkaeske Züge angenommen: obwohl
Montagabend das oberste griechische Verwaltungsgericht verfügt hatte, die
per Regierungserlass vorgenommene Stilllegung des Staatsrundfunksenders ERT
sei illegal, ERT müsse sofort wieder senden, ist das bisher nicht
geschehen. Ministerpräsident Antonis Samaras setzt sich damit über eine
Entscheidung der unabhängigen Justiz hinweg.
Samaras von der konservativen Nea Dimokratia hatte am 11. Juni völlig
überraschend auch für seine beiden Koalitionspartner, die Parteien Pasok
und Dimar, aus Sparzwängen die Auflösung und den Umbau der einzigen
öffentlichen Sendeanstalt Griechenlands verfügt.
Es folgte die umgehende Abschaltung der Frequenzen von fünf
Fernsehprogrammen und 26 Radiosendern - und eine beispiellose Protestwelle
Tausender Griechinnen und Griechen und die Besetzung der ERT-Zentrale im
Nordosten Athens. Seither halten die ERT-Beschäftigten mit Hilfe ihrer
Unterstützer einen Piratensendebetrieb aufrecht, der über diverse
Internetseiten zu empfangen ist, darunter die der Europäischen
Rundfunkunion (www.ebu.ch),
Weil die Regierung den Sender handstreichartig als Rechtsform aufgelöst hat
und noch keine Nachfolgeinstitution existiert, gibt es derzeit ein
rechtliches Vakuum, auf dass sich Samaras zurückzieht. Denn wie soll man
einem offiziell nicht-existierendem Sender Frequenzen freischalten?
Das oberste Verwaltungsgericht Athens hatte jedoch ungeachtet dessen klar
gemacht, ERT müsse für die Griechinnen und Griechen sofort wieder zu
empfangen sein. Samaras wiederum besteht darauf, ERT erst wieder regulär
anzuschalten, wenn der Sender umgebaut und stark geschrumpft ist. Von den
2.700 Beschäftigten sollen nur rund 1.000 zu verschlechterten Bedingungen
übernommen werden.
## Regierungskriese schwelt weiter
In der Koalition schwelt deswegen die handfeste Regierungskrise weiter.
Bereits das zweite Krisengespräch zwischen Samaras und den Parteichefs der
Pasok und der Dimar, Evangelos Venizelos und Fotis Kouvelis, endete am
Mittwochabend nach mehr als drei Stunden ergebnislos. Donnerstagabend
wollen sich die Spitzenpolitiker erneut zusammen setzen.
Die Pasok hatte vor dem 2. Gespräch den Ton gegenüber Samaras verschärft
und vor „rücksichtslosen Spielchen“ gewarnt. Spekulationen über Neuwahlen
machen seit Tagen die Runde. Doch Pasokchef Venizelos dämpfte nach dem
Krisengespräch am Mittwochabend diese Erwartungen: „Wir wissen, dass die
Mehrheit der Griechen keine Neuwahlen will.“ Die Wahrheit ist aber auch:
vor allem Pasok und Dimar fürchten einen erneuten Urnengang, denn dann
könnten sie endgültig in der Bedeutungslosigkeit versinken.
Für die Beschäftigten auf dem Rundfunkgelände geht die Hängepartie also
weiter. „Wir sind faktisch immer noch arbeitslos, also halten wir den
Sender immer noch besetzt“, sagte Anneta Kavadia, die seit rund 20 Jahren
für ERT das politische Geschehen analysiert. „Die Beschäftigten hatten am
Mittwoch auf eine Lösung gehofft, jetzt wächst die Frustration“, erzählt
Kostas Argyros, der seit elf Jahren für ERT Fernsehprogramme produziert.
## Aufruf zu Protesten in Hamburg
Doch auch die Solidaritätswelle für die ERT-Beschäftigten reißt nicht ab:
Im australischen Sydney demonstrierte Anfang der Woche die griechische
Gemeinde gegen die Abschaltung des Satellitenprogramms von ERT für
Griechen, die im Ausland leben. In Köln fand am Mittwochabend, organisiert
von Verdimitgliedern innerhalb des WDRs, eine Protestkundgebung statt. Und
für den heutigen Donnerstag mobilisiert die Hamburger Soligruppe
Griechenland, an der unter anderem Attac beteiligt ist, für 17.30 Uhr vor
das griechische Generalkonsulat in der Hansestadt.
Die beiden Gewerkschaftsdachverbände Griechenlands, ADEDY und GSEE, hatten
wiederum für Mittwochabend in Athen erneut zu einer Kundgebung vor dem
ERT-Gelände aufgerufen, zu der mehrere Tausend Menschen kamen.
Für den heutigen Donnerstag wird sich nun nicht nur die Regierung neu
beraten, es wird auch ein neuer Richterspruch erwartet. Auf Antrag
griechischer Journalistengewerkschaften muss die Justiz über den Vorwurf
entscheiden, die Regierung ignoriere die ursprüngliche Anweisung des
obersten Verwaltungsgerichts vom Montag, ERT sofort wieder in Betrieb zu
nehmen.
20 Jun 2013
## AUTOREN
Eva Völpel
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