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# taz.de -- Journalist über griechischen Staatsrundfunk: „ERT ist kein Sanie…
> Der Journalist und Medienexperte Ferry Batzoglou ärgert sich über die
> Verunglimpfung des öffentlichen Senders ERT und über die Geschenke an die
> Privaten.
Bild: Nicht mehr „on air“. Der staatliche Rundfunk „ERT“ wurde geschlos…
taz: Herr Batzoglou: Die griechische Regierung unter Premierminister
Antonis Samaras sagt, der Staatsrundfunk ERT habe zu viel Personal und
verschwende Geld, deswegen habe sie ihn geschlossen. Stimmt die Analyse?
Ferry Batzoglou: Es ist ein Mythos, dass bei ERT ein Personalübergang
besteht. ERT hatte im Juni 2.656 Angestellte, davon etwa 650 Journalisten.
Seit 2010 sind bereits rund 1.500 Stellen abgebaut worden, über natürliche
Fluktuation und den Abbau von Zeitverträgen. ERT arbeitet personell schon
im roten Bereich.
ERT ist also kein Sanierungsfall?
Nein. [1][ERT finanziert sich durch Rundfunkbeiträge] und Werbeeinnahmen
und der Sender hat in den letzten drei Jahren durch die Kürzungen beim
Personal, bei Löhnen und Gehältern, Überschüsse erwirtschaftet, die in den
Staatshaushalt flossen. Das Durchschnittsgehalt der Beschäftigten beträgt
etwa 1.200 Euro pro Monat.
Die Regierung hat angekündigt, ab September einen neuen Sender mit ca.
1.200 Beschäftigten zu eröffnen. Kann ERT dann vernünftig arbeiten?
Nein. Von den [2][1.200 Beschäftigten werden etwa 300-400 Journalisten]
sein. Damit kann man kein öffentlich-rechtliches Programm machen, dass
beispielsweise auch Minderheiten, Randsportarten, die olympischen
Sommerspiele, Fussballweltmeisterschaften, klassische Musik- und
Kultursendungen, die Inlands- und Auslandsberichterstattung und noch die
große Gruppe der sieben Millionen Auslandsgriechen, für die es derzeit
eigene Programme gibt, abdeckt.
Selbst wenn der neue Sender mit einem Drittel der bisherigen Belegschaft
ins Leben gerufen wird, ist das die Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen
Fernsehens.
Welche Interessen verfolgt die Regierung Samaras mit der Schließung?
Samaras verunglimpft mit gestreuten Fehlinformationen die Belegschaft und
den ganzen Sender in der Öffentlichkeit. Er will letztlich Privatsender
begünstigen, die von Großunternehmern, den Oligarchen Griechenlands,
geführt werden. Dabei sind diese Sender die eigentlichen Sanierungsfälle.
Warum?
Weil sie alle seit der Liberalisierung des Medien- und TV-Marktes Ende der
1980er Jahre speziell im Fernsehbereich chronisch defizitär arbeiten. Zudem
ist der private Fernsehmedienmarkt juristisch noch nicht einmal
abschließend reguliert. Nur ERT hatte eine endgültige Sendelizenz. Die
Privaten werden auf der Basis von immer wieder vorübergehend ausgestellten
Lizenzen betrieben.
Wie viele Steuern führen die Privatsender an den Staat ab?
Es gibt skandalöse Steuerleichterungen für die Privaten. Und die Troika
lässt das mit zu. Ein Beispiel: 2010 hat die damalige griechische Regierung
beschlossen, dass die Werbeeinnahmen bei den privaten Fernsehsendern mit
einer Steuer in Höhe von 20 Prozent belegt werden. Dieses Gesetz ist zwar
verabschiedet, doch der Beginn des Inkrafttretens wird immer wieder
verschoben, aktuell auf Anfang 2014.
Wie viele Einnahmen gehen dem Staat dadurch verloren?
Der Staat verliert durch diesen Aufschub auf Druck der Privatsender und
ihrer Eigner seit 2010 etwa 100 Millionen Euro an Steuern. Das sind genau
die 100 Millionen Euro, die Premierminister Samaras laut seinem
Regierungssprecher nun mit der ERT-Schließung einsparen will, in dem die
griechischen Bürger weniger Rundfunkgebühren bezahlen sollen. Auch diese
Einsparung fließt ja aber nicht in die Staatskasse.
Sie sprechen vom Druck der Privatsender auf die Regierung. Welche
Lobbygruppen gibt es, die nah an der Regierung dran sind?
Nur ein Beispiel: Andreas Psycharis sitzt seit den letzen Wahlen für die
Nea Demokratia im Parlament und war außenpolitischer Berater Samaras, als
der noch in der Opposition war. Psycharis Vater, Stavros Psycharis, ist
Chef und Großaktionär der privaten Medienholding Lambrakis Presse Gruppe.
Und sein Sohn hat den Sprung ins Parlament geschafft mit der Hilfe der
Lambrakispresse. Es gibt also enge Verbindungen im engen Umfeld von Samaras
zum privaten Medienmarkt.
Man hört, ERT würde durch die Schließung erst so richtig in die Schulden
getrieben. Inwiefern?
Zuerst einmal müssen Abfindungen in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro
bezahlt werden, so meine Recherchen. Vor allem aber hat ERT viele exklusive
Senderechte an Sportgroßereignissen erworben, darunter die
Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien, die
Basketballeuropameisterschaft oder auch die Formel 1. Insgesamt geht es um
Verträge in Höhe von 50 Millionen Euro, die ERT abgeschlossen hat.
Die Privatsender waren wegen der Medienkrise und den sinkenden
Werbeeinnahmen in Griechenland übrigens nicht mehr liquide genug, solche
Senderechte zu erwerben. Wenn jetzt beispielsweise Ende Juni die Formel 1
nicht von ERT übertragen wird, sondern von einem Privatsender, dürfte
Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ERT auf Vertragsbruch und Schadensersatz
verklagen.
Das wird teuer – und die Schulden, die da auflaufen, werden ironischerweise
sukzessive auf [3][den griechischen Steuerzahler] abgewälzt, weil das
griechische Finanzministerium Alleinaktionär von ERT ist. Die Schließung
macht also auch ökonomisch keinen Sinn. Auch wenn man klarstellen muss, ERT
hat einen öffentlich-rechtlichen Auftrag – und da sollten nicht immer
ökonomische Maßstäbe gelten.
17 Jun 2013
## LINKS
[1] /Kommentar-Griechischer-Staatssender/!118009/
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[3] /Grossdemonstration-in-Athen-/!118070/
## AUTOREN
Eva Völpel
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