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# taz.de -- Großdemonstration in Athen: Solidarität statt Sanierung
> Streiken und demonstrieren: In Athen versammeln sich Zehntausende, um
> gegen die Schließung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ERT zu
> protestieren.
Bild: Demonstranten versammeln sich vor dem geschlossenen Staatlichen Rundfunkg…
ATHEN taz | „Diese Demonstration wird groß. Man sieht es daran, dass die
'normalen Leute' kommen, nicht nur die Linken. Die 'Normalen' kommen
nämlich pünktlich“, sagt Tasos Koronakis auf dem Weg zum Gebäude des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ERT im Nordosten Athens.
In der Tat: Bereits mehrere hundert Meter vom Rundfunkgebäude entfernt sind
schon vor 12 Uhr griechischer Zeit die breiten Straßen und Plätze überfüllt
mit Menschen, Sprechchöre durchfluten die Straßen. Für 12 Uhr hatten die
handstreichartig ihrer Arbeit beraubten, rund 2.700 Medienarbeiter des
Rundfunks, die beiden großen Gewerkschaftsdachverbände Griechenlands, GSEE
und ADEDY, sowie linke Oppositionsparteien zu einer großen Kundgebung
direkt am ERT-Gebäude im Stadtteil Agia Paraskevi und zum Generalstreik
aufgerufen.
Am Dienstag hatte Ministerpräsident Antonis Samaras von der konservativen
Nea Nea Dimokratia (ND) per Regierungserlass überraschend verkündet, die
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit ihren landesweiten
Fernsehprogrammen und fast 30 Radiosendern innerhalb weniger Stunden
schließen.
Doch die Medienarbeiter riefen zur Unterstützung. Seither ist das Gelände
des Rundfunks besetzt und es wird ununterbrochen ein Streikprogramm
gesendet, das trotz gekappter Frequenzen im ganzen Land zu empfangen ist.
Mehrere TV-Portale, unter anderem das der Europäischen Rundfunkunion
[1][EBU] oder der kommunistischen Partei, übertragen den Livestream von
ERT. Vor dem Gebäude sind große Leinwände und Anlagen aufgebaut, die den
großen Platz auf dem Rundfunkgelände beschallen. Rund um die Uhr treten
Sänger auf, werden Reden gehalten - oder das Konzert des ERT-Orchesters,
dass sich am Mittwoch im Gebäude versammelt hatte, nach draußen übertragen.
„In der letzten Zeit gab es in Griechenland vereinzelte Kämpfe, hier wird
wieder etwas zusammen geführt, die Menschen verstehen, es geht um mehr als
Rundfunk, es um die Demokratie“, sagt der Journalist Tassos Anastiassiadis,
der, selbst seit zwei Monaten arbeitslos, zur Unterstützung seiner Kollegen
gekommen ist.
## Solidarität von Verdi
Die Solidarität mit den Rundfunkbeschäftigten ist groß: Im Liveprogramm
treten rund um die Uhr Journalisten, Künstler, Vertreter von
Oppositionsparteien, Gewerkschafter oder Aktivisten aus diversen
politischen Zusammenhängen auf. Die Journalisten der privaten Medien
Griechenlands sind in den Streik getreten, allerdings hatten die
Gewerkschaften die Losung ausgegeben, über die ERT-Schließung zu berichten,
sei in Ordnung. Auch aus dem Ausland erreichen die ERT-Beschäftigten
Solidaritätsadressen, aus Deutschland unter anderem von Verdi und dem
Gesamtpersonalrat und den Gewerkschaften des Hessischen Rundfunks.
Ministerpräsident Antonis Samaras attackiert derweil die Gewerkschaft der
Journalisten ESIEA scharf für ihre Berichterstattung und ihre
Streikbereitschaft. Außerdem drohte er den privaten Medien, die das
ERT-Streikprogramm übertragen, am Donnerstag Sanktionen an. Samaras betonte
am Mittwochabend erneut bei einer Rede vor Industriellen, es sei richtig,
ERT umzustrukturieren. Nach Aussagen des Regierungssprechers Simos
Kedikoglou sollen rund 1.200 Beschäftigte in eine neu strukturierte
Rundfunkanstalt übernommen werden. Wer und zu welchen Bedingungen, ist
allerdings unklar.
Die Geschäftsführung von ERT wiederum hatte den widerständigen Journalisten
in den letzten Tagen erfolglos damit gedroht, Abfindungen nicht zu bezahlen
oder sie bei einer Neueröffnung des Rundfunks nicht zu übernehmen.
## Neuwahlen nicht ausgeschlossen
„Samaras will es wissen, er will austesten, wie weit er gehen kann. Er
hätte ERT ja auch bei laufendem Betrieb umstrukturieren können“, sagt die
Magazinjournalistin Eleni. Sie glaubt wie viele andere, dass Neuwahlen
möglich werden könnten. „Das entscheidet sich nicht heute, aber wenn die
Leute durchhalten, wenn die Besetzung weiter geht, dann wird es spannend.“
Einheiten der griechischen Polizei waren in den letzten zwei Tagen zwar
mehrfach in der Nähe des ERT-Gebäudes aufgezogen. Doch die große Menge an
ERT-Unterstützern - tagsüber und vor allem ab dem späten Nachmittag etliche
Tausend, Nachts immer noch etliche Hunderte - hält die Polizei noch davon
ab, zu räumen.
In der Dreiparteinkoalition zeigen sich derweil Risse. Die beiden kleineren
Koalitionsparteien, die Pasok und die Dimar, waren von der Schließung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht informiert worden. Die Vorsitzenden
der Parteien, Evangelos Venizelos (Pasok) und Fotis Kouvelis (Dimar) hatten
sich am Mittwoch gegen die Schließung von ERT ausgesprochen und miteinander
ein mehrstündiges Gespräch geführt: Sie verlangen, auch mit Samaras über
die ERT-Schließung zu sprechen.
Dieses Gespräch soll nun Montagabend stattfinden. Währungskommissar Olli
Rehn beeilte sich unterdessen am Mittwoch zu versichern, die Europäische
Kommission hätte mit der ERT-Schließung nichts zu tun. Man mische sich
jedoch auch nicht in das Recht der griechischen Regierung ein, Maßnahmen zu
ergreifen, um den Staatshaushalt zu sanieren, fügte Rehn hinzu.
13 Jun 2013
## LINKS
[1] http://www.ebu.ch
## AUTOREN
Eva Völpel
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