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# taz.de -- Urteil im Whistleblower-Prozess: Manning bleibt in der Schusslinie
> In den USA wurde der 25-Jährige in 20 Anklagepunkte für schuldig
> befunden. Die Strafe steht noch nicht fest. Die Verteidigung hofft auf
> Obamas Gnade.
Bild: Manning verlässt das Gerichtsgebäude nicht als freier Mann.
WASHINGTON taz | Nach dem Urteil für Bradley Manning geht es nun um seine
Strafe: Den schwerwiegendsten Anklagepunkt der Hilfe für den Feind braucht
der Whistleblower nicht mehr fürchten. „Doch aus der Schusslinie ist er
nicht“, betont sein Verteidiger David Coombs. Durch seine gut 20
Schuldsprüche droht dem 25-Jährigen unter Umständen eine 136 Jahre lange
Haftstrafe.
Am Mittwoch sollten darüber im Militärgericht von Fort Meade die Beratungen
beginnen. Kritiker erwarten einen langen weiteren Prozess und wenig Gnade:
Richterin Denise Lind sei befangen. Die Chefin des Prozesses erwartet
nämlich ihre Beförderung.
„Sie bekam den Ruf an das nächst höhere Militärgericht, das
Berufungsgericht“, sagte der Jurist und Anwalt von Wikileaks-Chef Julian
Assange, Michael Ratner dem Sender Democracy Now. „Das finde ich
bemerkenswert, dass der Richterin mitten im laufenden Verfahren des größten
Whistleblowers in der Geschichte der USA eine höhere Position gegeben
wird.“
Das erinnere an das Spionageverfahren von Daniel Ellsberg, der Anfang der
1970er Jahre mit der Veröffentlichung geheimer Pentagon-Papiere Verbrechen
des Vietnamkriegs enthüllt hatte. Mitten in diesem Prozess sei dem Richter
von einem Mitarbeiter Präsident Richard Nixons der Posten des FBI-Chefs
angeboten worden. „Wir sprechen hier davon, dass die Exekutive einen
Richter beeinflusst“, so Ratner.
Rechtsexperten gehen davon aus, dass die Frage über Mannings Haftstrafe
unweigerlich vor dem Berufungsgericht landen wird. „Vielleicht nicht
unbedingt bei Richterin Lind, doch auf jeden Fall bei einem ihrer
Kollegen“, so Jurist Ratner. „Die werden ihr doch nicht beim Mittagessen
sagen: Wir haben deine Entscheidung von damals revidiert, weil sie falsch
war.“
## Das entgültige Urteil könnte sich noch über Jahre ziehen
Nach Ansicht des Rechtsexperten Philip Cave ist der Fall Manning dafür
vorbestimmt, dass sich die Festlegung des endgültigen Strafmaßes für den
bereits seit drei Jahren inhaftierten Whistleblower noch über Jahre ziehen
wird – über das Berufungsgericht des Militärs zum zivilen Berufungsgericht
bis hin zum Obersten Gericht der USA.
Richterin Lind habe bei der Verhängung des Strafmaßes völlig freie Hand,
sagte Cave dem Radiosender NPR. „Sie kann alles entscheiden – von der
Straffreiheit bis hin zur Höchststrafe.“ Es gebe vor einem Militärgericht
keine Richtlinie für Mindeststrafen.
Lind kann sich nun wochenlang Zeit lassen. Anklage wie Verteidigung werden
dafür die Findung des Strafmaßes abermals jeweils rund 20 Zeugen ins Rennen
schicken.
„Wir haben die Schlacht gewonnen, nun müssen wir auch noch den Krieg
gewinnen,“ erklärte Manning-Verteidiger Coombs. Zahlreiche Unterstützer
Organisationen kündigten ihre Hilfe an.
Eine Gruppe von ihnen zog noch am Abend des historischen Urteilsspruchs
spontan vor den Wohnsitz von Präsident Barack Obama in Washington. „Wir
drücken unsere Hoffnung darauf aus, dass Manning vom Weißen Haus begnadigt
wird“, erklärte Malachy Kilbride vom „Manning Support Network“ der Websi…
U.S. News.
Besonders kritisiert wurde, dass Richterin Lind den ehemaligen Iraksoldaten
Manning in sechs Fällen nach dem antiquierten Spionagegesetz verurteilt
hat, obwohl er nicht für die Zusammenarbeit mit dem Feind verurteilt wurde.
## Fünf Anklagepunkte der Spionage
„Bradley Mannings Verurteilung beinhaltet fünf Anklagepunkte der Spionage,“
tweetete die Enthüllungsplattform Wikileaks, über die Manning vor drei
Jahren seine Informationen an die Öffentlichkeit brachte. „Das ist ein
ernsthafter Präzedenzfall für jemanden, der Informationen an die Presse
weitergeleitet hat.“
„Die Weitergabe von Informationen im öffentlichen Interesse an die Presse
sollte nicht unter das Spionagegesetz fallen“, so Ben Wizner von der
Menschenrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU). „Da er
(Manning) sich bereits dafür schuldig bekannt hat, dass er Informationen
weitergeleitet hat, ist klar, dass die Regierung versucht jeden
einzuschüchtern, der es künftig in Erwägung zieht, wichtige Informationen
zu enthüllen.“
Auch Mannings Familie hielt nicht mit ihrer Enttäuschung hinter dem Berg.
In einem vom Guardian veröffentlichten Schreiben erklärte sie: „Brad liebte
sein Land und war stolz, dessen Uniform zu tragen.“ Es sei allerdings auch
erfreulich, dass Manning auch nach Auffassung der Richterin den Feinden der
USA niemals habe helfen wollen.
„Wir hassen es, einen ehemaligen Regierungsmitarbeiter zu sehen, der
verurteilt wurde, weil er Missstände aufdecken wollte“ sagte Gregg Leslie
vom Reporters Committee for Freedom of the Press der New York Times. „Doch
dieser Prozess war von Anfang an ungewöhnlich, weil es soviel Spielraum für
seine (Mannings) Entlassung gab.“ Whistleblower wüssten, worauf sie sich
einließen. „Und je mehr sie enthüllen, desto größer ist auch die Bedrohun…
die sie fürchten müssen.“
Während Manning, der als im Irak stationierter Soldat über 700.000 Seiten
Geheimdokumente an Wikileaks lanciert hat, für seine Anhänger als Held aus
dem Prozess ging, drohten andere vor weiteren lauernden Gefahren.
„Manning hat unserer nationalen Sicherheit geschadet, das öffentliche
Vertrauen gebrochen und ist einer Reihe ernsthafter Verbrechen überführt“,
erklärten der konservative Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des
Repräsentantenhauses, Mike Rogers (Michigan), und führende Demokrat im
Auschuss, Dutch Ruppersberger (Maryland) in einem gemeinsamen Statement.
„Es gibt noch immer viel zu tun, um Kriminelle wie Bradley Manning und
Edward Snowden davon abzubringen, unsere nationale Sicherheit zu bedrohen.“
31 Jul 2013
## AUTOREN
Antje Passenheim
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