# taz.de -- Kommentar „Washington Post“: Auf dem Weg ins Nichts | |
> Der Verkauf der Zeitung ist ein weiteres Detail von Amerikas Drang zum | |
> Abgrund. Die Familie Graham handelt verantwortungslos. | |
Bild: Warum aber haben sich die Grahams keinen technischen Beistand besorgt und… | |
Der neue Besitzer der Washington Post, Jeff Bezos, dem Amazon gehört sowie | |
das Unternehmen Blue Origin, das Privatreisen ins All anbietet, bezeichnet | |
die „Werte der Zeitung als unveränderlich“. Übersetzt heißt das: Alles w… | |
sich ändern, aber den Namen Washington Post, den wird er behalten. | |
Seit 1933 war die Post im Besitz einer Familie. Der Republikaner und | |
Multimillionär Eugene Meyer ersteigerte sie damals für 825.000 US-Dollar, | |
er wollte den New Deal publizistisch unterstützen. Die Meyers waren mit den | |
Roosevelts befreundet. Und es war Frau Meyer, die Mutter von Katharine | |
Graham, die Roosevelt ihren Freund Thomas Mann vorstellte. (Schwer | |
vorstellbar, dass Bezos Präsident Obama mit Thomas Pynchon bekannt machen | |
würde.) | |
Den Zenit ihres Einflusses erreichte die Post unter Katharine Graham. Sie | |
hat ihr Leben in einer fantastischen Autobiografie erzählt, „Personal | |
History“. 1963 übernahm sie die Leitung der Zeitung, also zu einer Zeit, | |
als man in Washington genau wie im Rest des Landes Frauen sehen, aber nicht | |
hören wollte. | |
1971 ging Graham das Risiko ein, mit der New York Times zusammenzuarbeiten, | |
um die Pentagon-Papiere zu veröffentlichen. Sie deckten die maliziösen | |
Fehler auf, belegten sie und verlautbarten Lügen der Nixon-Regierung im | |
Vietnamkrieg. Die damals noch völlig unbekannten Stadtreporter der Post, | |
Carl Bernstein und Bob Woodward, brachten mit dem Aufdecken der | |
Watergate-Affäre Präsident Nixon zu Fall. | |
Und just hier zeigte sich auch der Widerspruch, in dem sich die Post immer | |
befunden hat. Ihr großartiger Chefredakteur und von Graham hochgeschätzter | |
Berater, Ben Bradlee, war eng mit John F. Kennedy befreundet. Der Kampf | |
gegen Nixon war damit ein Kampf der einen imperialistisch gesinnten Partei | |
gegen die andere. 1976 begründete der Film „Die Unbestechlichen“ mit Robert | |
Redford und Dustin Hoffman den Mythos der Post. | |
## Viele Fragen, keine Antwort | |
Dabei war die Zeitung in den letzten Dekaden mit ihren Herausgebern, | |
Chefredakteuren und Journalisten für die neue Politik des verwalteten | |
Konsenses unverzichtbar. Kongressabgeordnete, Senatoren, Staatssekretäre, | |
Präsidenten kamen und gingen. Das Haus von Katharine Graham in Georgetown | |
behielt seinen Einfluss. | |
Wie die Post-Vietnamkrieg-Nation hat auch die Post nach Watergate vom | |
akkumulierten Kapital gelebt. Grahams and Bradlees Journalisten waren | |
intelligent und gelegentlich auch unabhängig. Sie zeichneten die | |
Selbstgefälligkeit des Landes auf und verkörperten sie gleichzeitig. Mit | |
der Überlegenheit der elektronischen Medien aber fuhren die | |
Besitzerfamilien der ehemals großartigen Zeitungen ihre finanzielle und | |
moralische Unterstützung zurück. | |
In Los Angeles, Chicago, Minneapolis, Boston, Atlanta gaben sie den Kampf | |
ganz auf. Nur die Grahams (und die Sulzbergers von der New York Times) | |
hielten weiter durch. Die Post überlebte und wurde ziemlich träge; dann | |
fiel die Auflage, die neuen Medien und die journalistische Kultur des | |
konformistischen Voyeurismus ersetzte das, was noch geblieben war von der | |
Idee des informierten Bürgers, die Katharine Graham (die 2001 verstarb) und | |
Bradlee noch umgetrieben hatte. | |
Die Grahams behaupten nun, sie würden die Zeitung durch den Verkauf an | |
Bezos retten. „Das Zeitungsgeschäft warf immer neue Fragen auf, auf die wir | |
keine Antwort haben“, so begründete Donald Graham, Chef der Washington Post | |
Company, die Entscheidung. Warum aber haben sich die Grahams keinen | |
technischen Beistand besorgt und auch keine Kreativen ins Haus geholt? | |
Seriöse Zeitungen sind keine Dienstleistungsunternehmen, und öffentliche | |
Verantwortung verträgt sich nicht mit dem Streben nach maximalem Profit. | |
Bezos’ Politik ist eine fragwürdige Version von Antistaatlichkeit. | |
Historisch gesehen ist der Verkauf der Post eine Fußnote von Amerikas | |
Wettlauf in den Abgrund. | |
9 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Norman Birnbaum | |
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